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Politik

Der Kampf gegen "Homo-Heilung"

Mara Bierbach
4. März 2019

Homosexualität ist keine Krankheit – das ist keine Meinung, sondern medizinischer Konsens. Trotzdem gibt es christlich-konservative Gruppen, die Schwule und Lesben "heilen" wollen. Das könnte bald verboten werden.

Brandenburger Tor Berlin Gay-Pride Parade
Bild: picture-alliance/NurPhoto/E. Contini

"Sie wollen bestimmt den Kollegen Hawrylak sprechen. Ich geb sie mal weiter, der sitzt neben mir." Wenn Journalisten im Berliner Büro des SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Junge anrufen, dann wollen sie oft nicht Junge selbst sprechen, sondern einen seiner studentischen Mitarbeiter. Lucas Hawrylak - 26, Masterstudent, Wahlberliner - ist der derzeit vielleicht gefragteste queere Aktivist Deutschlands. Der Grund: Eine Petition, die Hawrylak vor einem Dreivierteljahr gestartet hat. Sie hat bis jetzt über 80.700 Stimmen gesammelt.

Die Forderung: Die Bundesregierung soll Konversionstherapien verbieten, die Schwule und Lesben von ihrer Homosexualität abbringen sollen. Solche Therapien werden zum Teil von Ärzten und Psychotherapeuten angeboten, aber auch von Pfarrern und anderen Seelsorgern. Die Therapien reichen von Gesprächen über homöopathische Behandlungen bis hin zu Techniken der Psychotherapie und Konditionierung.

Im Oktober 2018 übergaben Lucas Hawrylak (Mitte) und Jackie-Oh Weinhaus (links) und Amy Strong dem Justizministerium Unterschriften für ein Verbot von "Homo-Heilung"Bild: Marisa Sann

Ärzte, die Dämonen austreiben

Bekannt sind diese Praktiken vor allem aus christlich-konservativen Gemeinden in den USA. Dort haben sich laut Schätzungen fast 700.000 Menschen solchen Therapie unterzogen - über die Hälfte davon Kinder und Jugendliche. Aber auch in Deutschland gibt es solche "Homo-Heilungen". Vor allem aus evangelikalen Kreisen gibt es immer wieder Berichte, dass homosexuellen Menschen - vor allem Jugendlichen - geraten wird, sich ihre sexuelle Orientierung austreiben zu lassen. So berichtete Bastian Melcher, der als Teenager in einer streng freikirchlichen Familie versuchte, sich von seinem Schwulsein heilen zu lassen, der DW davon, wie ein Arzt versuchte, ihm durch Handauflegen"Dämonen auszutreiben".

Aber auch unter katholischen Ärzten finden sich schwarze Schafe, die Schwule und Lesben "heilen" wollen. Auf Nachfrage der DW erklärte die Deutsche Bischofskonferenz, man stehe Konversionstherapien "äußerst skeptisch gegenüber".

"Homosexualität bedarf keiner Heilung"

Auch wenn die Akzeptanz von Homosexualität in Deutschland in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, sehen sich queere Menschen weiterhin Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt. So ergab eine Studie der Bundes-Antidiskriminierungsstelle 2017, dass noch 18,3 Prozent der Deutschen Homosexualität als "unnatürlich" sehen und 9,7 Prozent als "unmoralisch".

Dabei ist klar: "Homosexualität ist keine Erkrankung und bedarf keiner Heilung" - das sind nicht etwa die Worte von queeren Aktivisten, sondern der Bundesärztekammer und des Weltärztebundes. Konversionstherapien stehen damit im Widerspruch zum wissenschaftlichen Konsens unter Ärzten und Therapeuten.

"Therapie" mit schlimmen Nebenwirkungen

Sie können ernsthafte psychische Schäden bei denjenigen hinterlassen, die sich auf eine solche Behandlung einlassen – vor allem bei betroffenen Kindern und Jugendlichen.

"Schwule und lesbische Jugendliche brauchen Unterstützung und nicht eine Therapie um nicht andersartig zu sein", bestätigt Uwe Wetter, der seit 30 Jahren als Psychotherapeut aktiv ist. Eine Therapie, die zum Ziel hat, die eigene Sexualität zu ändern, könne "zu Persönlichkeits- und Identitätsstörungen führen, zu Depressionen, zu Selbstverletzungen," so der ehemalige Vizepräsident des Verbandes deutscher Psychologen und Psychotherapeuten. Deshalb fordern queere Aktivisten schon lange ein Verbot.

