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Politik

"Wahlergebnis wird Peking nicht beeindrucken"

Ci Zhang Taipeh
25. November 2019

Bei Lokalwahlen in Hongkong haben pro-demokratische Kandidaten in 17 von 18 Distrikträten die Mehrheit gewonnen. Trotz des klaren Votums glaubt der Hongkonger Politologe Joseph Cheng nicht an ein Einlenken Pekings.

Hong Kong | Regionalwahlen
Bild: Reuters/A. Perawongmetha

Deutsche Welle: Die pro-demokratischen Kandidaten haben deutlich gewonnen. Welche Bedeutung hat dieses Ergebnis?

Joseph Cheng: Die Wahl war deswegen von Bedeutung, weil alle Hongkonger Einwohner im Wahlalter eine Stimme hatten, mit der sie ihre Forderungen artikulieren konnten. Das Wahlergebnis ist eine klare Botschaft an die Welt und an die Führung in Peking, dass wir auf unseren Forderungen bestehen und auf Antwort warten. Hartes Durchgreifen und Unterdrücken werden nicht akzeptiert.  Die Leute reihten sich schon am Morgen um halb acht in die Schlangen ein, um ihre Stimme abzugeben. Ich musste auch lange warten. Das war für mich sehr emotional.

Politologe Joseph ChengBild: Privat

Die Distrikträte haben allerdings keinen wirklichen Einfluss darauf, wie Hongkong regiert wird.

Es stimmt, die Distrikträte sind Mitbestimmungsorgane an der Basis, mit geringer Macht und wenig Budget ausgestattet. Dennoch konnten die Wähler am Sonntag ihre Meinung sagen. Die Menschen in Hongkong sind sehr enttäuscht von der Hongkonger Regierung mit Carrie Lam an der Spitze, und genauso von der chinesischen Zentralregierung in Peking. Also nehmen sie jede Chance wahr, um ihrem Frust Ausdruck zu geben. 

Carrie Lam sagte nach der Veröffentlichung der Ergebnisse, sie werde den Menschen mehr zuhören. Ist das ernst gemeint?

Ich glaube nicht. Ihre Äußerung ist nicht ehrlich. Sie könnte ganz einfach ihren guten Willen zeigen, indem sie der Gründung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses über Polizeigewalt zustimmte. 80 Prozent der Leute wollen einen solchen Ausschuss. Lam sperrt sich aber. Von einer Rückkehr zur Normalität in Hongkong kann keine Rede sein, solange politische Forderungen ignoriert werden.

Verwaltungschefin Carrie Lam bei der Abgabe ihrer StimmeBild: picture-alliance/dpa/Kyodo

Wie geht es weiter mit den Demonstrationen?

Die Wähler haben schon klar gesagt, dass sie den Chief Executive (Regierungschef, Anmerk. d. Red.) in direkter und allgemeiner Wahl bestimmen wollen. Nur ein Regierungschef, der direkt gewählt wurde, kann den Bürgern richtig zuhören und ihre mehrheitlichen Interessen schützen. Die amtierende Chefin ist hingegen gegenüber Peking treu. Das wird in Hongkong nicht gutgeheißen. Wir fordern Reformen. Falls die Machthaber weiter nicht auf unsere Forderung eingehen, werden die Hongkonger weiter friedlich für deren Erfüllung demonstrieren.

Wird sich die Zentralregierung in Peking davon beeindrucken lassen?

Das ist eher unwahrscheinlich. Die Pekinger Zentralregierung kennt natürlich unsere Forderungen, ist aber nicht kompromissbereit. Sie will den Demonstranten in Hongkong eine Lehre erteilen. Trotz der Massenbewegung will sie nicht nachgeben, um Nachahmer auf dem Festland zu vermeiden. Dieses Argument kennen wir in Hongkong aber auch.

Lange Warteschlangen vor Wahllokalen in HongkongBild: picture-alliance/AP Photo/Kin Cheung

Die Distrikträte entsenden auch eine bestimmte Anzahl von Vertretern in die Wahlkommission, die den Chief Executive bestimmt. Hat das jetzige Wahlergebnis Auswirkungen auf die künftige Arbeit der Wahlkommission?

Wohl kaum. Die chinafreundliche Fraktion wird weiterhin die Mehrheit in der Wahlkommission behalten. Durch ihren Wahlsieg bei den Distriktwahlen kann die pro-demokratische Fraktion voraussichtlich alle 117 Sitze besetzen, die den Distrikträten in der aus 1200 Mitgliedern bestehenden Wahlkommission zustehen. Aber die Kandidaten für den Posten des Chief Executive werden weiterhin von Peking aufgestellt, begleitet von einer massiven politischen Werbekampagne. An dem derzeitigen Wahlsystem, dessen Zweck es ist, dass Peking seine Vertrauensperson auf den Spitzenposten in Hongkong befördert, ändert sich durch den Wahlsieg der demokratischen Kräfte zunächst nichts. 

Joseph Yu-shek Cheng ist emeritierter Politikprofessor an der City University of Hongkong. Er war von 1992 bis 2015 Koordinator des Forschungsprojekts Contemporary China.

Das Interview führte Zhang Ci.

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