Al-Faschir im Sudan hungert - welche Hilfe nötig ist
9. August 2025
Monatelang gab es Warnungen. Bereits im Dezember vergangenen Jahres meldete das internationale Hungerüberwachungssystem Integrated Food Security Phase Classification (IPC)eine Hungersnot in zwei Lagern nahe der Stadt Al-Faschir im Sudan, in denen Hunderttausende Vertriebene leben. Schon damals hieß es, der anhaltende Bürgerkrieg könne bis Mai auch die Stadt selbst in den Hunger treiben.
Die Warnung bewahrheitete sich. Al-Faschir, Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, steht seit über einem Jahr unter Belagerung. In dieser Woche warnten die Vereinten Nationen und mehrere ihrer Organisationen, dass rund 300.000 eingeschlossene Menschen vom Hungertod bedroht seien.
"Das Welternährungsprogramm hat seit über einem Jahr keine Nahrungsmittelhilfe mehr über die Straße nach Al-Faschir bringen können, da alle Zufahrtsstraßen blockiert sind", erklärte das UN-Hilfsprogramm in dieser Woche. "Die Stadt ist von humanitärem Zugang abgeschnitten, sodass der verbliebenen Bevölkerung kaum eine andere Wahl bleibt, als mit den wenigen Vorräten, die ihr noch bleiben, ums Überleben zu kämpfen."
Viele Bewohner greifen inzwischen zu Tierfutter oder Heu. Die wenigen verfügbaren Lebensmittel sind deutlich teurer als im Rest des Landes und für die meisten unbezahlbar.
"Was wir jetzt wirklich brauchen, ist, dass eine humanitäre Pause vereinbart wird, damit wir dringend benötigte Nahrungs- und Ernährungshilfe sicher in die Stadt bringen können", sagt Leni Kinzli, WFP-Sprecherin im Sudan, der DW.
Warum passiert das?
Der Bürgerkrieg im Sudan begann Anfang 2023, als zwei rivalisierende Militärgruppen - die Rapid Support Forces (RSF) und die sudanesischen Streitkräfte (SAF) - um die Macht kämpften.
Die SAF mit rund 200.000 Soldaten unter De-facto-Staatschef Abdel-Fattah Burhan operiert wie eine reguläre Armee. Burhans Regierung mit Sitz in Port Sudan am Roten Meer wird von den Vereinten Nationen anerkannt.
Die RSF unter Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, zählt 70.000 bis 100.000 Kämpfer, agiert wie eine Guerillatruppe und umfasst auch die berüchtigten Dschandschawid-Milizen, die Anfang der 2000er Jahre für Gräueltaten in Darfur berüchtigt waren.
Beide Seiten werden der Kriegsverbrechen beschuldigt
Al-Faschir ist die einzige größere Stadt in Darfur, die nicht von der RSF kontrolliert wird. Würde sie fallen, hätte die RSF fast ganz Westsudan unter Kontrolle.
Die mit der SAF verbündeten "Joint Forces" verhindern bislang den vollständigen Sieg der RSF. Deshalb belagert diese die Stadt seit April 2024, gräbt Schützengräben und greift regelmäßig an.
Im April dieses Jahres griff die RSF zwei Lager nahe Al-Faschir an, in denen über 500.000 Vertriebene lebten. Viele flohen daraufhin in die Stadt oder in nahegelegene Orte.
Mit dem Rückzug der Joint Forces hat sich die Belagerung zuletzt weiter verschärft, sagt Shayna Lewis, Sudan-Expertin der US-Organisation PAEMA (Preventing and Ending Mass Atrocities). "Die Rapid Support Forces belagern die Stadt mittlerweile seit über einem Jahr. Doch gerade in den vergangenen Monaten haben sie die Blockade verschärft. Nichts kommt rein und raus. Früher gab es Eselskarren, die Lebensmittel in die Stadt brachten, doch inzwischen kann kaum noch etwas hineingeschmuggelt werden."
