Noch vor den Gefängnistoren richtete der gerade freigelassene Demokratie-Aktivist eine Botschaft an die Regierungschefin des Landes. Auch die Demonstranten in Hongkong lassen nicht locker.
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In Hongkong ist der bekannte inhaftierte Demokratie-Aktivist Joshua Wong freigelassen worden. Der Anführer der "Regenschirm"-Bewegung des Jahres 2014 verließ das Gefängnis Lai Chi Kok, wo er eine zweimonatige Haftstrafe absaß. Unmittelbar nach seiner Freilassung forderte der 22-Jährige einen Rücktritt der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam, die durch die Proteste gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz unter Druck geraten ist.
Wong saß seit Mitte Mai eine zweimonatige Haftstrafe ab, weil er vor fünf Jahren die Auflösung eines Protestlagers behindert haben soll. Er war deswegen zunächst im Januar 2018 zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt worden, von der er jedoch zunächst nur sechs Tage verbüßte. Anschließend wurde er gegen Kaution bis zu einem Entscheid über seinen Einspruch freigelassen. Mitte Mai setzte ein Berufungsgericht die Haftstrafe dann auf zwei Monate herab. Wong wurde daraufhin erneut inhaftiert.
Demokratie-Aktivist Wong fordert Rücktritt von Regierungschefin Lam
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Wong war eines der prominentesten Gesichter der "Regenschirm"-Bewegung, die 2014 für politische Reformen in Hongkong kämpfte. Bei den Protesten hatten zeitweise zehntausende Menschen mehr Demokratie und freie Wahlen gefordert.
Rückenwind für die aktuellen Demokratie-Proteste
Die Haftentlassung Wongs erfolgte unabhängig von den Massenprotesten der vergangenen Tage. Obwohl Regierungschefin Carrie Lam das Gesetz für Auslieferungen an China am Samstag auf Eis gelegt hatte, waren am Sonntag mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen. Sie fordern, dass das Gesetz vollständig gekippt wird.
Vereinzelte Protestaktionen dauerten am Montag noch an. So blockierten Dutzende Demonstranten eine mehrspurige Hauptverkehrsstraße nahe des Regierungssitzes, indem sie auf dem Boden saßen oder lagen. Die Polizei, die die Straßen am Morgen freiräumen wollte, hielt sich - wie schon in der Nacht - zurück.
Schwere politische Krise
Obwohl sich Regierungschefin Lam am Sonntag bei den Hongkongern für ihr Vorgehen entschuldigt hatte, ist die Verärgerung unter den sieben Millionen Einwohnern der asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole noch immer groß. Der Streit um das Auslieferungsgesetz hat Hongkong in die größte politische Krise seit langem gestürzt. Es hätte Hongkongs Behörden erlaubt, von China verdächtigte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und diene als Werkzeug der politischen Verfolgung. Auch drohten Folter und Misshandlungen. Lam wiederum argumentiert, Hongkong dürfe kein sicherer Hafen für Kriminelle sein. Das Gesetz sei notwendig, um "Schlupflöcher" zu schließen.
Hongkong: Die Proteste in Bildern
Tränengas und Gummigeschosse am Perlflussdelta: Die Abstimmung über das umstrittene Auslieferungsgesetz wurde verschoben, die Proteste in Hongkong gehen trotzdem weiter. Eine Chronik der Eskalation in Bildern.
Bild: Getty Images/AFP/A. Wallace
Mit Schirmen gegen Politik und Regen
Die Regenschirme, die viele in die Höhe hielten, waren bereits 2014 das Symbol der Demokratiebewegung. Vor fünf Jahren sollten sie vor Sonne und Tränengas schützen, diesmal erfüllten sie auch ihren ursprünglichen Zweck - Hongkong ist im subtropischen Sommer ergiebigen Regenfällen ausgesetzt.
Bild: Getty Images/AFP/A. Wallace
Die Gegner der Frau Lam
Adressatin der Proteste ist Carrie Lam, die Regierungschefin der Hongkonger Sonderverwaltungszone. Lam fährt einen China-freundlichen Kurs, genau wie die Mehrheit der Abgeordneten im Legislativrat. Sie stehen für die fortschreitende Verschmelzung Hongkongs mit dem restlichen China. Die Demonstranten sind damit nicht einverstanden.
Bild: DW/V. Wong
Gegen den Strom
Jimmy Sham ist einer der Organisatoren der aktuellen Proteste. Zur Kundgebung am Sonntag waren nach Angaben seines Komitees eine Million Menschen gekommen - es wäre die größte politische Veranstaltung seit der Übergabezeremonie 1997. Sham befürchtet, Hongkong werde durch das geplante Auslieferungsgesetz "nutzlos", weil politisch Andersdenkende nicht mehr geschützt werden könnten.
Bild: Reuters/T. Peter
Gerüstete Staatsgewalt
In schwerer Montur war die Hongkonger Polizei aufgezogen. Zehntausende Demonstranten waren auf der Straße und legten immer wieder Hauptverkehrsachsen im Zentrum der Millionenstadt lahm. Am Mittwoch versuchten sie, das Gebäude des Legislativrats zu stürmen, der für das umstrittene Gesetz verantwortlich ist.
Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Yu
Widerstand unter Tränen
Als Demonstranten sich am Mittwoch einen Zugang durch die Barrikaden bahnten und versuchten, den Legislativrat zu stürmen, reagierten Einsatzkräfte einmal mehr mit Tränengas. Einige Protestierende schützten sich mit eng anliegenden Brillen und feuchten Tüchern.
Bild: Getty Images/AFP/D. de la Rey
Nein zu Auslieferungen
Die Proteste hatten sich an einem geplanten Gesetz entzündet, das die Auslieferung Hongkonger Bürger nach China ermöglichen sollte, ohne deren Rechte ausreichend zu schützen. Inzwischen hat die von pro-chinesischen Parteien dominierte Regierung das Gesetz auf die lange Bank geschoben, die Demonstranten fordern jedoch, die Pläne kategorisch fallen zu lassen.
Bild: picture-alliance/AP PHoto/V. Yu
Schirme gegen China
Die Proteste haben noch eine zweite, tiefere Ebene: Die Demonstranten stellen sich gegen den voranschreitenden Anschluss der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong an die Volksrepublik China - und den damit verbundenen Rückbau der Demokratie. Eigentlich war ihnen unter dem Schlagwort "Ein Land, zwei Systeme" Autonomie bis 2047 zugesagt worden.
Bild: Reuters/T. Peter
Leere Versprechung?
Auch beim Besuch von Chinas Präsident Xi Jinping zum 20. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs demonstrierten Tausende für den Erhalt der Demokratie in Hongkong. Unter Xi wird die von seinem Vor-Vorgänger Deng Xiaoping ausgerufene Losung "Ein Land, zwei Systeme" zunehmend ausgehöhlt. Als Indiz für die Veränderung wurde etwa das Verschwinden von fünf regimekritischen Buchhändlern 2015 gewertet.
Bild: picture-alliance/AP/dpa/K. Cheung
Insel der Meinungsfreiheit
Hongkong ist ein Sonderfall - das war vor einer Woche eindrücklich zu sehen, als Tausende Menschen der Opfer des Tiananmen-Massakers gedachten. In China wird dieses blutige Kapitel der Geschichte in der Öffentlichkeit totgeschwiegen. Am 4. Juni 1989 hatte Chinas Militär eine Demokratiebewegung auf dem Pekinger Tiananmen-Platz blutig niedergeschlagen und laut Schätzungen 1000 Menschen getötet.
Bild: picture-alliance/AP Photo/K. Cheung
Mit Schirm, Charme und Symbolen
Im Herbst 2014 erreichte die sogenannte Regenschirm-Revolution ihren Höhepunkt, bevor die Polizei die friedlichen Proteste auflöste. 87 Tränengaskanister wurden auf die unbewaffnete Menge abgefeuert. Dieses Foto ist einen Monat darauf am selben Ort entstanden, als die Demokratiebewegung für 87 Sekunden ihre Schirme erneut aufspannte.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Hofford
Gesicht des Protests
Der damals 18 Jahre alte Student Joshua Wong war einer der Anführer der Demokratiebewegung von 2014. Als Vorbild nennt er die Teilnehmer der Tiananmen-Proteste von 1989 - anders als sie riskierte Wong jedoch 25 Jahre später nicht sein Leben. Seit den Protesten von 2014 musste er Festnahmen, Verhöre und eine sechsmonatige Haftstrafe über sich ergehen lassen.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Favre
1997: Hongkong wechselt den Besitzer
In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1997 lief der Vertrag aus, mit dem das kaiserliche China 1898 die Hafenstadt Hongkong an Großbritannien verpachtet hatte. Schon vorher, seit 1843, hatte die Wirtschaftsmetropole unter britischer Herrschaft gestanden.
Bild: Getty Images/AFP/K. Mayama
Abschied von der Kronkolonie
Als Vertreter des Königshauses übergab Prinz Charles zusammen mit dem erst seit kurzem amtierenden Premierminister Tony Blair das 1100 Quadratkilometer große Gebiet in einer offiziellen Zeremonie an den damaligen chinesischen Präsidenten Jiang Zemin.
Bild: Getty Images/AFP/D. Martinez
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Die Proteste sollen nach dem Willen der Organisatoren andauern, bis das Gesetz zurückgezogen wird. Die Gewerkschaft der Sozialarbeiter hat für Montag zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe an China 1997 nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium autonom regiert. Anders als die Menschen in der Volksrepublik genießen die Hongkonger nach dem Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungsregion das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.
Die Demonstranten - unter ihnen Juristen, Wirtschaftsvertreter, Journalisten und viele Studenten - werfen der Führung der chinesischen Sonderverwaltungszone vor, die Freiheitsrechte immer weiter einzuschränken. US-Außenminister Mike Pompeo kündigte derweil an, Präsident Donald Trump werde die Proteste in Hongkong Ende dieses Monats bei einem Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels in Japan ansprechen.