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Terrorismus

Sicherheit in Städten

13. September 2017

Barcelona, London, Berlin - Für europäische Städte relativ neu, ist Terror in Afrika oder Asien schon lange Alltag. Wie macht man Städte sicherer? In Stockholm sucht man Antworten.

Schweden Stockholm LKW fährt in Menschenmenge
Bild: picture-alliance/AP Photo/TT News Agency/A. Wiklund

Diebstähle, Verkehrsunfälle, Schießereien: Auch die schwedische Hauptstadt Stockholm erlebt Kriminalität und Gewalt. Erst vor kurzem erklärte der Stockholmer Polizeipräsident, die schwedische Polizei habe Probleme mit der Bandenkriminalität in mehreren Stadtteilen.

Bis vor wenigen Monaten fühlten sich die meisten Stockholmer sicher in ihrer Stadt. Das gilt landesweit: Schweden fühlen sich sicherer als Menschen anderswo in Europa, etwa in Belgien oder in Spanien, so die Ergebnisse einer Studie der OECD. 

Terroranschläge erfordern neues Denken über Sicherheit

Doch trotz der gefühlten Sicherheit wurde die schwedische Hauptstadt im Frühjahr 2017 Ziel eines terroristischen Anschlags. Ein gestohlener Lastwagen fuhr am Nachmittag des 7. April gezielt in eine belebte Fußgängerzone. Fünf Menschen starben. Mit der gleichen Waffe und einem gestohlenen Laster hatte wenige Monate zuvor ein Terrorist 11 Besucher eines Weihnachtsmarkts in Berlin getötet. Und im Sommer dieses Jahres starben 15 Passanten auf dem Las Ramblas Boulevard in Barcelona bei einem weiteren Anschlag mit einem Fahrzeug.

Die zunehmenden Anschläge sind einer der Gründe, warum in dieser Woche (13.-15.9.2017) Experten aus aller Welt das Thema 'Sicherheit in Städten' auf der Stockholmer Sicherheitskonferenz diskutieren. Dan Smith ist der Direktor des Stockholmer Instituts für Friedensforschung (SIPRI):

 "In den letzten Jahren haben wir erlebt, dass Städte auf unterschiedliche Art immer mehr zur Zielscheibe für Terror werden", erklärt Smith im DW-Interview. "Wir haben gesehen, was in Mossul und Bagdad im Irak geschehen ist, und was in syrischen Städten passiert. Und wir erleben terroristische Anschläge in Europa, der Türkei und vielen Teilen von Afrika und Südasien." 

Städte werden immer mehr zur Zielscheibe für Terror, so SIPRI-Direktor Dan SmithBild: DW/T. Meheretu

Laut dem jüngsten UN-Bericht zur Urbanisierung leben inzwischen mehr Menschen weltweit in Städten als in ländlichen Regionen. 2050 werden voraussichtlich zwei Drittel der Weltbevölkerung in urbanen Zentren wohnen. 

Für Dan Smith ist es höchste Zeit, dass Sicherheitsexperten sich jetzt mit Städten beschäftigen. "Die Sicherheit und das Leben in Städten wurden bisher vor allem als Thema für andere Politikbereiche wahrgenommen, etwa beim Lebensstandard oder der urbanen Architektur," erklärt Smith. "Ich glaube dieses Thema ist ganz klar ein wichtiger Teil des Bereichs Sicherheitsforschung und Sicherheitspolitik. Das ist in den letzten Jahren nicht genug beachtet worden." 

Zusammenhalt der Gemeinde als Schlüssel zur Terrorabwehr

Wenn es um praktische Fragen geht, wie man die Sicherheit in Städten gewährleisten kann, dann weiß Sir Bernard Hogan-Howe wovon er spricht. Fünf Jahre lang, bis Februar 2017, war er Polizeipräsident von London. Obwohl Hogan-Howe's Bilanz gemischt ausfällt, müssen auch seine Kritiker zugeben: Während seiner Amtszeit gab es keine terroristischen Anschläge in der britischen Hauptstadt.

Gefragt nach den Gründen, stellt Hogan-Howe zwei heraus: Zum einen die enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und anderen Sicherheitskräften. Zum anderen der Kontakt mit den lokalen Gemeinden.

