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Politik

Hongkonger Gerichte unter Druck aus Peking

William Yang Taipeh
20. November 2019

Das Ende Oktober erlassene Vermummungsverbot wurde vom Hongkonger High Court gekippt. Laut Peking hat das Gericht damit seine Kompetenz überschritten. Wie gravierend ist die Einmischung vom Festland?

Hongkong High Court  Proteste
Bild: picture-alliance/Zuma/M. Candela

Die Botschaft aus Peking ist deutlich: Ob ein lokales Hongkonger Gesetz mit dem Hongkonger Grundgesetz im Einklang steht oder nicht, "darf nur der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses (NVK) entscheiden", meldete am Dienstag Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Der Volkskongress ist formell das höchste gesetzgebende Organ Chinas. Zwischen den jährlichen Vollversammlungen werden Aufgaben der Legislative vom Ständigen Ausschuss wahrgenommen. In China gibt es kein Verfassungsgericht. Ob Gesetze des Festlands und Hongkongs verfassungskonform oder nicht sind, legt der ständige Ausschuss in einer "Interpretation" aus.

Demonstranten ebenso wie die pekingtreue Hongkonger Regierung berufen sich auf koloniale Traditionen Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Yu

Umstrittene Geltung von Gesetzen aus der Kolonialzeit

Am Montag hatte der High Court in Hongkong (Artikelbild von Juni, als Demonstranten Teile des Gerichtsgebäudes besetzten - Red.) das Vermummungsverbot als verfassungswidrig und zu weitgehend verworfen, ein abschließendes Urteil steht aber noch aus. Regierungschefin Carrie Lam hatte Anfang Oktober unter Berufung auf eine fast hundert Jahre alte koloniale Notstandsverordnung ("Emergency Regulation Ordinance") das Verbot von Vermummungen erlassen. Laut dem High Court verstieß Lam damit gegen das Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungsregion (Basic Law). 24 Abgeordnete des Stadtparlaments (Legco) von den oppositionellen demokratischen Parteien hatte den High Court in einem Eilverfahren um die Überprüfung der Anwendung der alten Verordnung gebeten.

Proteste gegen das Vermummungsverbot Anfang Oktober Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/A. Talamantes

"Standardantwort aus Peking auf Hongkonger Urteile"

Bei der Reaktion des NVK handele sich "nur um eine politische Erklärung", sagt Margaret Ng Ngoi-yee, Rechtsanwältin und Abgeordnete im Stadtparlament von 1995 bis 2012, im DW-Interview. "Jedes Mal, wenn das Hongkonger Gericht das Grundgesetz verteidigt, liefert Peking eine solche Standardantwort." Im Grundgesetz für Hongkong werde klar dargelegt, dass allein Legco für die Gesetzgebung in Hongkong zuständig sei. Dieses Vorrecht werde durch den Rückgriff auf das koloniale Notstandsrecht verletzt. "Der High Court hat seine Begründung sehr detailliert dargelegt, und die Reaktion aus Peking enthält nach meiner Meinung keine stichhaltige Kritik an der Begründung des Hongkonger Gerichts", sagt die Anwältin gegenüber der DW. 

Bereits vor fünf Jahren protestierten Hongkonger Juristen gegen verstärkte Einmischung aus PekingBild: Reuters

"Unabhängigkeit der Hongkonger Gerichtsbarkeit in Gefahr"

Stuart Hargreaves, Juraprofessor an der Chinese University Hongkong, erläutert im DW-Interview die möglichen Auswirkungen der jüngsten Entscheidung des NVK in Bezug auf die Unabhängigkeit der Gerichte Hongkongs.  "Seit 1997 hat der NVK nur fünf Mal seine Befugnis zur Überprüfung von Hongkonger Gesetzen bzw. von deren Übereinstimmung mit dem Hongkonger Grundgesetz überprüft. Die Gerichte in Hongkong haben in derselben Zeit mehrfach über die Auslegung des Grundgesetzes geurteilt, ohne dass sich Peking eingemischt hätte."

Andernfalls wäre die Kompetenz der Hongkonger Gerichte zur Überprüfung der Gesetzgebung "im Kern berührt" und damit auch der Mechanismus, dank dessen die Gerichte die verfassungsmäßigen Garantien des Grundgesetzes aufrechterhalten.

Sollte die Erklärung des NVK darauf hindeuten, so der Jura-Professor, dass lokale Gerichte überhaupt keine Bestimmungen des Hongkonger Grundgesetzes mehr interpretieren dürfen, wäre das offensichtlich eine große Einschränkung der Unabhängigkeit der Judikative Hongkongs.

Turbulente Auseinandersetzung im Hongkonger Parlament (Legco)Bild: picture-alliance/V. Yuen

"Reaktion Pekings aus Ärger über Hongkonger Gerichte"?

Hargreaves hält es aber auch für möglich, dass die Pekinger Führung "nur  ihrem Ärger über die Hongkonger Gerichte Luft machen und sie daran erinnern wollte, dass der NVK das letzte Wort bei Interpretationen über die Verfassungsmäßigkeit hat." In diesem Fall wären die Auswirkungen der jüngsten Stellungnahme des NVK bzw. seines ständigen Ausschusses nicht so schwerwiegend.

Die bislang letzte Auslegung des Hongkonger Grundgesetzes durch den NVK im Jahr 2016 hatte starken Protest hervorgerufen. Damals wurden zwei gewählte Parlamentsabgeordnete des pro-demokratischen Lagers disqualifiziert, vier weitere im Jahr 2017 nach einem Gerichtsverfahren, da sie beim Amtseid der Volksrepublik China nicht die Treue schwören wollten.

Die Polizei in Hongkong hat die Anwendung des Vermummungsverbots ausgesetzt. Regierungschefin Carrie Lam wollte die gerichtliche Entscheidung nicht kommentieren. Die Anhörung am High Court wird am Mittwoch fortgesetzt. Ob das Gesetz ungültig ist, will das Gericht im Anschluss an die Anhörungen entscheiden. Nach Angaben der Polizei wurden drei Tatverdächtige wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot festgenommen, gegen einen wurde Anklage erhoben.

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