1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Hurrikan "Stan" traf vor allem die Armen

6. Oktober 2005

Über Mittelamerika ist ein Hurrikan hinweggefegt. "Stan" brachte enorme Regenfälle mit; in den Fluten starben bisher mehr als 200 Menschen. Und es regnet weiter. Aber es kommt internationale Hilfe.

Erst Fluss, dann reißende Fluten: der Coatan in MexikoBild: AP

Der Hurrikan traf mit Windgeschwindigkeiten von 130 km/h auf die mexikanische Golf-Küste, südöstlich der Stadt Veracruz. Zusätzlich verbündete er sich mit einem Tiefdruckgebiet über dem Pazifik. Am schwersten betroffen sind Guatemala mit mindestens 230 und El Salvador mit mindestens 62 Toten. Entwarnung ist nicht angesagt: Die Regenfälle dauern an. Zehntausende Menschen in Südmexiko und Mittelamerika wurden in Notunterkünfte gebracht.

Die Panamericana, die berühmte Straße, die Alaska mit Feuerland verbindet, ist in Mittelamerika nicht mehr vorhanden. Und auch die Pazifische Küstenstraße in Chiapas ist auf einer Länge von 300 Kilometern zerstört.

Gefährliche Wohnlage

Am schlimmsten traf es die zahlreichen armen Menschen in den mittelamerikanischen Ländern. Sie haben ihre Behausungen und Hütten an Stellen errichtet, die als gefährlich eingestuft sind: Am Rand von Schluchten, an Hängen, an Bächen und Flussläufen. Hunderte von Menschen vermissen ihre Angehörigen. Viele haben gesehen, wie gewaltige Wassermassen ihre Häuser fortspülten, wie Schlammlawinen ihre Hütten unter sich begruben und Verwandte, Nachbarn, Freunde in den Tod rissen.


Zehntausende Menschen mussten in Notunterkünften untergebracht werdenBild: AP

Guatemala schwer getroffen

Besonders schwere Verwüstungen richtete "Stan" in der Umgebung des Atitlan-Sees in Guatemala an, einem von Vulkanen und Maya-Siedlungen umgebenen Touristenziel, rund 100 Kilometer westlich von Guatemala-Stadt. Dort ging eine Schlammlawine nieder. Rettungskräfte bargen zunächst 15 Tote und befürchteten, dass diese Zahl weiter steigen werde. Etwa 26.000 Menschen flohen aus ihren Häusern. Mehr als 3300 Gebäude wurden durch die Überschwemmungen beschädigt.

"Die Lage ist mehr als kritisch" sagte der Sprecher der Notstandskommission, Raul Morillo. In allen Flüssen der Südküste steige der Wasserpegel rapide an. Sollten die Regenfälle nicht aufhören, werde es noch größere Schäden als schon bisher geben.

Auch das Kindernothilfe-Projekt in Panajachel ist betroffen, zu vier Projekten in San Marcos, San Lucas Toliman, Pochuta und Zaragoza gibt es keinen Kontakt mehr. Das berichtete der Koordinator der Kindernothilfe in Guatemala, Christian Aponte. Drei Projekte in Chiquimulilla, Guazacapán und Poza de Agua im Grenzgebiet zu El Salvador wurden zu Notunterkünften umfunktioniert. Nur in der Hauptstadt Guatemala-Ciudad und in Antigua gibt es überhaupt noch Essbares zu kaufen.

Zum Wasser kommt der Vulkan

Nicht nur in Mexiko hinterließen die Fluten Trümmer und VerwüstungBild: AP

Zahlreiche Erdrutsche gab es auch in El Salvador, wo dem Sturm tagelange Regenfälle folgten. 75 Prozent des gesamten Landes seien völlig aufgeweicht, sagte der verzweifelte Präsident Antonio Saca: "Haltet Euch von den gefährlichen Stellen fern, damit nicht noch mehr Salvadorianer sterben."

Mehr als 40.000 Menschen wurden in Notunterkünften untergebracht. Unter ihnen waren auch die Bewohner der Ortschaft Santa Tecla, wo schon im Januar 2001 ein Erdbeben einen gewaltigen Erdrutsch auslöste. Die Behörden befürchten, dass der Berg am Rand der Ortschaft erneut ins Rutschen kommen könnte. Sturm und Regen sind für El Salvador nicht die einzige Bedrohung: Der Vulkan Llamatepec bei Santa Ana war ausgebrochen.

Der Llamatepec in Santa Ana, El SalvadorBild: AP

Mexikos Flüsse treten über die Ufer

In Mexiko kamen durch "Stan" elf Menschen ums Leben. Die großen Erdöl-Exporthäfen des Landes, Dos Bocas, Cayo Arcos und Coatzacoales, wurden geschlossen. Im südlichsten Bundesstaat Chiapas traten 33 Flüsse über die Ufer. Wegen der Überschwemmungen war die Stadt Tapachula nahe der Grenze zu Guatemala von der Außenwelt abgeschnitten. Brücken und Landstraßen wurden zerstört, Strom- und Telefonversorgung brachen zusammen.

Der mexikanische Präsident Vicente Fox machte sich im Katastrophengebiet selbst ein Bild vom Ausmaß der Verwüstungen. Fernsehbilder aus Chiapas zeigten, wie Anwohner vor den reißenden Fluten um ihr Leben rannten. Manche konnten noch Möbel aus ihren Häusern retten, bevor die Gebäude einstürzten. Rettungskräfte brachten mit Militärhubschraubern Babys, Kinder und ältere Menschen in Sicherheit.

So stark wie einst "Mitch"

Von den weiteren Ländern Mittelamerikas meldeten Nicaragua, Honduras und Costa Rica Todesopfer; gesicherte Zahlen gibt es aber entgegen erster Angaben noch nicht. Inzwischen ist die internationale Hilfe angelaufen. Für Mittelamerika sagte die Europäische Union 1,7 Millionen Euro für Hilfsmaßnahmen zu. Die Vereinten Nationen stellten 90.000 Dollar Soforthilfe bereit und das UN-Kinderhilfswerk UNICEF 110.000 Dollar. Hilfe geleistet oder versprochen haben bisher auch Deutschland, die USA, Taiwan,
Frankreich, Italien, Japan, Kolumbien und Venezuela.

"Stan" weckte Erinnerungen an den Hurrikan "Mitch", der
Mittelamerika 1998 heimsuchte. 10.000 Menschen kamen damals ums Leben. "Stan" habe allein Guatemala in fünf Tagen halb so viel Wasser gebracht wie "Mitch" in drei Tagen, erklärten Meteorologen. Für die Kaffeebauern kommt "Stan" besonders ungünstig, da die Ernte gerade beginnen sollte. Nun fürchten sie große Verluste. In Mexiko gingen hunderte Hektar Reis verloren. (reh)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen