Rotes Meer: Huthi-Attacken gefährden Umwelt und Sicherheit
7. März 2024Angriffe auf Frachtschiffe, erzwungene Umwege über das Kap der Guten Hoffnung, ein erstes versenktes Schiff - die jemenitischen Huthis setzen die zivile Seefahrt unter Druck. Nun warnt das US-Zentralkommando gar vor einer "Umweltkatastrophe". Der Mitte Februar von den Huthi-Milizen beschossene und Anfang März gesunkene Frachter Rubymar habe einen Ölteppich von 29 Kilometern Länge verursacht, teilte das für den Nahen Osten, Ost-Afrika und Zentral-Asien zuständige Regionalkommando mit. Zudem habe der Anker des untergegangenen Schiffes wichtige Kommunikationskabel durchtrennt, berichtet die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf das amerikanische Verteidigungsministerium.
Damit haben die Angriffe eine neue Qualität erreicht. Zwar ist eine endgültige Bewertung der Umweltschäden derzeit noch nicht möglich, doch sei nicht auszuschließen, dass die mehr als 7000 Barrel Öl und 22.000 Tonnen Ammoniumphosphat-Dünger an Bord in die Gewässer gelangen, twitterte der Experte für maritime Sicherheit, Ian Ralby.
Das hätte massive Folgen, etwa für die Entsalzungsanlagen, die die gesamte Region mit Trinkwasser versorgen. Zudem könnte für den Fall, dass sich ein größerer Ölteppich verbreite, der Fischbestand zurückgehen, so Ralby in seinem Podcast "Blue Security". Das hätte enorme Auswirkungen auf die lokale Fischerei. Zudem sei durch die schnell fließende Strömung in der schmalen Meerenge nicht ausgeschlossen, dass der Ölteppich noch weiter getragen werde.
Nahost-Experte: Huthis sind antiamerikanisch und anti-israelisch
Zur Bekämpfung der Angriffe hatten die USA bereits im Dezember vergangenen Jahres die internationale Militärkoalition "Operation Prosperity Guardian" gebildet. Im Rahmen dieser Aktion ist auch die deutsche Fregatte Hessen vor Ort. Doch trotz gezielten Beschusses von Stellungen der Huthi konnte die Allianz deren Angriffe bislang nicht gänzlich unterbinden.
Das dürfte auch daran liegen, dass die Huthi nicht allein kämpfen. Hinter ihnen steht der Iran, der sich im Kontext des Gaza-Krieges als Schutzmacht der Palästinenser zu inszenieren versucht. Die politische Führung des Iran hat Israel wiederholt mit Vernichtung gedroht. "Auch die Agenda der Huthi ist klar antiamerikanisch und klar anti-israelisch", sagt Fabian Hinz, Nahost-Experte am International Institute for Strategic Studies (IISS) in London. "Es handelt sich um eine hochgradig ideologisierte islamistische Bewegung, die den Kampf gegen Israel als ebenso wichtig erachtet, wie der Iran es tut." Auf dieser Grundlage funktioniere die Partnerschaft zwischen dem Iran und der jemenitischen Miliz.
Ähnlich sieht es der Nahost-Experte Michael Knights vom US-Think Tank The Washington Institute. Die Huthi und die Islamischen Revolutionsgarden seien "Seelenverwandte". Darum müsse man in Teheran den Huthi "nicht unbedingt sagen, was sie tun sollen."
Huthis erhalten militärische Unterstützung aus Teheran
Wie weit die Unterstützung aus Teheran geht, zeigte sich Ende Januar dieses Jahres, als die US-Streitkräfte eine Lieferung mit militärischer Hilfe aus dem Iran für die Huthi abfingen. Diese enthielt einer Mitteilung des United States Central Command (CENTCOM) zufolge Komponenten für ballistische Mittelstreckenraketen, Sprengstoff, Komponenten für unbemannte Unter- und Überwasserfahrzeuge, militärische Kommunikations- und Netzwerkausrüstung, Baugruppen für Panzerabwehrraketen und andere militärische Komponenten. "Die derzeitige Kampagne im Roten Meer und im Golf von Aden wäre ohne iranische Hilfe nicht möglich", sagt Fabian Hinz.
Auch jemenitische Bevölkerung spürt die Folgen der Angriffe
Allerdings ist der Schaden nicht nur für die internationale Schifffahrt enorm. Auch die nach mehreren Kriegsjahren ohnehin leidgeprüfte Bevölkerung des Jemen leidet unter den Folgen der Angriffe. Nachdem etwa Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien - das Land stand über Jahre an der Spitze einer internationalen Koalition gegen die Huthi - im Herbst vergangenen Jahres auf eine Einigung hinauszulaufen schienen, treten diese angesichts der Angriffe auf die Schifffahrt nun auf der Stelle. Infolgedessen hat das Königreich bereits in Aussicht gestellte humanitäre Hilfe zurückbehalten. Auch die durch die Angriffe gestiegenen Schifffahrtskosten belasten den Jemen und seine Bevölkerung enorm. Das Land ist besonders anfällig für solche Schwankungen, da es fast vollständig von Lebensmittelimporten abhängt. Auch Hilfslieferungen sind durch die Attacken eingeschränkt. "Deswegen wird man die Auswirkungen dieser Krise im Jemen sehr stark spüren", so Hinz.
Insofern sind die Angriffe auf die internationale Schifffahrt für die Huthi innenpolitisch riskant. Ein großer Teil lehne ihre Ideologie ab, so Hinz. Allerdings stoße der Kampf gegen Israel in großen Teilen der jemenitischen Bevölkerung weiterhin auf Resonanz. "Dies wiederum nutzen die Huthi, um sich in den Augen ihre Anhänger als legitime Widerstandsbewegung zu inszenieren", sagt Hinz.
Ähnlich sehen es auch die Analysten des in der jemenitischen Hauptstadt ansässigen Sanaa Center for Strategic Studies. "Für die Huthi ist dies eine einmalige Gelegenheit, aus der weit verbreiteten Unterstützung für die palästinensische Sache Kapital zu schlagen, um ihre schwindende Popularität in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu steigern und gleichzeitig der Außenwelt zu beweisen, dass sie die einzige effektive Autorität im Jemen sind", heißt es in einem Report vom Dezember vergangenen Jahres.
Allerdings sei fraglich ist, inwiefern die Verteuerung der Lebensmittel der im Jemen verbreiteten anti-israelischen Haltung langfristig zusetze, sagt Fabian Hinz.
Ende der Huthi-Angriffe wenig wahrscheinlich
Inzwischen könne man die Huthi-Bewegung als "eine Art nicht-nukleares Nordkorea betrachten", schreibt Michael Knights vom US-Think Tank The Washington Institute in seiner Analyse: "ein aggressiver, gut bewaffneter, den Vereinigten Staaten feindlich gesinnter Akteur, der sich zudem in einer geografischen Schlüsselposition befindet."
Lassen sich dessen Angriffe auf die internationale Schifffahrt begrenzen? Fabian Hinz ist skeptisch. Das hänge auch von der Entwicklung des Gaza-Krieges ab. "Es scheint mir durchaus denkbar, dass die Huthi im Fall eines Kriegsendes ihre massiven Angriffe zurückfahren würden. Allerdings dürften die Huthi ihre Angriffe auf die zivile Schifffahrt als grundsätzliche Handlungsmöglichkeit betrachten. Und das dürfte sich auch nach einem möglichen Ende des Kriegs in Gaza nicht ändern."
Der Artikel wurde am 8. März 2024 aktualisiert.