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"Wir müssen erklären, was wir tun"

Walton, Lucia / ml18. Oktober 2014

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) breitet sich Ebola in Guinea, Sierra Leone und Liberia immer weiter aus. Helena Humphrey, Sprecherin des Roten Kreuzes in Westafrika, über den Kampf gegen das tödliche Virus.

Helfer im Kampf gegen Ebola (Foto: CELLOU BINANI/AFP/Getty Images)
Bild: Cellou Binani/AFP/Getty Images

DW: Wie wird der Einsatz zur Bekämpfung von Ebola in der Öffentlichkeit wahrgenommen und bewertet?

Helena Humphrey: Jeder hier weiß, warum wir gegen Ebola kämpfen. Wenn ich mit den Menschen in den verschiedenen Dörfern hier spreche und sie frage, warum sie sich im Kampf gegen Ebola engagieren, bekomme ich ganz unterschiedliche Antworten, die aber allesamt sehr schlüssig sind. Sie sagen mir unter anderem, "um mich selbst zu schützen, um meine Familie zu schützen und um Sie, die Menschen aus westlichen Ländern, zu schützen, damit Ebola sich nicht weiter ausbreitet." Außerdem will man sicherstellen, dass die Wirtschaft nicht noch mehr leidet, als es derzeit schon der Fall ist - zum Beispiel indem Flüge abgesagt und Reisebüros geschlossen werden. Denn das hat zur Folge, dass das Einkommen sinkt und viele Menschen ihre eine Mahlzeit am Tag nicht mehr erwirtschaften können. Jemand, der für die Bestattungen der Verstorbenen zuständig ist, sagte mir mal: "Diese Epidemie schafft Qualen, sie spaltet und sie tötet. Ich kann nicht mehr so auf die Straße gehen, wie ich es früher gemacht habe, ich kann meine Freunde nicht mehr treffen und sie so begrüßen, wie es in Afrika üblich ist."

Als Sprecherin für den Ebola-Einsatz der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften in Westafrika, wie beurteilen Sie den Umgang mit der Epidemie in Guinea?

Ich bewundere die Arbeit der Kollegen hier in Guinea. In der gesamten Region sind 4.000 Freiwillige ausgebildet worden, um sich im Kampf gegen Ebola zu engagieren. Sie kümmern sich um die sichere und würdevolle Bestattungen von Menschen, die dem Virus zum Opfer gefallen sind, die Desinfektion von Häusern, sie leisten soziale Unterstützung und die betreiben die Rückverfolgung und Überwachung der Kontakte von Ebola-Patienten. Sie gehen von Tür zu Tür, von Haus zu Haus und von Dorf zu Dorf, um sicherzustellen, dass die Leute verstehen, was Ebola ist und wie sie sich selbst und ihre Angehörigen schützen können. Hier in Guinea wurden über 97 Prozent der Bestattungen von Freiwilligen des Roten Kreuzes betreut.

Welche Sicherheitsvorkehrungen muss man vornehmen? Wie geht man in Westafrika mit der Ebola-Krise um?

Der Ebola-Ausbruch bestimmt hier wirklich alles. In der Hauptstadt Conakry kann man nirgendwo hingehen, ohne dass man seine Hände waschen muss und die Körpertemperatur gemessen wird. Diejenigen, die im direkten Kontakt mit Erkrankten stehen oder an Bestattungen beteiligt sind, tun nichts ohne ihre persönliche Schutzausrüstung.

Haben Sie ein Beispiel dafür, wie das kulturelle Leben der Guineer wegen der Ebola-Epidemie beeinträchtigt wird?

In den muslimischen Ländern in Westafrika wird das Islamische Opferfest unter dem Namen Tabaski gefeiert. Wenn wir uns angucken, wie sehr Ebola in die Traditionen und Kultur des Landes eingreift, ist Tabaski ein sehr gutes Beispiel. Das Fest wird am 4. Oktober in Guinea gefeiert. Es ist eine fantastische Zeit für alle, um zusammen zu kommen, gemeinsam zu kochen und zu essen. Auch in diesem Jahr haben alle, mit denen ich gesprochen habe, sich auf das Fest gefreut. Allerdings konnten sie sich nicht wie sonst die Hände schütteln oder umarmen. An den Plätzen hier in der Hauptstadt Conakry, wo man sich zum gemeinsamen Gebet traf, musste man sich zuerst die Hände waschen. Nach der Predigt wurde auf die üblichen Umarmungen verzichtet. Wir müssen den Menschen einfach beibringen, dass es wegen der Liebe zueinander und aus Respekt für einander notwendig ist, auf einige kulturellen Praktiken zu verzichten, solange wir gegen Ebola kämpfen.

Kulturelle Barrieren haben sich als ein großes Problem im Kampf gegen die Ausbreitung von Ebola erwiesen. Sind diese Barrieren in Guinea nun durchbrochen worden?

Ich glaube, hierbei geht es um den Kern der Arbeit des Roten Kreuzes. Wir arbeiten mit Menschen aus lokalen Gemeinschaften, die dann zurück in ihre Dörfer gehen und dort mit den religiösen Führern und den Ältesten sprechen. Die können dann den Familien erklären, warum wir tun, was wir tun. Im Wesentlichen geht es dabei darum, die Bestattungen zu organisieren. Die üblichen Zeremonien müssen zum Schutz der Bevölkerung ausfallen. Für Menschen mit starken religiösen oder kulturellen Überzeugungen ist das nur schwer zu verstehen. In vielen Gemeinden in Westafrika sind die Frauen eigentlich die für das Waschen und Ankleiden der Verstorbenen verantwortlich. Wenn man ihnen nun sagt, dass sie das nicht mehr tun dürfen, muss man ihnen das auch erklären. Dem Roten Kreuz ist es gelungen, 2,2 Millionen Menschen zu erreichen und ihnen die Gründe zu erläutern. Um es mit den Worten von Dr. Facely Diawara, dem Leiter der Gesundheitsfürsorge des Rote Kreuzes von Guinea zu sagen: "Es ist wichtig zu erklären, dass es vielleicht seltsam ist, wenn man die Leichen der Angehörigen während der Beerdigung nicht berühren darf – aber da man sich selbst und die Familie dadurch schützt, ist es ein Akt der Liebe."

Helena Humphrey ist für das Rote Kreuz in Guinea im Einsatz.Bild: Privat


Helena Humphrey ist Sprecherin für den Ebola-Einsatz der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften in Westafrika. Sie ist derzeit in Conakry, der Hauptstadt von Guinea.

Die Fragen stellte Lucia Walton.

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