1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Hongkonger erinnern an Pekings Veto

Dang Yuan
30. August 2019

Hongkonger Aktivisten wollten mit einer neuen Demonstration an eine wegweisende Pekinger Entscheidung von vor fünf Jahren erinnern. Damals begann der Protest gegen die künftige Wahl des Regierungschefs.

Hong Kong, Proteste
(Archiv) Demonstranten beschmierten Schild vom chinesischen Verbindungsbüro in HongkongBild: picture-alliance/V. Yuen

Für diesen Samstag (31.08.) haben die Demokratieaktivisten in Hongkong zu einer Großkundgebung vor dem Verbindungsbüro der Zentralregierung in Hongkong aufgerufen. Die Veranstaltung wurde jedoch verboten, so dass mit neuen Konfrontationen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten zu rechnen ist. Denn trotz einer inzwischen erfolgten Absage der Demo wird mit Protesten gerechnet. Anlass der Aktion ist der fünfte Jahrestag der Entscheidung des Nationalen Volkskongress (NVK) in Peking über die künftige Art und Weise der Wahl des "Chief Executive", also des Regierungschefs von Hongkong.

Am 31. August 2014 hatte das chinesische Schein-Parlament, der Volkskongress, also de facto die KP-Führung, entschieden, dass der Hongkonger Chief Executive von 2017 an durch "allgemeine und gleiche Wahlen" bestimmt werden sollte. Allerdings mit einem entscheidenden Haken: Nicht jeder Hongkonger Bürger darf sich als Kandidat aufstellen lassen. Die pro-chinesische Auswahlkommission aus verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Gruppen mit 1200 Mitgliedern, die seit der Rückgabe Hongkongs an China den Chief Executive bestimmt hatte, sollte weiterhin die entscheidende Rolle bei der Aufstellung der Kandidaten spielen. Die Kommission muss mit mindestens der Hälfte der Mitglieder "zwei bis drei Kandidaten" auswählen, über die die Bevölkerung in Hongkong dann abzustimmen hätte.

Parlament in Hongkong beriet über das vor Peking vorgeschlagene Wahlverfahren am 18.06.2014Bild: Reuters/B. Yip

Protest gegen "Wahl" von handverlesenen Kandidaten

Die Opposition in Hongkong war empört. Praktisch lief die neue Regelung darauf hinaus, dass diejenigen, die Peking nicht unterstützen, nicht einmal eine Chance hätten, am Wahlkampf teilzunehmen.

Aktivisten um den Politikwissenschaftler Joseph Cheng, inzwischen emeritierten Professor an der City University of Hongkong, forderten, dass sich auch Kandidaten von den politischen Parteien, die bei den vorangegangenen Wahlen fünf Prozent der Wählerstimmen erhielten, oder durch eine Unterschriftenaktion mit Unterstützung von mindestens einem Prozent der Wahlberechtigten aufstellen lassen dürfen.

Abgeordnete forderten 2014 im Hongkonger Stadtparlament "echte" DirektwahlenBild: Reuters/B. Yip

Aufgebrachte Demonstranten stürmten nach Bekanntgabe des NVK-Beschlusses auf die Straßen. Studenten um den jungen Anführer Joshua Wong riefen zu Protestaktionen auf, die später als Regenschirm-Bewegung für Schlagzeilen sorgten. Treibende Kräfte waren die Studenten sowie die Bürgerrechtsbewegung "Occupy Central with Love and Peace", womit die friedliche Besetzung des Stadtzentrums gemeint war. 79 Tage lang wurde das öffentliche Leben lahmgelegt.

Carrie Lam: "Übergangslösung"

Carrie Lam, die derzeitige Amtsinhaberin als Chief Executive, stand 2014 an der Spitze des Verwaltungsapparats. Sie befürwortete den NVK-Beschluss. Dieser sei eine Übergangslösung auf dem Weg zu allgemeinen Wahlen, die Auswahlkommission sei außerdem repräsentativ, so Lam.   

Peking konnte die neue Regelung zur Wahl des Chief Executive allerdings nicht einfach dekretieren, sondern der Legislativrat oder Legco (Parlament) Hongkongs musste ihr mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Bei Ablehnung würde der bisherige alte Modus der Wahl des Chief Executive weitergelten.

2015 hatten die prochinesischen Abgeordneten 42 von insgesamt 70 Sitzen im Parlament, also weniger als zwei Drittel. Sie stellten auch den Parlamentsvorsitzenden. Am 17. Juni 2015 wurde der Gesetzesentwurf im Legco zur Abstimmung vorgelegt. Die Debatten dauerten nur neun Stunden. 41 Abgeordneten hatten dazu geredet. Am Folgetag fand die Abstimmung statt.

Verrenkungen des Hongkonger Parlaments

Kurz vor der Abstimmung verließ eine größere Zahl von prochinesischen Abgeordneten den Sitzungssaal. Offenbar wollten sie durch ihre Abwesenheit das Parlament beschlussunfähig machen, was der Fall ist, wenn weniger als die Hälfe der Abgeordneten anwesend ist. Doch nicht alle prochinesischen Abgeordneten gingen fort. Von den verbliebenen 37 Abgeordneten stimmten 28 gegen das neue Verfahren, acht dafür. Der Parlamentsvorsitzende nahm traditionell nicht an der Abstimmung teil. Damit war der Gesetzentwurf vom Tisch. Der Verwaltungschef wird also nach wie vor von der chinafreundlichen Kommission gewählt. Auch die Hälfte der 70 Sitze im Parlament wird durch allgemeine Wahlen besetzt, der Rest wie bisher durch gesellschaftlich relevante Gruppen.

Ergebnis der Abstimmung am 18.06.2015Bild: Reuters/B. Yip

Pekings Führung hatte im August 2014 offen dargelegt, warum sie eine solche restriktive Auslegung der "allgemeinen Wahl" des Hongkonger Regierungschefs für nötig hält: "Der Chief Executive … ist sowohl gegenüber der Sonderverwaltungsregion HK als auch gegenüber der Regierung der VR China rechenschaftspflichtig … Deshalb muss das Prinzip hochgehalten werden, dass das Amt des Chief Executive von einer Person ausgeübt werden muss, die das Vaterland und Hongkong liebt."

Mit anderen Worten: Allgemeine Wahlen dürfen keinesfalls dazu führen, dass jemand ohne feste innere Bindung an die Volksrepublik die Geschicke Hongkongs in die Hand nimmt.

Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen