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Hundenase gegen Maschine bei der Krebserkennung

22. Juni 2017

Hunde können Drogen, Geld und Sprengstoffe erschnüffeln. Jetzt feiern die Medien auch ihre Fähigkeit, bestimmte Tumore zu erkennen. Aber bei der Diagnostik sollte man sich nicht nur darauf verlassen.

Deutschland Klinikum Darmstadt | Hund, der Krebs erschnüffeln soll
Bild: Klinikum Darmstadt

Immer wieder gibt es Berichte, die wie ein Wunder klingen. So erzählte die Schauspielerin Shannon Doherty im Jahr 2016, dass ihr Hund einen Brustkrebs bei ihr erschnüffelt hatte, noch bevor ihr Arzt den Tumor diagnostizierte. 

Es häufen sich die Geschichten von Patienten, die beteuern, dass ihre Hunde sich in ähnlichen Situationen auffällig verhalten hätten. Sie stupsten mit ihrer Nase die Körperteile des Herrchens oder Frauchens an, wo später ein Krebsgeschwür gefunden wurde. 

Und es gibt in der Tat immer wieder Studien mit einigen freiwilligen Teilnehmern, in denen gezeigt werden kann, dass Hunde in der Tat fähig sind, Brustkrebs, Lungenkrebs oder Prostatakrebs zu riechen. Skeptiker aber warnen, dass diese Methode nicht zuverlässig genug sei, um ein Menschenleben davon abhängig zu machen. 

Die Suche nach dem Schuldigen 

Erstmals hatten Forscher im Jahr 1989 die Vermutung geäußert, dass eine Hundenase Krebszellen erkennen kann. Die Tiere sind offensichtlich in der Lage, sehr geringe Konzentrationen flüchtiger Verbindungen wahrzunehmen, die durch bösartige Tumore freigesetzt werden. Diese Geruchspartikel gelangen über den Atem, den Urin oder die Haut in die Umgebung. "Wir wissen nur nicht, was genau der Hund riecht", sagt Peter Boeker, ein Experte für Gasdetektion an der Universität Bonn. Sicher ist: Irgendetwas nehmen die Tiere wahr - aber was genau ist das? 
 

Hunde können alles mögliche erschnüffeln - warum nicht auch Krebszellen? Bild: picture-alliance/dpa/F. von Erichsen

Fast 30 Jahre ist es her, seit man weiß, dass Hunde in der Lage sind Krebs zu erschnüffeln. Aber noch immer haben die Forscher nur eine sehr vage Idee, welche Duftstoffe es im Einzelnen sind, auf die Hunde reagieren.  

Im Verdacht stehen Moleküle wie Nitrosothiol oder phosphorhaltige Verbindungen, die in Verbindung mit dem Tumorwachstum stehen. Es könnte aber auch sein, dass die Hunde auf eine Mischung von Molekülen reagieren.

Große Aufregung

Trotz aller Zweifel faszinieren die Fähigkeiten der Hundenase die Menschen: Wäre es nicht großartig, wenn etwas so liebenswertes wie ein Hund in Zukunft in Krankenhäusern und Arztpraxen die Krebsfrüherkennung durchführen könnte? 

Selbst Beschäftigte im Gesundheitswesen finden die Vorstellung attraktiv. So finanziert der britische Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) derzeit eine klinische Studie, um speziell ausgebildete Spürhunde bei der Untersuchung von Urinproben zu testen. Eine erste Studie in diesem Rahmen kam zu dem Ergebnis, dass die Trefferquote der Hunde bei etwa 93 Prozent lag. 

KDog, ein Projekt von Isabelle Fromantin an der Universität Pierre und Marie Curie (UPMC) in Paris, hat Hunde dazu ausgebildet, aus Stoffen, die Frauen eine Nacht um den Leib getragen haben, Brustkrebs zu erschnüffeln. 

Die Forscher hatten zwei Hunde sechs Monate lang mit Textilproben von 31 Brustkrebspatientinnen trainiert. Und es zeigte sich, dass die beiden deutschen Schäferhunde die Kleidung der Krebspatientinnen von der Kleidung gesunder Patientinnen unterscheiden konnten. Beim zweiten Versuchsdurchgang  hätten die Tiere eine Trefferquote von 100 Prozent erzielt. 

