Humanitäre Helfer zwischen allen Fronten
9. Mai 2014"Wo bleibt Brüssel", rief der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Donnerstag (08.05. 2014) anlässlich der Debatte zur Syrienhilfe im Deutschen Bundestag. Der Politiker forderte im Bundestag ein stärkeres Engagement auf gesamteuropäischer Ebene: "Die EU muss mehr leisten."
Doch was können die Mitgliedsstaaten der EU für die Syrer leisten? Deutschland selbst hat ein erstes Kontingent von 5000 Flüchtlingen aufgenommen, bald sollen im Rahmen eines weiteren Kontingents noch einmal so viele kommen. Zusammen mit einem Programm zum Schutz von Angehörigen bereits in Deutschland ansässiger Syrer leben dann 36.000 Menschen in Deutschland, die vor der Gewalt im Bürgerkriegsland geflohen sind.
Allerdings warnen Hilfsorganisationen: Dies ist nur ein winziger Bruchteil all jener, die durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Fast zehn Millionen Syrer sind zu Flüchtlingen geworden: Knapp drei Millionen halten sich derzeit in den Nachbarländern auf, über sechs Millionen irren als Binnenflüchtlinge durchs eigene Land. Von diesen wiederum leben dreieinhalb Millionen in schwer zu erreichenden Gebieten.
Die Türkei als Ausgangsbasis
Vor allem ihnen gilt die Fürsorge der internationalen Hilfsorganisationen. Doch die Bedürftigen zu erreichen wird immer schwieriger. Die Regierung Assad will die gesamte humanitäre Hilfe über Damaskus laufen lassen. Doch von dort können längst nicht alle Flüchtlinge erreicht werden. Darum operiert eine ganze Reihe von Organisationen auch von den benachbarten Ländern aus. Dieses Vorgehen erkennt die Assad-Regierung nicht an und weigert sich daher, die Mitarbeiter dieser Organisationen unter ihren Schutz zu stellen.
Darum sind die Helfer selbst auf Helfer angewiesen. So hat das Hilfswerk des internationalen Malteserordnes, Malteser International, sein Hilfszentrum auf dem Staatsgebiet der Türkei, nahe der syrischen Grenze, errichtet. Von dort stoßen die Mitarbeiter in kleinen Truppen nach Syrien vor, um dort zu helfen. "In Syrien selbst gibt es keine direkten Kontakte zwischen Hilfsorganisationen und den einzelnen syrischen Kriegsparteien", erklärt Janine Lietmeyer, Nothilfe-Referentin bei Malteser International. Stattdessen nehme man die Unterstützung der türkischen Autoritäten in Anspruch. "Sie übernehmen eine gewisse Verantwortung über die Grenzgebiete." Erst dadurch würden die Arbeiten jenseits der Grenze überhaupt möglich, so Lietmeyer im Gespräch mit der DW.
Anders geht das Deutsche Rote Kreuz (DRK) vor: Es arbeitet vor Ort eng mit seiner Schwestergesellschaft zusammen, dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond (SARC). "Unsere Partnerorganisation SARC, mit seinen rund 11.000 Freiwilligen, die wir auch mit der Hilfe der Bundesregierung und der EU seit mittlerweile mehr als zwei Jahren unterstützen, ist eine der wenigen Organisationen, die humanitären Zugang zu den Unruhegebieten im ganzen Land hat. In manchen Gebieten ist der Syrische Rote Halbmond sogar die einzige Organisation, die erste Hilfe und Evakuierungen von Kranken und Verletzten leisten kann", sagt Rene Schulthoff, einer der für die Region zuständigen DRK-Mitarbeiter in Beirut.
Zwischen vielen Fronten
In den umkämpften Gebieten zu helfen ist eine besondere Herausforderung, so Schulthoff. Teilweise ist dort der Zugang zur eingeschlossenen Zivilbevölkerung nicht möglich. "Wir appellieren daher immer wieder an alle Konfliktparteien, ihrer rechtlichen und moralischen Verpflichtung nachzukommen und den humanitären Helfern vollständigen, sicheren und ungehinderten Zugang zur notleidenden Bevölkerung zu ermöglichen, sowie das Emblem und das Mandat der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung zu respektieren“, sagt Schulthoff.
Auf internationale Absprachen können auch die Mitarbeiter des Malteser-Hilfsdiensts nicht bauen. Eben das schränkt ihren Wirkungskreis ein - alles andere würde das Leben ihrer Mitarbeiter gefährden. "Wir haben strikte Vorgaben, was die Sicherheitsvoraussetzungen angeht, um Mitarbeiter zu entsenden", erklärt Lietmeyer. "Da spielt zwar auch die Frage, was juristisch möglich ist, eine Rolle. Aber der entscheidende Faktor ist einfach die Frage der Gefährdung."
Prinzip der Neutralität
Nicht nur, um anderen Menschen bestmöglich helfen zu können, sondern auch um ihres eigenen Schutzes willen setzen die Hilfsorganisationen auch in Syrien auf ihr vornehmstes Prinzip: die politische Neutralität. "Solange sich Organisationen an dieses Prinzip halten - sich nicht einzumischen in den Konflikt, Bedürftige nicht danach auszuwählen, zu welcher Partei sie gehören, sondern sich neutral zu verhalten - schützt sie das in gewisser Weise davor, als parteiisch wahrgenommen zu werden. Danach richten wir uns", sagt Janine Lietmeyer.
Ebenso sieht es auch Rene Schulthoff: "Die Hilfe des Roten Kreuzes geht an diejenigen in Syrien, die diese Hilfe brauchen. Wir richten uns da nicht nach irgendwelchen politischen Interessen. Sofern es möglich ist, verteilen wir unsere Hilfe im gesamten Land an diejenigen, die dieser Hilfe am meisten bedürfen."