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Ich hab's geahnt

Marcus Bösch27. Juli 2004

Wo komm' ich her, wo geh' ich hin? Die private Ahnenforschung boomt. Erste Informationen über Vorfahren und die Verwandschaft finden sich im Internet. Den Mormonen sei Dank.

Ahnenforscher in AktionBild: dpa Zentralbild

Bevor Hans anrief, war meine Verwandtschaft doch recht überschaubar. Da gab es Onkel und Tanten, eine Handvoll Cousinen und die ein oder andere Großtante. Dann klingelte das Telefon und meine Familie wuchs innerhalb von fünf Minuten um einige Generationen. Am Apparat war Hans, seines Zeichens Hobby-Ahnenforscher und über mehrere Ecken mit mir verwandt. Ungefragt, aber hochmotiviert unterrichtete er mich zügig über das dann doch recht schnell kompliziert werdende Verwandtschaftsgeflecht meiner Familie.

Von wegen Rentnerhobby

Hans ist nicht allein. Immer mehr Menschen verwenden immer mehr Zeit darauf, um herauszufinden, woher sie selbst und der Rest der Familienbande eigentlich stammen. Die Motive bei der Suche nach der verlorenen Zeit sind dabei überaus vielfältig. Während die einen beim Blick zurück Orientierung in einer komplizierten Welt suchen, hoffen andere auf die lang vermutete Verwandtschaft zu Königen, Kaisern oder zumindest einem Dichterfürsten.

Eine fünf Meter breite Ahnentafel der Familie ZeissBild: dpa

"Gründe für die private Ahnenforschung sind vor allem Neugier und Entdeckerfreude", erklärt Birgit Wendt vom Magazin "Computergenealogie" im Gespräch mit DW-WORLD. Allein in Deutschland gibt es rund 20.000 Mitglieder in genealogischen Vereinen. "Die Anzahl der privaten Hobbyforscher liegt aber deutlich darüber", sagt Birgit Wendt und ergänzt, dass das Vorurteil vom klassischen Rentnerhobby längst nicht mehr zutrifft. Seit der flächendeckenden Verbreitung des Internets und prominenten Hobbygenealogen - wie dem deutschen Außenminister - boomt die Familienforschung.

Die Mormonen helfen gerne

Ganz so einfach wie erhofft ist die Recherche trotz der vermeintlich unbegrenzten Ressourcen des Internets dennoch nicht. Wer denkt, er müsse lediglich seinen Familiennamen in eine Suchmaske eintippen und der Rest erledige sich dann schon von selbst, der denkt falsch. "Das Internet hat viele Dinge durch Mailinglisten und Diskussionsforen wesentlich einfacher gemacht", sagt Birgit Wendt. Vollends ersetzen kann es die klassische Suche nach Daten bei Standesämtern und Personenstandsarchiven, das Blättern in Kirchbüchern und das Durchstöbern alter Urkunden und Briefe jedoch nicht. Zur ersten Annäherung an das Thema Ahnenforschung lohnt der Blick ins Netz aber allemal.

Die Internetseite familysearch.org der Mormonen

Früher oder später landet man dann auf der Internetseite "familysearch.org" der Mormonen. Der Mormonen? Ja richtig. Schließlich ist die religiöse Gruppierung im Besitz des weltweit größten und in seiner Art einmaligen Ahnenarchivs der Welt. Die Namen und Personalien von rund zwei Milliarden Menschen lagern - auf Mikrofilm gespeichert - in einem atombombensicheren Bunker in der Nähe von Utah in den Vereinigten Staaten. Eine wachsende Zahl von Datensätzen kann man seit einigen Jahren auch auf der Internetseite der Mormonengemeinde durchsuchen - kostenlos und ohne Registrierung.

Ein Leuchtturm in China

Nicht pekuniäre sondern ausschließlich religiöse Gründe haben zu der beeindruckenden Ahnengalerie geführt. Nach dem Glauben der Mormonen ist es möglich, auch Verstorbene durch einen Stellvertreter nachträglich taufen zu lassen. Dafür braucht man natürlich erst mal die Daten der bereits Verstorbenen. Und aus dem Grund sammeln fleißige Mormonen weltweit Informationen und speisen sie in ihr Archiv.

Das Ergebnis ist verblüffend. Die Namen von hunderten, längst verstorbenen Namensvettern reihen sich am Bildschirm auf, inklusive Taufstätte und mitunter gar der Sozialversicherungsnummer. "Bei allen Datenbanken muss man natürlich nachvollziehen, wie die Daten zustande gekommen sind. Wenn da ein amerikanischer Hobby-Genealoge in alten deutschen Kirchenbüchern blättert, können sich natürlich Fehler einschleichen", erklärt Birgit Wendt. Wer jetzt einmal anfängt in die Vergangenheit zu blicken, wird nicht so schnell damit aufhören. Mein Ur-Opa hat - nach neusten Erkenntnissen - einen Leuchtturm in China gebaut. Vielleicht weiß Hans ja mehr darüber.

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