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Politik

"Ich habe Putins Palast von innen gesehen"

Natalia Smolentceva | Elena Barysheva
21. Januar 2021

In einem neuen Youtube-Video stellt Alexej Nawalny ein Prunk-Anwesen des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Schau. Die DW sprach mit dem Aktivisten Dmitrij Schewtschenko, der diesen Bau seit Jahren beobachtet.

Putin-Palast beim Schewtchenko-Besuch
Der "Palast für Putin" - so wie ihn Umweltaktivist Dmitrij Schewtschenko im Jahr 2011 sahBild: Dmitry Schewtchenko

Auf Youtube schlägt der neueste Film von Alexej Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung (FBK) in Russland hohe Wellen. Innerhalb von nur zwei Tagen ist der Clip mehr als 40 Millionen Mal aufgerufen worden. Sein Inhalt ist durchaus brisant: Unter dem Titel "Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung" zeigt der Film zwei Stunden lang Einzelheiten eines prunkvollen Anwesens an der russischen Schwarzmeerküste. Laut den Recherchen umfasst allein das Gebäude eine Fläche von fast 18.000 Quadratmetern. Das umgebende Areal sei fast 40mal so groß wie das Fürstentum Monaco. 100 Milliarden Rubel (umgerechnet 1,12 Milliarden Euro) soll das Anwesen gekostet haben. FBK zufolge wird der "Palast" von den russischen Staatsunternehmen Rosneft und Transneft finanziert. Beide werden von engen Freunden von Präsident Wladimir Putin geleitet: Igor Setschin und Nikolaj Tokarjew.

Schon seit Jahren beobachten Umweltaktivisten das Objekt. Einigen gelang es, in das Areal einzudringen und dort Fotos zu machen. Einer dieser Aktivisten ist Dmitrij Schewtschenko, Leiter der nichtkommerziellen russischen Organisation "Civic Initiative Against Environmental Crime" (CIAEC). Die DW hat mit ihm gesprochen.

Deutsche Welle: Herr Schewtschenko, was haben Sie aus Nawalnys Recherchen Neues erfahren?

Dmitrij Schewtschenko: Neu ist für mich, dass dort eine unterirdische Eissporthalle gebaut wurde. Ansonsten haben die Recherchen uns nicht viel Neues gebracht. Aber sie sind der erste Versuch, alle verfügbaren Informationen zu diesem Bauobjekt zu systematisieren. Die Kollegen muss man dafür loben, dass sie alle Finanzierungsketten, die sich kreuzen, und auch die Strohfirmen aufgedeckt haben.

Dmitrij Schewtschenko konnte auch den Park von "Putins Palast" fotografierenBild: Dmitry Schewtchenko

Im Jahr 2011 waren sie selbst auf der Baustelle. Wie kam es dazu?

Wir verfolgen die Sache seit 2004, als Baupläne am Kap Idokopas bekannt wurden. Diese ärgerten uns sehr, weil dort unberührte Wälder standen, aus Pitsunda-Kiefern, die in Russland unter Schutz stehen. Es war klar, dass es zu Rodungen kommen würde. Als sich nach den Enthüllungen eines Geschäftsmanns namens Sergej Kolesnikow 2010 herausstellte, dass dort für den Präsidenten Russlands gebaut werden sollte, wollten wir uns die Sache genauer ansehen.

Warum sind Sie zur Baustelle von "Putins Palast" gefahren?

2011 beschlossen mein Kollege Suren Gasarjan und ich, zusammen mit einigen anderen zu überprüfen, was dort vor sich geht. Man muss sagen, dass das Objekt zur damaligen Zeit nicht besonders geschützt wurde. Wir haben uns nirgendwo versteckt, die Schranke war offen. So kamen wir direkt zum Hauptgebäude, fast an die Stelle, die auch Alexej Nawalny in seinem Film zeigt: das große Portal, ein Tor mit einem Doppeladler darauf.

Zunächst wurden wir nicht einmal beachtet. Die Arbeiter liefen herum und stellten niemandem unnötige Fragen. Als wir aber von Mitarbeitern des Föderalen Dienstes für die Bewachung der Russischen Föderation FSO (ein Schutzdienst für den russischen Präsidenten und das Pendant zum US-amerikanischen Secret Service, Anm. d. Red.) entdeckt wurden, gab es Aufruhr. Wir mussten sofort aufhören zu filmen. Zum Glück hatte ich eine Speicherkarte mit Bildern in meinem Stiefel versteckt. Das sind die einzigen Fotos des Objekts, die nicht von Bauarbeitern aufgenommen wurden.

