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Homosexualität im Sport – (k)ein Thema?

15. April 2011

An schwule Politiker oder lesbische Schauspielerinnen hat sich die Gesellschaft gewöhnt. Im Sport sieht das noch anders aus. Allerdings mehren sich die Zeichen für mehr Toleranz und Offenheit - auch im Fußball.

Ein Transparent mit dem Wortlaut "Fußball ist alles... auch schwul!" wird beim Christopher Street Day in Sichtweite des Kölner Doms von Teilnehmern getragen. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance /dpa

Der spektakuläre Fall sorgte für Schlagzeilen: Ein Fußball-Profi wird umgebracht, Tatmotiv könnte seine angebliche Homosexualität sein. In Wirklichkeit hat es diesen Mord nie gegeben, sondern nur als Film in der Krimi-Serie "Tatort". Für Schauspielerin Maria Furtwängler, die als TV-Kommissarin Charlotte Lindholm heißt, war das Thema eine "Herzensangelegenheit", wie sie dem Boulevard-Blatt "Bild" offenbarte. Einen solchen Film zu drehen, sei nicht mutig. "Wirklich mutig wäre es, wenn sich ein Spieler outen würde", sagte Furtwängler.

Diesen Mut hat in der 1. Bundesliga bislang niemand gehabt. Offenbar ist die Angst zu groß, von den Mannschaftskameraden, von den Fans verspottet und angefeindet zu werden. Ein Outing könnte das Ende der Karriere bedeuten, wenn man dem Druck nicht standhält. Das befürchten auch die Abgeordneten des Sport-Ausschusses im Deutschen Bundestag, die sich gemeinsam mit Sachverständigen dem Thema 'Homosexualität im Sport' anzunähern versuchten. Die Ausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag sieht die ganze Gesellschaft in der Verantwortung, um das Tabu endgültig zu brechen. Alle Politiker, nicht nur die Sport-Politiker seien aufgefordert, für mehr Akzeptanz zu werben. "Und das muss letztlich auch bis in die Fan-Kurven der großen Vereine reinreichen", meint die Sozialdemokratin, die Sportwissenschaft studiert und als Lehrerin gearbeitet hat.

Schwul-lesbische Fan-Clubs

Schwule "Junxx" gibt es auch in StuttgartBild: picture-alliance/ dpa

Dort, in den Fan-Kurven, sind Schwule und Lesben längst angekommen. Meistens kann man die homosexuellen Fan-Clubs schon an ihren Namen erkennen: "Andersrum Rut-Wiess" in Köln oder "Hertha-Junxx" in Berlin. Auf Transparenten stehen Parolen wie "Fußball ist alles – auch schwul". Das Vereins-Emblem prangt auf der Regenbogen-Fahne, dem weltweiten Symbol für Toleranz und Vielfalt und eben auch der Homosexuellen.

Wäre die Fußball-Szene schon Anfang der 1990er Jahre so weit gewesen, hätte Jugend-Nationalspieler Marcus Urban vielleicht eine erfolgreiche Profi-Karriere gestartet. Doch der damals knapp 20-jährige Kicker von Rot-Weiß Erfurt befürchtete, an der Last zu zerbrechen, sein Schwulsein nicht offen ausleben zu können. "Als ich im Fußball-Internat war, habe ich mich komplett versteckt und kein Wort gesagt", erinnert sich Urban an die belastende Zeit. Inzwischen ist das Thema im Deutschen Bundestag angekommen, wo der schwule Ex-Fußballer als Sachverständiger eingeladen wurde. Das erste Outing eines Profis werde früher oder später kommen, glaubt Urban. "Ich mache mir da gar keine Sorgen, dass es nicht kommt."

DFB-Präsident Zwanziger setzt ein Zeichen

2008 gelang ihm der Befreiungsschlag. "Versteckspieler" heißt das Buch, in dem der Sportjournalist Ronny Blaschke die Geschichte des schwulen Ex-Fußballers schildert. Ein Meilenstein auch aus Sicht der Kultur-Wissenschaftlerin Tatjana Eggeling, die seit langem zu Homosexualität im Sport forscht und noch vor einigen Jahren schwulen Fußballern von einem Outing eher abgeraten hätte. Inzwischen hält sie die Zeit für reif. Auch deshalb, weil der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Initiativen von Homosexuellen öffentlich und mit Nachdruck unterstützt. Daran könne man sehen, dass sich die Stimmung im Deutschen Fußball zugunsten eines entspannteren Umgangs mit Homosexualität geändert habe, sagt Eggeling.

"Versteckspieler" Marcus Urban und Autor Ronny BlaschkeBild: DW/Sola Hülsewig

Schwieriger als für Frauen bleibt ein Outing für Männer im Sport aber weiterhin. Während Fußball-Nationaltorhüterin Nadine Angerer sich problemlos zu ihrer Bisexualität bekennen kann, spielen bei ihren männlichen Kollegen die klassischen Wahrnehmungsmuster weiterhin die entscheidende Rolle. Fußball ist dann ein Synonym für körperbetonte Männlichkeit. Dass diese Körperlichkeit ebenso brutal wie zärtlich sein kann, ist in jedem Spiel zu beobachten. Dem fiesen Foul folgt der ausgelassene Tor-Jubel, bei dem sich Männer auch mal küssen.

Deutschland gilt international als Vorbild

Marcus Urban hat dieses Spannungsfeld jahrelang erlebt. Dadurch sei eine andere Brisanz im Spiel, was die Sexualität angehe, meint Urban. Mit seiner Vermutung, das erste Outing eines deutschen Fußball-Profis sei nur noch eine Frage der Zeit, könnte er recht haben. Inzwischen sind schwul-lesbische Vereine Normalität. Sie heißen "Vorspiel" oder "Seitensprung". Von solchen Entwicklungen ist man in anderen Ländern Europas noch weit entfernt, bedauert die Kultur-Wissenschaftlerin Tatjana Eggeling. In Rumänien, Bulgarien oder Ungarn sei es sehr viel schwieriger, offen als Schwuler oder Lesbe Sport zu treiben.

Dass Deutschland beim Thema Homosexualität auch ohne einen bekennenden schwulen Fußball-Profi vergleichsweise weit ist, meint auch der Generalsekretär den Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper. Fortschritte in anderen Ländern müssten aber von ihnen selbst ausgehen. Es sei gut, wenn der deutsche Umgang mit diesem Thema auch international Wirkung zeige. "Aber wir verstehen uns nicht als Lehrmeister."

Seine Vorbild-Funktion für den gesamten homosexuellen Sport demonstrierte Deutschland 2010, als die alle vier Jahre veranstalteten "Gay Games" der Lesben und Schwulen mit rund 12 000 Aktiven in Köln stattfanden. Das Motto der Veranstaltung war "Be part of it!", auf gut deutsch: "Gehöre dazu!"


Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Sarah Faupel