Heutzutage nutzen Ärzte für die Brustkrebsfrüherkennung Röntgentechnik. Dabei ist die ionisierende Strahlung der Röntgengeräte selbst krebserregend. Beim Einsatz von Krebsspürhunden bestünde diese Gefahr nicht. Zudem könnten sie eine preisgünstige Lösung für ärmere Länder sein, die sich keine hochwertige Ausrüstung leisten können.  

"Eine eher schwache Leistung" 

Andere Studien, die sich einem strengeren wissenschaftlichen Verfahren gestellt haben, brachten weniger optimistische Ergebnisse zu Tage. Forscher am Universitätsklinikum im österreichischen Krems hatten Spürhunde dazu ausgebildet, Lungenkrebs in Atemproben zu erschnüffeln. Sie sollten aus 122 Rauchern die 29 Patienten heraussuchen, die tatsächlich Lungenkrebs hatten. 

Hunde helfen Menschen auf vielfältige Weise - aber es sind keine Maschinen. Bild: Isna

Dabei zeigten die Hunde eine "eher schwache Leistung". Sie erkannten nur 84 Prozent der Krebskranken, diagnostizierten dafür aber 31 Prozent der Gesunden als krebskrank. "Die Ergebnisse unterscheiden sich von denen früherer Studien und deuten darauf hin, dass die Geruchserkennung mit Hunden in einer realen Vorsorgeuntersuchungs-Situation nicht so gut funktioniert, wie es nötig wäre," schrieben die Forscher im "Journal of Breath Research". 

Möglicherweise habe der Versuchsaufbau der Studie die Hunde verwirrt. Während ihnen nämlich in früheren Versuchen immer eine "positive" Probe unter fünf Proben vorgelegt wurde, war die Zusammenstellung der Proben plötzlich völlig zufällig gestaltet. 

Das zeigt: Hunde sind keine Maschinen. Sie reagieren unterschiedlich, bedingt durch die jeweilige Situation, und ihr Verhalten richtet sich auch nach der Tagesform. Davon  möchte man nicht sein Leben und seine Gesundheit abhängig machen. 

Biologie in Elektronik umwandeln 

Am Universitätsklinikum Darmstadt haben die Ärzte noch einen Grund, lieber auf Hunde zu verzichten. "Hunde zu trainieren ist extrem zeitaufwendig", sagt Carl Schimanski im Gespräch mit der Deutschen Welle. Seiner Meinung nach ist es praktisch unmöglich, genug Hunde auszubilden, um weltweit Krebsfrüherkennungen in Krankenhäusern durchzuführen.

Die Darmstädter Forscher setzen lieber auf einen Chip, der die typischen Moleküle aus Krebszellen detektieren kann. "Unser Ziel ist es, ein kleines Gerät - etwa so groß wie ein DINA4-Blatt zu entwickeln, das in jeder Arztpraxis stehen kann," sagt Schimanski. Der Patient würde in das Gerät hineinpusten und falls der Chip verdächtige Moleküle findet, schlägt er Alarm.  

Das größte Problem aber, vor dem auch Schimanski und seine Forscherkollegen weltweit stehen, ist wiederum die Frage: Welche Moleküle sind überhaupt charakteristisch für Krebspatienten?

Der Vergleich zwischen Hund und Maschine

In einer Versuchsreihe mit 600 Freiwilligen möchten Schimanski und sein Team nun diese Frage für Lungen- und für Darmkrebs lösen. Sie untersuchen dazu den Atem, Urin und Stuhl auf zweierlei Weise: Einerseits mit modernen chemischen Analysemethoden, andererseits mit Spürhunden. "Wir gleichen ab: Was finden wir mit unserer Technik? Was finden die Hunde?", sagt Schimanski. So hoffen sie, die Substanzen zu identifizieren, auf die die Hunde anschlagen. 

Dann sollen diese verdächtigen Moleküle künstlich im Labor hergestellt und den Hunden vorgesetzt werden. Wenn die Hunde dann darauf reagieren, wissen die Forscher, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Sicherlich wird es noch einige Zeit dauern, bis in jeder Hausarztpraxis ein kleines Krebsspürgerät stehen wird. 

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