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Politik

"Der wollte nicht..."

Barbara Wesel
16. September 2019

Das Treffen zwischen Boris "Hulk" Johnson und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker endete ohne Ergebnis. Während der Premier vom "Umriss" eines Deals sprach, beklagten die Gastgeber das Fehlen konkreter Vorschläge.

Karikatur Brexit Boris Hulk Johnson

Die spitzeste Bemerkung machte Luxemburgs Premier Xavier Bettel am Rande, nachdem er am Ende seiner Solo-Pressekonferenz den Amtssitz verließ: "Der wollte nicht…", warf er den versammelten Journalisten zu. Wobei offen blieb, ob er damit Johnsons Weigerung meinte, vor der Presse zu sprechen oder die viel wichtigere Ablehnung, sich konkret zu den Problemen eines neuen Brexit-Deals zu äußern. Er sehe "den Umriss einer Vereinbarung", hatte Johnson zuvor in einem Exklusivinterview fern von der wartenden Pressemeute erklärt. Das Problem scheint nur, dass ihn in der EU sonst niemand sehen kann.

Nett, dass man sich getroffen hat

Das Mittagessen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und britischen Premierminister Boris Johnson dauerte zwar zwei Stunden, blieb aber ohne jedes greifbare Ergebnis. In einer Erklärung beklagte die EU-Seite, dass der britische Premier keine konkreten Vorschläge mitgebracht habe, wie eine neue Lösung für den irischen Backstop aussehen könne - das Haupthindernis im Austrittsabkommen.

Kurz vor dem Mittagessen: Der britische Premierminister Johnson mit EU-Kommissionspräsident JunckerBild: picture-alliance/AP Photo/F. Seco

Brexit-Unterhändler Michel Barnier, der sich mit seinem britischen Gegenüber im gleichen Luxemburger Altstadtrestaurant wie die Chefs getroffen hatte - in einem anderen Séparée wohlgemerkt - nannte das Treffen hinterher "fruchtbar". Das heißt in Diplomatensprache "es ist nichts rausgekommen". Dennoch bleibt die EU standhaft bei ihrer Linie, dass sie solange weiter verhandeln werde, wie die Briten es wollen. Es scheint jetzt vor allem darum zu gehen, den schwarzen Peter für ein Scheitern abzuwenden.

Boris Johnson hatte am Wochenende noch von "großen Fortschritten" bei der Suche nach einem neuen Deal gesprochen. Nicht dass ihn die Partner in Luxemburg beim Wort hätten nehmen wollen, aber dass er so ganz ohne ein Stück Papier, eine Skizze oder einen Umriss für eine Lösung angereist war, schien dann doch für Frustration zu sorgen.

Der unglaubliche Hulk auf der Flucht

Eine kleine aber lautstarke Gruppe überwiegend britischer Brexit-Gegner begleitete den Premier bei seinem Luxemburg-Besuch. Sie schrien "Buh" und "Stop Brexit" - ganz wie man es seit langem aus London kennt. Zwischendurch wurde auch schon mal die Europahymne angestimmt, aber bedrohlich war der Trupp von höchstens hundert Protestierern eher nicht.

Dennoch waren sie wohl nervtötend genug, um Boris Johnson in die Flucht zu schlagen. Er, der sich noch am Wochenende mit der super-starken Comicfigur "der unglaubliche Hulk" verglichen hatte, sagte die gemeinsame Pressekonferenz mit dem luxemburgischen Regierungschef Xavier Bettel kurzerhand ab. "Es sei ihm zu laut, man hätte die Pressekonferenz im Amtsitz abhalten sollen", verbreitete die britische Seite hinterher. "Es war zu kurzfristig, wir haben drin nicht genug Platz", erklärten dagegen die Luxemburger.

Allein auf weiter Flur - Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel bei der Pressekonferenz ohne Boris JohnsonBild: picture-alliance/AP/O. Matthys

Jedenfalls stand am Ende Bettel allein an seinem Pult, wies auf den leeren Platz neben sich und sagte alles, was ihm in punkto Brexit seit langem auf der Seele brannte. Wenn Großbritannien unglücklich sei mit der bisherigen Form des Austritts-abkommens, das im November letzten Jahres von der damaligen Regierungschefin Theresa May abgezeichnet wurde, dann brauche man jetzt "mehr als Worte, nämlich einen rechtlich verbindlichen Text".

Bettel: "Ich habe diesen Brexit nicht gewollt, ich bedauere ihn zutiefst"

Die Briten seien immer enge Verbündete in Europa gewesen, aber London dürfe nicht die Zukunft zur Geisel nehmen für "parteipolitischen Vorteil". "Johnson muss eine Entscheidung treffen", und die Zeit läuft. Bettel redete sich immer mehr in Rage: Man habe immer noch kein Papier auf dem Tisch, "hört auf zu reden, handelt"!

Die Solidarität der 27 in der EU mit Irland aber sei weiter stark. Auf jeden Fall lehnt Bettel es ab, die Schuld an einem Scheitern der Gespräche mit den Briten und an einem harten Brexit zugeschoben zu bekommen. "Ich habe diesen Brexit nicht gewollt, ich bedauere ihn zutiefst", er sei ein hausgemachtes britisches Problem. Er habe mit Johnson auch über ein zweites Referendum geredet, so der luxemburgische Regierungschef, aber das lehne dieser ab. Selbst wenn man sich aber in den nächsten Wochen auf EU-Ebene noch einigen könne, sei nicht einmal klar, ob der britische Premier im Parlament für ein Abkommen eine Mehrheit habe.

Ob er das Treffen nur für Theater halte, für eine Show, wurde Bettel gefragt. "Hier geht es um Schuldzuweisungen" antwortete der Luxemburger. "Es waren die Tories, die entschieden haben, dieses Referendum abzuhalten", niemand außer ihnen sei für die Folgen verantwortlich. Das Problem liege einzig in London, und "Ich bin nicht verantwortlich für das Durcheinander, das wir derzeit erleben", schoss er noch hinterher.

Was nun?

Nach diesem eher verblüffenden Auftritt in Luxemburg bleibt die Frage weiter offen, was Boris Johnsons Absicht beim Brexit ist. Will er tatsächlich Kompromisse machen für eine Lösung des Backstop-Problems, dann müsste er damit ziemlich schnell aus der Deckung kommen. Denn allein damit, dass er dort die Regeln für Landwirtschaft und Lebensmittel weiter anerkennen würde, ist es nicht getan. Die Einzelheiten dazu sind kompliziert und die EU will weit mehr, um die Sicherheit ihres Binnenmarktes zu garantieren. Ist Johnson überhaupt willens und politisch imstande, solche Zugeständnisse zu machen? Das Rätselraten über seine wahren Absichten geht auch nach diesem Treffen weiter.