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Gesellschaft

Homeoffice, sweet homeoffice?

Marco Müller
6. April 2020

Das Virus bringt viele ins Homeoffice. Doch die Freude über die Büroauszeit ist das eine, viele Nachteile gehören auch dazu: der Kühlschrank, nervende Nachbarn, der Vermieter - oder auch die eigene Familie…

Symbolbild Heimarbeit Home office
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO

"Cool, ich kann schön von Zuhause arbeiten." Mit Gedanken wie diesem beginnt oft die Heimarbeit. Und in der Tat hat sie einige Vorteile. Erstens: länger schlafen. Viele Menschen haben einen langen Anfahrtsweg zur Arbeit und verbringen jeden Tag Stunden im Stau oder in überfüllten Bahnen und Bussen. Mit dem Homeoffice fällt das weg. Morgens heißt das länger schlafen, abends: früher zu Hause (beziehungsweise dort ist man dann ja eh).

Zweitens: kein aufwendiges Styling mehr. Für wen muss man sich noch schick machen? Es sieht einen ja keiner. Einfach die Jogginghose anziehen und fertig. Wozu Zähneputzen? Und duschen? Ach, das kann man ja machen, wenn zwischendurch mal Luft ist – oder halt morgen.

Drittens: Keine kontrollierende Chefin und keine nervigen Kollegen. Zu Hause kann man schön in Ruhe arbeiten und es so machen, wie man es selber will.

Viertens: Man kann Dinge nebenher erledigen. Zwischendurch mal mit der Oma telefonieren. Warum nicht? Im Großraumbüro kommt das eher nicht so gut. Aber zu Hause? Kein Problem! Genauso wie Aufräumen und Staubsaugen. Grünen-Chef Robert Habeck arbeitet seit drei Wochen zu Hause. Angeblich macht er bei Telefonkonferenzen nebenbei auch noch die Wäsche.

Fünftens, und das ist aktuell vielleicht der wichtigstes Vorteil: Man ist zu Hause, wenn der Paketbote kommt.

Balletttänzerin Vivian Assam im HomeofficeBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

My home is my office

Das Schöne ist, dass man für viele Büro-Jobs gar nicht viel braucht: Oft reichen ein Computer mit Internetanschluss und ein Telefon. Und selbst Lehrer sind Homeoffice-fähig: Sie machen ihren Unterricht per Video von zu Hause und chatten mit ihren Schülern. Fitnesstrainer trainieren zu Hause und lassen ihre Kunden per Video alles nachmachen. Selbst das Staatsballett Berlin macht Homeoffice. 70 Tänzerinnen und Tänzern wurden in den vergangenen Tagen jeweils rund drei Quadratmeter große Stücke des Tanzbodens zugeschickt. Jeden Vormittag wird das Training mit Ballettmeister Yannick Sempey live gestreamt und die Tänzerinnen und Tänzer machen die Übungen in ihren kleinen Homeoffice-Tanzsälen nach. Geht alles.

Trautes Heim, Glück allein! Echt jetzt?

Das Homeoffice hat aber auch so einige Nachteile. Der Autor dieses Stücks hat heute bei seinem ersten Tag im Homeoffice bereits drei Nachteile ausgemacht: Küche, Balkon, Vermieter.

Küche: Bereits am Vormittag hat der Autor Chips gegessen. Homeoffice macht dick! Man isst halt mehr, weil das Essen leicht verfügbar ist und bewegt sich weniger, weil man die Wohnung nicht mehr verlassen muss. Für die Gesundheit scheint es also nicht so doll zu sein.

Balkon: Man begehrt was man sieht. Im Gegensatz zum Bürogebäude ist im Homeoffice der Balkon ständig zu sehen. Bei 22 Grad und Sonnenschein fällt es schwer, im Homeoffice am Computer zu sitzen, wenn doch der sonnige Balkon so lockt.

Homeoffice in Balkonien: Einfach mal tief durchatmen....Bild: picture-alliance/dpa

Vermieter: Dem Autor ist bekannt, dass die Nachbarwohnung seit einigen Wochen kernsaniert wird. Ist er im Büro, bekommt er davon nichts mit. Aber im Homeoffice ist es doch schwer, sich zu konzentrieren, wenn beim Nachbarn Fliesen abgestemmt und Kanäle für Elektroleitungen in die Wände gefräst werden.

Familie versus Einsamkeit: Wahl zwischen Pest und Cholera?

Als ich kürzlich einen Kollegen in Sorge um eine Corona-Ansteckung fragte, ob seine Heiserkeit etwas mit dem Virus zu tun haben könnte, antwortete er, dass er heiser sei, weil er zu Hause wegen seiner drei kleinen Kinder so viel herumschreien musste. Tja, wer zu Hause ist, wenn seine Familie zu Hause ist, merkt, dass ein Tag im Homeoffice auch lang werden kann. "Wenn Du eh zu Hause bist, kannst Du ja auch mal auf die Kinder aufpassen. Ich geh einkaufen". Und dass der Wellensittich über den Tag verteilt so oft "Niki lieb" sagt, ist vorher auch keinem aufgefallen. Alles sehr nervig.

Wer keine Familie und keine Haustiere hat, hat genau das gegenteilige Problem: Er droht zu vereinsamen. „Im Homeoffice haben Menschen mehr Zeit zum Grübeln und weniger Bewegung", sagt Professorin Ruth Stock-Homburg dem Evangelischen Pressedienst. Die Betriebswirtschaftlerin und Psychologin arbeitet gerade an einer Studie zu mentaler Fitness in der Krise. Vorläufiges Ergebnis: mehr "Bore-Outs". "Bore-Out bedeutet, dass bei Büroarbeitern Langeweile, abnehmende Lernmöglichkeiten und eine Sinnkrise im Job zusammenkommen", so Stock-Homburg. Die Folge könnten Depressionen und Angst sein. Zudem würden das Herz-Kreislauf- und das Immunsystem geschwächt.

Tausche Homeoffice gegen Hotelzimmer

Dass das Arbeiten zu Hause nicht unbedingt die höchste Erfüllung im Arbeitsleben sein kann, lässt sich auch daran erkennen, dass immer mehr Hotels jetzt ihre Zimmer als Ausweichbüros zur Verfügung stellen. Das Hotel Vier Jahreszeiten Starnberg wirbt beispielsweise für sein "Office Paket" bei Interessenten, "denen in den eigenen vier Wänden die nötige Ruhe und der Platz fehlt".. Für 50 Euro pro Tag bekommt man dort ein Arbeitszimmer mit kostenlos nutzbarer Kaffeemaschine. Nur Übernachten darf man dort nicht. Dann muss man wieder zur Familie.

Aktuell wird diskutiert, ob die Corona-Krise nicht der große Durchbruch fürs Homeoffice sein könnte. Mag sein. Es kann aber auch sein, dass viele merken, dass acht Stunden am Tag außerhalb der eignen vier Wände wie eine Art Urlaub sein können. Urlaub von zu Hause.

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