Horst Köhler: Staatsakt für Ex-Bundespräsident
18. Februar 2025
Horst Köhler war nie ein Mann, der mit Verve das Licht der Öffentlichkeit suchte. Und doch bestimmte er im Frühling des Jahres 2010 über Wochen die Schlagzeilen in ganz Deutschland. Köhler, damals Bundespräsident, hatte ein Interview gegeben, in dem er sich zur Rolle der Bundeswehr geäußert hatte.
An die Deutschen gewandt, formulierte der damals 67-Jährige, dass "ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege".
Empörung im politischen Berlin
Diese Aussage, so sollte sich schnell herausstellen, war ein Fehler. Den umstrittenen Afghanistan-Einsatz mit der Sicherung von Handelswegen begründen zu wollen, sorgte über alle Parteigrenzen hinweg für Kritik: "Missverständlich", "keine besonders glückliche Formulierung", "präsidialer Fehltritt", "extreme Positionen" und "brandgefährlich" waren nur einige der Äußerungen im politischen Berlin.
Köhler, tief getroffen vom Ausmaß der Reaktionen, räumte seinen Posten. Die Kritik entbehre jeder Rechtfertigung und lasse "den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen". Weder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch seine überaus hohen Beliebtheitswerte in der Bevölkerung konnten ihn von seinem Rücktritt abhalten.
Steile Karriere des Finanzfachmannes
Das öffentliche Bild Horst Köhlers in Deutschland wurde bis zum Schluss durch diese missverständlichen Äußerungen und den darauf folgenden Rücktritt mitgeprägt. Doch seine Lebensleistung bestand aus weit mehr. Als siebtes von acht Kindern 1943 im von Deutschland besetzten polnischen Skierbieszow geboren, wuchs Horst Köhler in Sachsen und Baden-Württemberg auf und machte nach einem Studium der Volks- und Wirtschaftswissenschaften in Tübingen und dem Eintritt in die CDU zu Beginn der 1980er Jahre schnell Karriere.
Als hoher Beamter im Finanzministerium war er in die Verhandlungen über die deutsche Vereinigung und über den EU-Vertrag von Maastricht eingebunden. Später wurde er Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und im Jahr 2000, auf Vorschlag des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.
"Horst … wer?" - Amtszeit als Bundespräsident
Trotz verantwortungsvoller Positionen blieb Köhler für die breite Öffentlichkeit ein weitgehend Unbekannter. Und so titelte eine große deutsche Boulevardzeitung zum Amtsantritt von Horst Köhler als Bundespräsident im Sommer 2004: "Horst … wer?". Trotz dieser schwierigen Startbedingungen gelang es Köhler, zu einem der beliebtesten deutschen Politiker aufzusteigen. Während seiner sechs Amtsjahre äußerten sich fast durchgehend mehr als 70 Prozent der Deutschen "sehr zufrieden" mit der Arbeit ihres Präsidenten.
Das lag auch an der Bewältigung der globalen Finanzkrise, die damals auch Deutschland mit voller Wucht zu treffen drohte. Als ehemaliger Banker kannte Köhler sich aus und machte aus seiner Verachtung für die Habgier in der Branche keinen Hehl. Im Mai 2008 bezeichnete er die Finanzmärkte als "Monster", das "in die Schranken gewiesen werden" müsse. Köhler prangerte Ungerechtigkeiten nicht nur im Bezug auf Finanzjongleure, sondern auch beim Blick auf Afrika an - den Kontinent, den er an der Ignoranz und Gewissenlosigkeit der "Ersten Welt" zugrunde gehen sah.
Ein Herz für Afrika
Nach seiner Amtszeit als Bundespräsident, bis kurz vor seinem Tod, blieb Köhler vor allem außenpolitisch aktiv. Von seinen Nachfolgern im Amt des Bundespräsidenten ist Köhler regelmäßig gebeten worden, Deutschland vor allem in Afrika international zu repräsentieren.
Sein Interesse am afrikanischen Kontinent, sozialen Projekten, nachhaltigem Wirtschaften und einer menschlichen Globalisierung mit verlässlichen Regeln war nicht nur altruistisch, sondern durchaus realpolitisch begründet. Dies stellte er beispielsweise bei seiner Rede im Frühjahr 2018 in Hamburg in den Mittelpunkt: "Der Jugend Afrikas Perspektiven zu geben, das ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Hier wächst eine Macht heran, mit der zu rechnen ist, im Guten wie im Schlechten."
Im Jahr 2012 berief ihn der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in ein Gremium zur Entwicklung globaler Entwicklungsziele. Dessen Nachfolger Antonio Guterres ernannte Köhler im August 2017 zum UN-Sondergesandten für die Westsahara. Köhlers Aufgabe war es, den Streit über die Zukunft des von Marokko besetzten Gebietes zu lösen. Ende Mai 2019 legte Köhler das Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder. Beide Konfliktparteien - die Regierung in Rabat und die Polisario-Front - nahmen den Schritt mit Bedauern zur Kenntnis und äußerten sich dankbar über Köhlers Anstrengungen.
Buchstäblich bis zum letzten Atemzug engagierte sich Köhler für eine neue, gleichberechtigte Partnerschaft mit Afrika. Seine letzte Rede war zur Eröffnung eines hochrangig besetzten Symposiums zu 140 Jahren Berliner Konferenz vorgesehen. Er konnte sie noch schreiben, aber nicht mehr selbst halten. Togos Außenminister Robert Dussey, reagierte entsprechend bestürzt nach Köhlers Tod: "Seine Rede war die stärkste, die wir auf dem ganzen Symposium gehört haben", sagte Dussey der DW.
"Man hatte den Eindruck, es sei eher die Rede eines afrikanischen Staatsoberhauptes! Er verteidigte die Souveränität Afrikas, er verteidigte den Respekt und die Würde der Afrikaner und er verteidigte die Stimme Afrikas, die auf globaler Ebene gehört werden muss. Professor Köhler war einer der wenigen Staatsmänner in der Welt und insbesondere in Europa, der sich so sehr für den afrikanischen Kontinent, für die afrikanische Jugend engagiert hat. Sein Tod ist ein großer Verlust für die europäischen Staatschefs, die Afrika freundschaftlich verbunden sind. Mit seiner Rede hat er ein intellektuelles Testament hinterlassen."
Zu aktuellen innenpolitischen Fragen äußerte sich Köhler nach seinem Rücktritt 2010 so gut wie nicht mehr. Dass ihm der Klimaschutz ein wichtiges Anliegen war, zeigte er 2021, als er die Schirmherrschaft für den ersten bundesweiten Bürgerrat für Klimapolitik übernahm. Eine Stiftung, die Köhler und seine Frau ins Leben riefen, fördert die Forschung zu Seltenen Erkrankungen. Die seit 1969 verheirateten Köhlers hatten zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Die 1973 geborene Tochter Ulrike erblindete als Teenagerin wegen einer Verformung der Augen-Netzhaut. Zu Zeiten des Bundespräsidenten Horst Köhler gab es Gelegenheiten, die Eltern in Berlin mit der Tochter zu erleben. So bei einem Sommerfest im Garten von Bellevue ein paar Jahre nach Amtsantritt.
Da tanzte zu später Stunde - so wirkte es - nicht der Bundespräsident, sondern einfach der Vater mit der gut 30-jährigen Tochter, lange, innig. Es zeigte einfach die Normalität einer Familie.
Horst Köhler, der abwechselnd in Berlin und im bayerischen Chiemgau wohnte, hinterlässt neben seiner Frau Eva Luise, die beiden Kinder und mehrere Enkelkinder.