Welthunger-Index 2025: Sudan und Gaza am gefährdetsten
9. Oktober 2025
Die Chance auf ein Ende des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas sorgt auch in Berlin für Hoffnung, als am Donnerstag der Welthunger-Index 2025 präsentiert wird: "Die Welthungerhilfe steht bereit, humanitäre Hilfe im Gaza-Streifen zu leisten", sagt Marlehn Thieme. Die Präsidentin der deutschen Hilfsorganisation verweist auf umfangreiche Hilfsgüter, die im benachbarten Jordanien eingelagert und sofort lieferbar seien. Voraussetzung: Die Grenzen müssten geöffnet werden.
Für zwei Millionen Menschen kommt es auf jeden Tag an
Gaza ist zugleich das Stichwort für die neben dem Sudan größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart. In beiden Regionen herrsche akute Not. Weltweit habe sich die Zahl der vom Hungertod bedrohten Menschen innerhalb eines Jahres auf zwei Millionen verdoppelt, berichtet Thieme. Im Jahr 2024 seien durch Kriege und Konflikte 20 Ernährungskrisen ausgelöst worden, darunter litten 140 Millionen Menschen.
Als Indikator für Fort- und Rückschritte gilt der Welthunger-Index. Dabei wird auf einer Skala von "niedrig" bis "gravierend" dargestellt, wie die Lage in 136 erfassten Staaten ist. Für sieben Länder gilt die Kategorie "sehr ernst", 35 sind als "ernst" eingestuft, 36 als "mäßig" und 52 als "niedrig". Für die Berechnung sind vier Faktoren auschlaggebend: Unterernährung, Auszehrung und Wachstumsverzögerung bei unter Fünfjährigen und die Kindersterblichkeit.
Seit 2005 ist die Zahl der Hungernden um 115 Millionen gesunken
Die palästinensischen Gebiete konnten laut Welthungerhilfe aufgrund der schwierigen Datenlage nicht genau klassifiziert werden. Nimmt man die global verfügbaren Zahlen über einen längeren Zeitraum in den Blick, gibt es Licht und Schatten. Positiv ist: Der seit 2005 ermittelte Index hat sich in zwei Jahrzehnten deutlich verbessert. Zu Beginn der Messungen gab es 788 Millionen hungernde Menschen, das waren zwölf Prozent der Weltbevölkerung. Aktuell sind es 673 Millionen, was einem Anteil von acht Prozent entspricht.
Besorgt ist die Welthungerhilfe allerdings darüber, dass der Rückgang seit 2016 fast zum Stillstand gekommen ist. Grund dafür sei neben Kriegen und Krisen der Klimawandel. "Dürren, Überschwemmungen und Stürme sind nicht länger einmalige Ereignisse, sondern andauernde Bedrohungen für die Existenz von Millionen Menschen", sagt Thieme. Pakistan habe jüngst eine der schlimmsten Überschwemmungen erlebt, in deutschen Medien sei das aber kaum bemerkt worden.
Appell an die Bundesregierung: keine weiteren Kürzungen
Die Präsidentin der Welthungerhilfe kritisiert, dass die USA, Deutschland und andere europäische Länder trotz steigenden Bedarfs ihre Unterstützung massiv kürzen. Deshalb appelliert sie an die Bundesregierung, bei der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe finanziell nachzubessern. Die Koalition aus Unionsparteien (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) will die Etats aber auch 2026 kürzen, nachdem sie schon in den vergangenen Jahren um mehrere Milliarden Euro abgesenkt wurden.
Trotzdem gibt sich Thieme optimistisch und hofft auf ein Umdenken der politisch Verantwortlichen. Dabei denkt sie auch an ähnliche diplomatische Initiativen für den Sudan, wie es sie jüngst im Gaza-Krieg gegeben hat: "Da brauchen wir den Appell an die Vereinten Nationen, auch mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung aktiv zu werden, um dieses Sterben, um diese Flucht, um den Hunger zu beenden."
"Hunger darf nicht als Waffe eingesetzt werden!"
Thiemes Kollege Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, bezeichnet die Lage im Sudan als "katastrophal": 25 Millionen Menschen seien von der Hungersnot betroffen, zehn Millionen auf der Flucht. Auch im Kongo sei die Lage schlimm, knapp 40 Prozent der Bevölkerung hätten nicht genug zu essen.
"Hunger darf nicht als Waffe eingesetzt werden!", fordert Mogge angesichts der Kriege im Sudan und in Nahost. Im Gaza-Streifen habe man trotz allem helfen können: "Wir haben nach wie vor Trinkwasser verteilt, wir haben in Ernährungszentren mit Partnern zusammen Spezialnahrung ausgegeben - insbesondere an Frauen und Kinder." Allerdings in einem völlig unzureichenden Maße, beklagt Mogge: Man hätte viel, viel mehr machen müssen.
Fortschritte in Sierra Leone und anderen afrikanischen Ländern
Aller Not zum Trotz betont er aber auch einige erfreuliche Entwicklungen, die sich im Welthunger-Index widerspiegeln. So habe man in Sierra Leone gesehen, wie Fortschritte möglich seien: Ernährungsprogramme für Schulen, besseres Saatgut, Bewässerungsprogramme und eine gerechtere Landverteilung.
Welthungerhilfe-Präsidentin Marlehn Thieme nennt weitere afrikanische Länder, die im Kampf gegen Mangelernährung Schritte nach vorn gemacht hätten: Mosambik, Ruanda, Togo und Uganda. Das Erfolgsrezept: eine Kombination aus sozialen Programmen und Krediten im ländlichen Raum.
"Veränderungen sind möglich, wenn der politische Wille vorhanden ist"
Für Asien verweist sie auf Nepal, wo das Recht auf Nahrung in der Verfassung verankert worden sei. Entscheidend seien Maßnahmen für Frauen und Kinder gewesen sowie ein verbessertes Gesundheitsprogramm.
"Diese Beispiele zeigen: Veränderungen sind möglich, wenn der politische Wille vorhanden ist, wenn Strategien langfristig angelegt und vor allem koordiniert sind", sagt Thieme. Sie betont eine weitere Bedingung: "Wenn die lokalen Gemeinschaften eingebunden und gestärkt werden."