Einheimische berichten, die RSF wolle die SAF-Verbündeten aushungern. Es gibt auch Hinweise, dass bewaffnete Gruppen innerhalb der Stadt Zivilisten am Verlassen hindern, um sie als Schutzschilde zu nutzen.
Belagerung von Al-Faschir noch verschärft
"Sie haben uns angegriffen; es war erschöpfend", berichtet Enaam Mohammed, die aus Al-Faschir in den nahegelegenen Ort Tawila floh, dieser Tage einigen Journalisten. In Tawila, rund 40 Kilometer entfernt, wurden seit April etwa 400.000 Vertriebene aufgenommen. Dort breiten sich inzwischen Krankheiten wie Cholera und Masern aus.
"Sie fragten uns: 'Wo sind die Waffen? Wo sind die Männer?'", erzählt Mohammed. "Wenn sie jemanden mit einem Handy finden, beschlagnahmen sie es. Wenn man Geld hat, kassieren sie es ein. Wenn man einen guten, starken Esel hat, nehmen sie ihn." Sie sagt, sie habe außerdem gesehen, wie RSF-Kämpfer Menschen töteten und Frauen vergewaltigten.
Der Konflikt befindet sich in einem strategischen Patt. Gemeinsam mit kleineren bewaffneten Gruppen kontrolliert die RSF weite Teile Westsudans, während die SAF den Osten hält. Im Juli richtete die RSF sogar eine eigene Zivilverwaltung ein: Faktisch ist das Land gespalten. Einen glaubwürdigen Friedensprozess gibt es nicht, auch in anderen Orten im Land wird weiter heftig gekämpft.
Was kann getan werden?
"Beide Parteien betrachten den Konflikt durch die Linse eines Nullsummenspiels", heißt es in einer Analyse des italienischen Instituts für internationale Politikwissenschaften (ISPI). "Der Sieg der einen Seite hängt vollständig von der Niederlage der anderen ab."
Erschwerend kommt hinzu, dass ausländische Staaten unterschiedliche Kriegsparteien unterstützen. Im Juli verschoben die USA ein Treffen zu Sudan, an dem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten teilnehmen sollten.
Saudi-Arabien und Ägypten sollen angeblich die SAF unterstützen, die Emirate die RSF - alle bestreiten, militärische Hilfe zu leisten. Das Treffen soll nun im September stattfinden.
In dieser Woche rief UN-Generalsekretär António Guterres SAF-Führer Burhan an und bat um eine einwöchige Feuerpause, um Hilfslieferungen nach Al-Faschir zu ermöglichen. Burhan stimmte zu, die RSF jedoch bislang nicht.
Es mangelt an Geld und Aufmerksamkeit
Die Krise reicht weit über die belagerte Stadt hinaus, betont die WFP-Sprecherin Kinzli. Die Vereinten Nationen sprechen von der "größten humanitären Krise der Welt".
Hilfsorganisationen schätzen, dass rund zwölf Millionen der 46 Millionen Einwohner vertrieben wurden und etwa 150.000 Menschen infolge des Krieges starben. Hungersnöte und Krankheiten gibt es auch in anderen Teilen des Landes.
"Was wir von der internationalen Gemeinschaft brauchen, sind zwei Dinge", sagt Kinzli. "Erstens natürlich Finanzierung - denn der Bedarf im Sudan ist enorm. Wir sprechen von 25 Millionen Menschen, die akut von Hunger bedroht sind, und das ist noch moderat geschätzt. Die uns zur Verfügung stehenden Mittel reichen bei weitem nicht aus."
Zweitens brauche es "verstärkte Aufmerksamkeit und Engagement" für den Sudan: "Es geht darum, diesen Konflikt zu beenden, indem alle Parteien an den Tisch gebracht werden, aber auch, um sich unseren Forderungen nach ungehindertem humanitärem Zugang anzuschließen." Denn: "Im Sudan muss der Fluss von Hilfsgütern größer sein als der Fluss von Waffen", so Kinzli.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.