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Huawei und die Systemfrage

7. Februar 2019

Welche Rolle darf der chinesische Netzwerkausrüster Huawei beim Aufbau des deutschen 5G-Netzes spielen? Das ist eine Glaubens- und eine Systemfrage. Die Bundesregierung zögert noch mit einer Antwort.

Huawei
Bild: picture-alliance/dpa/M. Schiefelbein

Die digitale Infrastruktur ist für die moderne Wirtschaft lebenswichtig. Unternehmensstandorte kommunizieren über Datennetze, sensible Informationen lagern in Cloud-Diensten, Maschinen und ganze Industrieanlagen werden aus der Ferne gewartet.

Wenn in Zukunft alles - vom Auftragseingang über die Einrichtung der Maschinen, die Fertigung der Werkstücke bis zur Logistik und Abrechnung - miteinander vernetzt ist, wenn die Künstliche Intelligenz eine zentrale Rolle spielt, dann wird die Sicherheit dieser Daten noch wichtiger als ohnehin schon.

Ein Zugriff durch die Konkurrenz würde der Wettbewerbsfähigkeit schaden und Firmen in den Ruin treiben, die Möglichkeiten durch Sabotage ebenso. Kurz - von diesen Daten hängt der künftige Wohlstand ab.

Diese Gefahrenlage ist der Kern der aktuellen Debatte über Mobilfunkausrüster aus China, insbesondere den globalen Marktführer Huawei.

Argumente gegen Huawei

Die Gegner einer Beteiligung Huaweis am Aufbau der nächsten Generation mobiler Datennetze (5G) führen zwei Argumente an:

1. Huawei sei zu abhängig von der chinesischen Regierung. Die Politik könne die Firma zur Herausgabe von Daten verpflichten oder dem Unternehmen Handlungsanweisungen geben.

2. Huawei könne in die Software seiner Netzwerkkomponenten "Hintertüren" einbauen, die Spionen den Zugriff auf sensible Daten ermöglichen. Auch sei es möglich, in die Software einen Sabotageschalter ("Kill Switch") einzubauen, mit dem das deutsche Datennetz lahmgelegt werden könnte.

Sind die Vorwürfe berechtigt?

Huawei selbst weist beide Vorwürfe zurück. Unternehmensgründer Ren Zhengfei war zwar Ingenieur bei der chinesischen Armee, bevor er das Unternehmen 1987 gründete. Heute halte er aber nur einen Anteil von weniger als zwei Prozent am Unternehmen, die restlichen Anteile sind im Besitz von Mitarbeitern und einem Gewerkschaftskomittee. Wie groß der Einfluss des Staates wirklich ist, bleibt allerdings unklar.

Die Bundesregierung und andere westliche Länder verweisen zudem auf ein chinesisches Gesetz, das Unternehmen verpflichtet, mit den Geheimdiensten des Landes zusammenzuarbeiten. "Das Gesetz macht uns große Sorgen", so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums zur DW, "weil die Firma dadurch keine Kontrolle mehr über ihre Produkte hat".

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte während ihrer Japan-Reise am Dienstag, man müsse mit der chinesischen Regierung sprechen, dass "eben nicht die Firma einfach die Daten an den Staat abgibt".

Huawei betont, es sei durch chinesische Gesetze nicht verpflichtet, Hintertüren in seine Software einzubauen. Auch sei die Firma nie dazu aufgefordert worden. Um die Vorwürfe technisch zu entkräften, hat Huawei auch in Bonn ein Sicherheitslabor eingerichtet, in dem es Dritten Einblick in den geheimen Quellcode seiner Software gewährt. Zugang haben die drei großen Mobilfunkbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica (O2), aber auch Experten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Sie alle haben dort "verbesserte technische Möglichkeiten, Produkte des Herstellers eingehend unter Aspekten der IT- und Cybersicherheit zu prüfen", so ein BSI-Sprecher zur DW. Außerdem besorgt sich das Bundesamt in anderen Teilen der Welt Huawei-Bauteile, um sie zu überprüfen. Bisher konnten die Experten allerdings nichts Auffälliges finden. BSI-Präsident Arne Schönbohm sieht deshalb keinen Grund, Huawei vom 5G-Netzaufbau in Deutschland auszuschließen. "Für so gravierende Entscheidungen wie einen Bann braucht man Belege", so Schönbohm im Dezember 2018, diese lägen seiner Behörde aber nicht vor.

Die Enthüllungen Edward Snowdens machten 2013 deutlich, in welchem Ausmaß die USA das Internet zur Spionage nutzenBild: Reuters/B. McDermid

Wem kann man vertrauen?