Danach wussten die Wachleute nicht, was sie mit uns tun sollten. Zwei FSO-Mitarbeiter riefen die Polizei und sogar den Grenzschutz - warum auch immer. Es erschien auch eine große Anzahl von Mitarbeitern einer privaten Sicherheitsfirma. Sie nahmen uns vor den Augen der Polizei dreist unsere persönlichen Sachen weg. Sie öffneten unser Auto und wir sahen, wie sie alle Dinge zum Palast brachten, in dieses graue Gebäude.

Wachen vor "Putins Palast" im Jahr 2011Bild: Dmitry Schewtchenko

Was haben Sie letztendlich dort alles gesehen?

Praktisch den gesamten zentralen Bereich, den Haupteingang zum Palast; wir sind um ihn herum gegangen, auch zur dem Meer zugewandten Seite. Dabei ist mir aufgefallen, dass beim Haupteingang der Wald völlig abgeholzt und dort bereits ein schmucker Park angelegt, hingegen der Wald zum Meer unberührt geblieben war. Das Hauptgebäude sollte vom Meer aus nicht zu sehen sein. Dann bin ich hinauf in einen Raum gegangen, der in Nawalnys Film als "Aqua-Disco" bezeichnet wird. Dort ist eine Art Springbrunnen, der mit einem Pool verbunden ist. Wir haben auch in den Hof geschaut, das Tor war zwar verschlossen, aber man konnte sehen, was dort vor sich ging.

Wussten Sie, für wen diese Residenz gebaut wird, als Sie dorthinfuhren?

Wir wussten genau, wo wir waren. Aber es überraschte uns dennoch, dass als erste FSO-Mitarbeiter auf uns zukamen. Formal galt dieser Palast als Privateigentum. Auf unsere Frage, was der FSO hier zu suchen habe, bekamen wir keine Antwort.

Uns überraschte auch die Vielzahl ausländischer Bauleiter vor Ort. Als die Diskussion mit den FSO-Mitarbeitern begann, kam ein Mann auf uns zu und sagte, wir seien illegal hier und Filmaufnahmen seien auch verboten. Er sprach Russisch, aber mit italienischem Akzent. Dann begannen die privaten Sicherheitsleute, uns Sachen wegzunehmen. Die ganze Operation leitete ein Mann, der, wie sich später herausstellte, vom Balkan stammte.

Pool in "Putins Palast" - ein Foto aus dem Jahr 2011 von Dmitrij SchewtschenkoBild: Dmitry Schewtchenko

Hatte Ihr Besuch für Sie irgendwelche Konsequenzen?

Die Leute auf der Baustelle waren damals entspannt und sie rechneten nicht mit Besuchern. Sie hatten keinen Plan, was sie mit uns tun sollten. Aber sie beschlagnahmten das Filmmaterial und nahmen uns einfach alle Sachen weg. Dann wurden wir von Putins Palast von der Polizei zur Dienststelle im Dorf Diwnomorskoje gebracht. Dort legten wir schriftlich dar, dass wir bestohlen worden seien. Am nächsten Morgen rief ein Polizist aus dem Dorf an und sagte, unsere Sachen und Dokumente seien angeblich zufällig im Wald gefunden worden. Natürlich wurden uns keine Datenträger zurückgegeben. Der ganze Vorfall wurde einfach vertuscht.

Aber er hatte dennoch Konsequenzen. Später, als Suren Gasarjan zum Palast fuhr und versuchte, sich den Strandbereich anzuschauen, kam es zu allen möglichen Vorfällen mit den Wachen. Damals drohte Suren ein Strafverfahren, weswegen er Russland verlassen musste.

Waren Sie nach 2011 noch einmal auf dem Gelände von "Putins Palast"?

Im Inneren selbst war ich nicht mehr. Aber wir haben uns angeschaut, was in der Nähe geschieht. Zum Beispiel ist ein Küstenstreifen komplett gesperrt, was den Menschen natürlich missfällt. Ich habe gesehen, dass Grenzschützer Menschen vom Strand vertreiben. Sie mussten ihre Zelte abbauen und ihre Ausweise vorzeigen. Ihre Daten wurden gespeichert. Später erfuhr ich aus den Medien, dass Putins Yacht "Olympia" im Bereich des Palastes unterwegs war. Offenbar erholte er sich zu dem Zeitpunkt höchstpersönlich dort.

Das Gespräch führten Natalia Smolentseva und Elena Barysheva

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