Auch wenn Umfragen zeigen, dass die meisten Deutschen Homosexualität akzeptieren, sehen sich viele Schwule und Lesben noch Diskriminierung ausgesetztBild: picture-alliance/Demotix/F. Lavoz

Kinder und Jugendliche schützen

Was genau das bedeuten würde, erklärt Lucas Hawrylak: "Wir wollen erstens ein klares Verbot von Konversionstherapien für Kinder und Jugendliche - für Minderjährige. Darüber hinaus sollten Konversionstherapien im Internet nirgendwo mehr beworben werden dürfen. Als drittes wäre ein Verbot bei Erwachsenen natürlich sehr, sehr wünschenswert."

Solche Forderungen sind nicht neu - doch bislang trafen sie auf kaum politisches Gehör. Im Juli 2018 erklärte die Bundesregierung, man plane kein Verbot von Konversionstherapien.

Breit angelegte Kampagne für ein Verbot

Das wollte Lucas Hawrylak nicht akzeptieren. Er startete nicht nur eine Petition, sondern eine groß angelegte Kampagne, um für ein Verbot der "Homo-Heilung" zu werben. Schnell schlossen sich ihm zahlreiche Gruppen an - darunter das Aktionsbündnis gegen Homophobie, Enough is Enough, All-Out und Travestie für Deutschland. Gemeinsam warben sie in den klassischen und sozialen Medien für ihr Anliegen.

Medienwirksam übergab Hawrylak dem Justizministerium die gesammelten Unterchriften; man organisierte einen Film- und Diskussionsabende, auf Social Media warb man unter #HomoBrauchtKeineHeilung für die Petition. 

Und die Aktivisten um Hawrylak betrieben hinter den Kulissen politische Lobbyarbeit, putzten Klinken bei Politikern und ihren Mitarbeitern, um für ihr Anliegen zu werben.

Mit sichtlichem Erfolg. Mittlerweile scheint die Frage nicht: Kommt ein Verbot? Sondern kommt es zuerst im Bundestag oder im Bundesrat?

Vor allem Kinder und Jugendliche sollen durch ein Verbot geschützt werdenBild: picture-alliance/H. Dittrich

Vorstöße von Ländern und Bundesregierung

In den Regierungskoalitionen aus Schleswig-Holstein, Bremen und Hessen gibt es Pläne, im Bundesrat ein Verbot von Konversionstherapien vorzuschlagen.  

Jens Spahn betonte vergangene Woche, er werde sich "eilig" darum kümmern, dass ein Verbot kommt. Der Bundesgesundheitsminister hatte in einem taz-Interview vor zwei Wochen angekündigt, er wolle sich mit seinen Ministerkollegen "bis zum Sommer auf einen Regelungsvorschlag geeinigt haben". Mit Widerstand aus konservativen religiösen Kreisen innerhalb der Union rechne er nicht, so Spahn: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in der Unionsfraktion im Bundestag einen Anhänger von Konversionstherapien gibt." Justizministerin Katharina Barley (SPD) unterstützt Spahn und will gemeinsam ein Gesetz auf den Weg bringen, "um Pseudotherapien zu verbieten".

"Ich halte nichts von diesen Therapien, schon wegen meines eigenen Schwulseins", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn der tazBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Keine einzige Partei ist bisher dagegen

Unterstützung für ein Verbot scheint es auch in allen Oppositionsfraktionen des Bundestages zu geben.

Die Grünen haben Mitte Februar selbst ein Gesetz für ein Verbot von "Homo-Heilungen" bei Minderjährigen im Parlament eingebracht; auch die Linke spricht sich schon länger für ein Verbot aus. Der queerpolitische Sprecher der FDP, Jens Brandenburg, fordert "ein europaweites Verbot der menschenverachtenden Umpolungstherapien". 

Selbst die AfD-Bundestagsfraktion - die sich unter anderem für die Aufhebung der gleichgeschlechtlichen Ehe einsetzt - lehnt Konversionstherapien ab. "Einem gesetzlichen Verbot von Konversionstherapien stehen wir offen gegenüber", so der gesundheitspolitische Sprecher der Rechtspopulisten, Axel Gehrke.

Sollte das Verbot kommen, könnte die Bundesrepublik damit in Europa zum Vorreiter werden. Nur in Malta gibt es bisher ein landesweites Verbot. Dort können selbsternannte Homo-Heiler mit bis zu 10.000 Euro Strafe oder einem Jahr Haft rechnen.

"Dann sind wir weiter laut" 

Und falls das angekündigte Verbot doch nicht kommt? Oder es im Bundestag oder Bundesrat überraschend Widerstand gibt?

"Dann sind wir weiter laut. Dann werden wir weiter aktiv sein. Wir haben inzwischen über 80.000 UnterstützerInnen auf der Plattform und das Thema wächst immer weiter. Auch wenn viele Deutsche von dem Thema bis jetzt noch nichts gehört haben, ich glaube, dass ein Großteil der Bevölkerung für ein Verbot ist," so Lucas Hawrylak.

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