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Politik

Hongkong will Unabhängigkeitspartei verbieten

Phoebe Kong
19. Juli 2018

Eintreten für Unabhängigkeit Hongkongs ist zwar irreal, aber auch illegal? Ist es eine Gefahr für die Öffentlichkeit? Jedenfalls soll die Hongkong National Party, welche die Unabhängigkeit fordert, verboten werden.

Hong Kong - Pro- Unabhängigkeitsprotest
Bild: picture-alliance/AP Photo/K. Cheung

Andy Chan Ho-tin ist ein ruhiger Mensch. Der 27-Jährige spricht leise und strukturiert. Chan ist Gründungsvorsitzender der Hongkong National Party. Er war einer von mehreren Kandidaten, die bei den Wahlen zum Hongkonger Parlament (Legco) im September 2016 nicht zugelassen wurden. Begründung: Er habe das damals für alle Kandidaten neu eingeführte Formular mit dem Bekenntnis zum Hongkonger Grundgesetz (Basic Law), welches unter anderem die unauflösliche Zugehörigkeit Hongkongs zum Festland beinhaltet, nicht "im Geiste der Aufrichtigkeit" unterzeichnet.

Die 2016 gegründete Hongkong National Party mit rund 50 Mitgliedern fordert Hongkongs Unabhängigkeit und nimmt damit eine Extremposition innerhalb der Demokratiebewegung ein. Letztere setzt sich für eine Garantie der Freiheiten Hongkongs auch über die 50-jährige Übergangsfrist nach der Rückgabe von 1997 hinaus ein.

Parteivorsitzender ChanBild: Reuters/B. Yip

Dicken Umschlag überreicht

Am Dienstagvormittag hätten ohne Vorankündigung zwei Polizisten von seiner Tür gestanden, berichtet Chan der Deutschen Welle. Sie hätten sich als Beamte des Amts für öffentliche Sicherheit ausgewiesen und ihm einen dicken Umschlag ausgehändigt. "Sie haben lediglich auf den Inhalt des Umschlags hingewiesen. Ich müsse den Aufforderungen Folge leisten", sagt Chan. Der Inhalt war Chan zufolge ein zweiseitiger Brief mit Anhängen, in englischer und chinesischer Sprache, der Absender das Amt für öffentliche Sicherheit. Der Anhang aus mehreren hundert Seiten bestand aus der Transkription von Chans Veröffentlichungen im Internet sowie praktisch aller seiner Interviews, Ansprachen und Statements. Ebenso war eine Liste aller Veranstaltungen im In- und Ausland dabei, an denen Chan teilgenommen hatte.

Das Fazit des Briefs: Das Sicherheitsamt beabsichtige, auf Grundlage der "Verordnung über Vereine und Gesellschaften" (Societies Ordinance) aus der britischen Kolonialzeit, die National Party zu verbieten. Chan habe das Recht, in dieser Angelegenheit angehört zu werden, und habe 21 Tage, Stellung zu beziehen. Dann würde das Sicherheitsamt eine Entscheidung treffen. 

Auszug aus dem Brief vom Amt für SicherheitBild: Hong Kong National Party

Gesetz aus der Kolonialzeit zitiert

Der Chef des Amtes, John Lee Ka-chiu, erläuterte den Fall vor der Presse. Der 61-Jährige ist der erste Sicherheitschef Hongkongs, der kein Politiker ist und eine Karriere als Polizist gemacht hat. "Die Polizeibehörde hat mir empfohlen, Paragraf 8 der Societies Ordinance anzuwenden und alle Aktivitäten der Hongkong National Party zu verbieten", teilte Lee mit. In Hongkong herrsche zwar die Vereinigungsfreiheit, aber diese Freiheit finde dort ihre Schranken, wenn das Interesse der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung gefährdet würde. "Ich werde die Empfehlung der Polizei überprüfen", sagt Behördenchef Lee.

Lee bestätigte, dass es sich um das erste Verbotsverfahren einer Partei nach 1997 handele. Auf die Frage, ob in seine Entscheidung politische Erwägungen einfließen würden, sagte er nur, er wolle zunächst die Stellungnahme von Chan abwarten und dann darüber befinden.

Chan: Mehr Zuspruch aus anderen demokratischen ParteienBild: picture-alliance/AP Photo/K.Cheung

Die Hongkonger Verordnung über Vereine und Gesellschaften aus dem Jahre 1949, die auch Verbote vorsieht, war ursprünglich gegen die Aktivitäten der Hongkonger Mafia (Triaden) gerichtet. "Acht Paragrafen sind explizit gegen die Triaden gerichtet", sagt der Jurist Alan Leong Kah-kit, Mitglied des Hongkonger Parlaments und Ex-Präsident der Hongkonger Anwaltskammer. 

Die letzte Novelle der Societies Ordinance wurde im Jahr der Übergabe an China 1997 vom Hongkonger Übergangsparlament vorgenommen. Demnach darf Hongkongs Regierung solche Vereinigungen und politische Organisationen verbieten, die die gesellschaftliche Ordnung gefährden und Kontakte zum Ausland und zu Taiwan unterhalten. Anfang Juli war Andy Chan in Taiwan auf einem Symposium zur Menschenrechtssituation in Hongkong.

"Ich ändere meine Position nicht"

Andy Chan gibt sich kämpferisch: "Ich werde meine politische Position nicht verändern", sagt Chan, der eine katholische Schule besuchte, später Ingenieurwissenschaften an einer Hongkong Universität studierte und im schwedischen Uppsala und Shanghai Austauschstudent war. "Ich glaube nicht, dass die Polizeibehörde von sich aus die Empfehlung ausgesprochen hat", sagte Chan gegenüber der DW. Die National Party habe bisher immer einen klare Position vertreten und inzwischen mehr Zuspruch aus anderen demokratischen Parteien gefunden.

Abgeordneter Alan LeongBild: Getty Images/AFP/I. Lawrence

Anwalt Alan Leong distanziert sich zwar inhaltlich von der National Party, sieht aber das Vorgehen gegen die Partei kritisch. "Das wäre das erste Mal, dass eine Vereinigung aufgrund freier Meinungsäußerung bestraft würde". Chan habe nur seine Meinungen öffentlich bekundet und keine Aktion initiiert. Dies sei legal. "Wie kann er mit bloßen Meinungsäußerungen die Staatssicherheit gefährden und die gesellschaftliche Ordnung stören? Die Logik der Verwaltung erschließt sich mir nicht." So könne die Kommunistische Partei jede unbeliebte Organisation schließen lassen, sagt Leong weiter. Chan lässt unterdessen prüfen, welche juristischen Schritte er gegen das angedrohte Verbot seiner Partei unternehmen kann.

Ein Sprecher des britischen Außenministeriums erklärte, London nehme das geplante Verbot der Hongkong National Party "mit Besorgnis" zur Kenntnis. "Das Vereinigte Königreich unterstützt nicht die Forderung nach Unabhängigkeit für Hongkong." Jedoch seien Hongkongs Autonomie, Rechte und Freiheiten ohne Einschränkung zu respektieren. Der Sprecher verwies zudem auf die Vereinigungsfreiheit, die in den wesentlichen Verfassungsdokumenten Hongkongs, darunter dem Basic Law, garantiert sei.

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