"Viele Terroristen, die bei uns aufgewachsen sind, sehen sich nicht als Teil der Mehrheitsgesellschaft,” sagt Hogan-Howe. "Und wenn sich Teile der Gesellschaft, ausgeschlossen fühlen, wächst dort das Potential für Terroristen."

Die Konsequenzen seien einfach: Die Polizei müsse Vertrauen aufbauen, indem sie in den Gemeinden für Sicherheit sorgt. Nur unter dieser Voraussetzung haben Polizisten eine Chance zu verstehen, was vor sich geht und ob sich jemand radikalisiert.

Polizei in Großbritannien: Präsenz zeigen und Vertrauen aufbauen. Bild: Reuters/P. Hackett

Auch eine neue Studie des US-amerikanischen Thinktanks Brookings Institution kam zu dem Schluss, dass Polizeiarbeit in Stadtteilen und Kommunen eine Grundvoraussetzung dafür ist, urbane Sicherheit zu ermöglichen.

Polizeiarbeit vor Ort 

SIPRI-Direktor Dan Smith betont, dass hier der eigentliche Schlüssel dafür liegt, Terrorgefahren langfristig zu begegnen. 

"Wenn wir an langfristige Prävention denken, dann müssen wir die sozialen Umstände und die Bildung berücksichtigen. Und wir müssen darüber sprechen, wie Gemeinschaften in verschiedenen Ländern ihre eigene Identität, ihr Selbstwertgefühl definieren, ohne dass sie sich gedemütigt fühlen", so Smith. Viele Studien zeigen, dass das Thema Würde eine große Rolle spielt bei der Rekrutierung junger Menschen für extremistische Gruppen.

"Wenn Menschen das Gefühl haben, ihr Leben biete ihnen keine Würde, dann wenden sie sich jemandem zu, etwa einem charismatischen Prediger, der ihnen erzählt: Du kannst jemand sein, der würdig ist, wenn du dieser Bewegung beitrittst."

Smith mahnt deshalb, die Zerschlagung etwa einer Terrormiliz wie der Islamische Staat, die sich zu Anschlägen wie denen in Barcelona und Berlin bekannt hat, werde das Problem nicht lösen.   

Extremismus entsteht auch durch Ausgrenzung in der Gesellschaft, sagt SIPRI-Direktor Dan SmithBild: picture-alliance/dpa/B.Roessler

 "Der islamische Staat ist aus Al-Kaida entstanden und Al-Kaida ist aus dem entstanden, was davor war. Wenn wir uns nur darum kümmern, eine terroristische Gruppe zu besiegen, mag das als ein Erfolg erscheinen. Tatsächlich aber werden dieselben oder ähnliche Leute, andere Gruppen bilden, die uns dann später auch wieder angreifen.”

Niemand ist sicher - aber Europa ist noch immer sicherer

Im Vergleich zu europäischen Städten, sind Städte in Afrika und Asien weitaus stärker von Terroranschlägen betroffen. 25 Menschen wurden im Juli 2017 bei einem Selbstmordanschlag in Lahore, Pakistan getötet. In Istanbul, in der Türkei, starben bei einem Anschlag auf einen Nachtklub 29 Menschen. In Nigeria verübt die militante Gruppe Boko Haram seit Jahren blutige Angriffe sowohl auf Dörfer als auch in Städten wie Maiduguri.

"In europäischen Städten, in reicheren Ländern insgesamt, mit ausgebauter Infrastruktur, ist der Grad der Verletzlichkeit geringer", erklärt Dan Smith. "In vielen afrikanischen Städten dagegen, auch in der Türkei, Indien oder Pakistan, um nur einige Beispiele zu nennen, auch wenn es dort keinen offen geführter Krieg herrscht wie in Syrien oder dem Irak, ist dennoch die Verletzlichkeit viel höher."  

Smith und Hogan-Howe sind sich einig, dass es eine "sichere" Stadt in den heutigen Zeiten nicht gibt. Gleichzeitig betonen sie, andere Gefahren, jenseits des Terrorismus.

 "Es gibt viele andere Gefahrenquellen, vom Straßenverkehr bis zur Kriminalität. Wir müssen vorsichtig sein, die Gefahr, die von Terrorismus ausgeht, nicht zu überschätzen", so Bernard Hogan-Howe. "Ich besuche immer noch gerne jede Stadt, denn die Gefahr durch Terrorismus ist nicht so groß, als dass wir unser gesamtes Leben umstellen müssten.”

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