Dass bisher nichts gefunden wurde, beruhigt die Warner nicht. Sie sagen, solche Funktionen könnten auch nachträglich per Update eingespielt werden. "Man kann Sicherheitssysteme einbauen, man kann das Risiko minimieren, aber das Risiko bleibt", sagte der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, der ARD.

Selbst die Möglichkeit, dass China während einer ernsten politischen Krise mit Deutschland mittels "Kill Switch" das gesamte Datennetz lahmlegt, will er nicht ausschließen. "Ein solches Szenario kann man sich durchaus vorstellen", so Schindler, der seit seinem Ausscheiden beim BND als Lobbyist bei der Berliner Sicherheitsberatung "Friedrich 30" arbeitet.

Durch die Veröffentlichungen des Whistleblowers Edward Snowden und den NSA-Skandal wurde bekannt, dass die Geheimdienste der USA sich mit Hintertüren in der Software privater Unternehmen Zugang zu sensiblen Daten verschaffen - also genau das tun, das China vorgeworfen wird. Die USA betonen, dass sie ihre Erkenntnisse nur politisch verwerten, nicht aber, um US-Firmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Das sei durch US-Gesetze verboten. Die Bewertung der Unterschiede ist abhängig von Glaubens- und Systemfragen. China ist kein westliches Land, keine Demokratie und kein militärischer Bündnispartner Deutschlands.

Auch gibt es Zweifel an der Unabhängigkeit der chinesischen Justiz. Die erhielten erst vor kurzem neue Nahrung, als China kanadische Staatsbürger verhaften ließ - offenbar als Reaktion auf die Verhaftung der Huawei-Finanzchefin in Kanada.

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist China allerdings auch ein wichtiger Absatzmarkt. Unklar ist, ob Einschränkungen für Huawei in Deutschland Nachteile für deutsche Firmen in China nach sich ziehen würden.

Sendemasten für den aktuellen LTE-Standard. Alle deutschen Netzbetreiber haben bisher Huawei-Technik eingesetztBild: picture-alliance/dpa

Was macht die Politik?

Die USA haben Huawei mit Verweis auf Sicherheitsbedenken vom Netzwerk-Markt ausgeschlossen. Auch in Kanada, Australien, Neuseeland, Norwegen und zuletzt Japan dürfen Huawei-Komponenten nicht oder nur sehr eingeschränkt beim Aufbau des 5G-Netzes verwendet werden. Weil die USA ihre Verbündeten drängen, ebenfalls auf Netzwerk-Komponenten von Huawei zu verzichten, steigt auch der Druck auf die deutsche Regierung. "5G muss sicher sein, das ist unsere oberste Priorität", so der Sprecher des Bundesinnenministeriums zur DW. "Die Bundesregierung prüft deshalb alle Maßnahmen, um das zu gewährleisten."

In der vergangenen Woche gab es zwei Treffen von Regierungs- und Behördenvertretern, an einem nahmen auch die Netzwerkbetreiber teil. Es gilt Medienberichten zufolge als wahrscheinlich, dass das BSI seine Auflagen für die Beschaffung von Netzwerkkomponenten verschärft, ohne aber Huawei komplett auszuschließen. Einen festen Termin, bis zu dem die Bundesregierung eine Entscheidung getroffen haben will, gibt es laut Innenministerium aber nicht. "Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen", so der Sprecher. Auch der Beginn der Auktion der 5G-Frequenzen Mitte März sei keine Frist. 

Und die Netzwerkbetreiber?

Für die deutschen Netzwerkbetreiber drängt die Zeit. Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica haben sich bisher auch auf Huawei-Technik verlassen und gegen einen Bann ausgesprochen. Telekom und Telefonica prüfen laut "Handelsblatt", Komponenten von Huawei zumindest aus ihren Kernnetzen - so heißt der sensibelste Bereich der Netzwerke - auszuschließen. Vodafone verwendet nach eigenen Angaben keine Technik von Huawei in seinem Kernnetz. 

Ein völliger Ausschluss Huaweis von der 5G-Infrastruktur gilt vielen aber als schwer vorstellbar. Dadurch würde die Verfügbarkeit des schnellen Netzes um mindestens zwei Jahre verzögert, zitierte die Nachrichtenagentur Bloomberg in der vergangenen Woche aus einem internen Papier der Deutschen Telekom. Völlig unklar ist auch, was das für die bestehenden Netze bedeuten würde, etwa den aktuellen Standard 4G/LTE. Ein Rückbau der bestehenden Infrastruktur wäre teuer und langwierig - und würde Ressourcen binden, die den neuen Standard 5G zusätzlich verzögern würden.

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
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