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Politik

"Ibiza-Affäre" wird zur Kraftprobe

20. Mai 2019

Nach dem Auseinanderbrechen der rechtskonservativen Regierung in Österreich gehen die bisherigen Koalitionspartner auf Konfrontationskurs. ÖVP-Kanzler Kurz will noch einen anderen FPÖ-Spitzenpolitiker schnell loswerden.

Österreich Wien Pressekonferenz Sebastian Kurz
Bild: picture-alliance/APA/H. Fohringer

Nach dem Rücktritt seines Stellvertreters Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ beharrt Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP, Artikelbild) auch auf der sofortigen Ablösung des umstrittenen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl. Das bestätigte Kanzleramtsminister Gernot Blümel im österreichischen Fernsehen. "Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten vorschlagen wird, den Innenminister aus der Regierungsverantwortung zu entlassen", sagte der Kurz-Vertraute. Blümel begründete dies mit der Notwendigkeit, nach dem Auftauchen des sogenannten Ibiza-Videos für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen. Kickl könnte - wie es aus Wien hieß - als langjähriger FPÖ-Generalsekretär an unzulässigen Parteispenden-Konstrukten beteiligt gewesen sein, die Strache in dem Video angedeutet hatte.

Die FPÖ wiederum drohte damit, dass im Fall einer Entlassung Kickls alle ihre Regierungsmitglieder das Kabinett verlassen würden - Monate vor der für September geplanten Neuwahl des Nationalrats. Der Verkehrsminister und designierte neue FPÖ-Vorsitzende Norbert Hofer sagte in Wien, sollte Kickl abberufen werden, "stellen wir unsere Ämter zu Verfügung". 

Kickl selbst erklärte auf seiner Facebook-Seite: "Kuhhandel gibt es mit mir keinen." Das von der FPÖ geführte Innenministerium sei der ÖVP "schon länger ein Dorn im Auge" gewesen - "vor allem wegen der klaren und konsequenten Linie in Sachen Asyl- und Zuwanderungspolitik in Österreich und auf europäischer Ebene".

Als Hardliner in Sachen Migration bekannt: Herbert KicklBild: imago/SKATA

Bald Misstrauensantrag gegen Kurz?

Nicht nur die FPÖ, auch die Opposition erhöht derweil den Druck auf den Kanzler. Die oppositionelle Liste "Jetzt" kündigte für die nächste Nationalratssitzung einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler an. Sollte der Antrag angenommen werden, müsste Bundespräsident Alexander Van der Bellen jemanden mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. "Dann ist der Bundeskanzler Geschichte - und das ist auch gut so", sagte der Gründer der Liste "Jetzt", Peter Pilz, im Sender oe24. Der Kanzler sei der Hauptverantwortliche für die Regierungskrise.

Wann der Nationalrat zum nächsten Mal tagt, soll im Laufe des Tages festgelegt werden. Die oppositionelle SPÖ hatte einen Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung gestellt. Auch der österreichische Grünen-Europapolitiker Michel Reimon forderte, die Rolle von Bundeskanzler Kurz zu beleuchten.

Eine weitere "Schmutzkampagne"?

Kanzler Kurz betonte, die Neuwahl sei "kein Wunsch" gewesen, sondern "eine Notwendigkeit". Er wolle zudem herausfinden, wer hinter den Videoaufnahmen stecke, die Strache zu Fall brachten. In der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe) lenkte Kurz den Verdacht auf den israelischen Politberater Tal Silberstein. "Ich halte es für möglich, dass Silberstein dahintersteckt", sagte Kurz. Ähnlich hatte sich bereits Strache geäußert. Silberstein war Berater der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), der im Wahlkampf 2017 für eine "Schmutzkampagne" gegen Kurz verantwortlich gemacht wurde.

In dem wenige Monate vor der Nationalratswahl 2017 auf Ibiza entstandenen, heimlich aufgenommenen Video äußert Strache unter anderem auch die Idee, eine vermeintliche russische Investorin solle die auflagenstärkste Zeitung Österreichs, die "Kronen Zeitung", erwerben, die FPÖ publizistisch fördern und im Gegenzug öffentliche Aufträge erhalten. Strache bezeichnete sein damaliges Auftreten als "alkoholbedingtes Machogehabe" und kündigte rechtliche Schritte gegen die Macher der stundenlangen Filmaufnahmen an. Der ebenfalls damals anwesende Johann Gudenus trat nicht nur als FPÖ-Fraktionschef (Klubchef) zurück, sondern inzwischen auch "mit sofortiger Wirkung" aus der Partei aus. Nachfolger Straches im Amt des FPÖ-Chefs soll der amtierende Verkehrsminister und ehemalige Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer werden, wie das Parteipräsidium einstimmig beschloss.

Dieses Video aus dem Juli 2017 löste die Affäre aus - im Bild: Johann Gudenus (l.) und HC StracheBild: picture-alliance/dpa/Spiegel/Süddeutsche Zeitung

Staatsanwalt ermittelt (noch) nicht

Kurz geht davon aus, dass sich Strache durch seine Äußerungen strafbar gemacht haben könnte. "Die Ermittlungen werden zeigen, was jetzt passiert", sagte er der "Bild". Was Strache in diesem Video gesagt habe, "ist ein großer Skandal, bedeutet das Ende von seiner politischen Tätigkeit und vermutlich auch strafrechtliche Konsequenzen", so der Kanzler. "Was wir auf diesem Video sehen, ist erschütternd: Es geht um Machtmissbrauch, und das ist schwerwiegend und problematisch. Es geht um offene Angebote der Korruption. Und Attacken gegen die freie Presse." Die zuständige Oberstaatsanwaltschaft erklärte hingegen laut Österreichischem Rundfunk (ORF), die bisher veröffentlichten Ausschnitte reichten nicht für einen Anfangsverdacht: "Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat lassen sich daraus nicht gewinnen." 

wa/ust/kle (ORF, afp, dpa)

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