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Politik

Die hippen Rechten

Sumi Somaskanda
16. Juni 2017

Die Identitäre Bewegung gilt manchen als Rechtsextreme "light", andere sehen sie als umso gefährlicher an. Sie spricht vor allem junge Leute an. Sumi Somaskanda hat mit zwei Anhängern und ihren Kritikern gesprochen.

Identitaere Bewegung auf dem Brandenburger Tor in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

An einem heißen Augustnachmittag im vergangenen Jahr bestiegen Aktivisten der Identitären Bewegung das Brandenburger Tor in Berlin und entrollten ein Spruchband mit der Aufschrift "Sichere Grenzen, sichere Zukunft". Es war die wohl aufsehenerregendste Aktion der Identitären, und sie sicherte der Bewegung mit einem Schlag große Aufmerksamkeit. Die Berliner Identitären sind Teil einer wachsenden europaweiten Bewegung, die Masseneinwanderung vor allem aus muslimischen Ländern für eine Gefahr für Frieden und Stabilität hält. Die Identitären sind für Nationalstolz, die ethnokulturelle Identität der europäischen Staaten wollen sie erhalten. In der Migration von außerhalb Europas sehen sie einen "großen Austausch": Die europäische Bevölkerung sei dabei, gegen eine nichteuropäische "ausgetauscht" zu werden.

Robert Timm, Architekturstudent an der Universität Cottbus, gehörte zu der Gruppe, die sich die Aktion auf dem Brandenburger Tor ausgedacht haben. Ich treffe ihn in einem Berliner Restaurant, um herauszufinden, wie er zu seiner Ansicht kam. "Wir wollen, dass die Menschen in Deutschland wieder zu einem gesunden Verhältnis zu ihrer Identität und Nationalität finden", sagt er. "Als Deutsche schätzen wir unsere eigene Kultur nicht mehr. Aber wenn wir nicht, warum sollten es andere tun?"

Die Identitären wollen "die Islamisierung" in Deutschland verhindernBild: Imago

Von links nach rechts

Timm kommt vom ganz anderen Ende des politischen Spektrums. Er wuchs in einem linken Umfeld auf und ging bewusst auf eine Berliner Schule mit hohem Migrantenanteil, um in eine multikulturelle Welt einzutauchen. Aber dort sei er nicht willkommen gewesen. Er habe die fehlgeschlagene Integration der größten Immigrantengruppen hautnah miterlebt, sagt Timm, vor allem von Menschen aus der Türkei und des arabischen Raums. Der soziale, religiöse und ethnische Hintergrund habe den Status bestimmt. "Jeder wollte so exotisch wie möglich sein, je exotischer, desto höher der Status." Als Deutscher aus Berlin habe er da ziemlich weit unten auf der Statusleiter gestanden.

Endgültiger Wendepunkt seien die islamistischen Anschläge im November 2015 in Paris gewesen. "Ich habe das im Fernsehen verfolgt und gedacht: Ich muss etwas tun. Mit den großen Parteien konnte ich mich nicht identifizieren." Schließlich sei er im Netz auf die Identitären gestoßen. "Ich dachte, das ist genau das, was ich gesucht habe."

Eine Frage der Verpackung?

Tony Gerbers Weg zur Identitären Bewegung verlief ganz anders. Er gehörte früher in seiner Heimatstadt Zwickau zu einem rechtsextremen Netzwerk. Doch die "alte Rechte", wie er sie nennt, sei zu dogmatisch und extrem gewesen. Heute ist Gerber ein führendes Mitglied der Identitären. "Wir haben die Szene deradikalisiert", behauptet er. "Wir haben eine patriotische Plattform geschaffen, die nicht chauvinistisch, nicht rassistisch ist. Das gab es früher nicht. Hätte es sie gegeben, wäre ich gar nicht erst zur alten Rechten gegangen."

Sozialwissenschaftler und Politologen, mit denen ich darüber gesprochen habe, widersprechen dieser Darstellung. Sie sehen die Identitären als gefährliche Demagogen und warnen, die moderne Verpackung lenke von einer im Kern radikal rechten Gesinnung ab: Der Stolz auf deutsche Kultur und Identität hätten die Begriffe Rasse und Volk nur in der äußeren Botschaft ersetzt, nicht aber im Denken. "Für die Behörden ist es schwierig, den antidemokratischen Kern der Bewegung auszumachen", so Matthias Quent von der Universität Jena. "Und darin liegt die größte Gefahr. Es ist eine Verschleierung, und das Gefährliche ist, dass wir nicht dahinter blicken."

Auch Simone Rafael von der Antonio-Amadeu-Stiftung, die sich den Kampf gegen Rechtsextremismus auf die Fahnen geschrieben hat, warnt, die Identitären sprächen gezielt und erfolgreich junge Leute durch ihre Postings an: "Sie spielen mit ihrer Botschaft. Sie nutzen die Tatsache aus, dass sie in der rechtsextremen Szene akzeptiert werden, ohne explizit etwas zu sagen. Das ist ihre Strategie."

Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, lässt die Identitären beobachten Bild: picture-alliance/dpa/K.Nietfeld

Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung

Tony Gerber sieht in der Kritik eine linksliberale Hegemonie, die den öffentlichen Diskurs schon viel zu lange beherrsche. Die "Identitären", findet er, versuchten nur, den Dialog zurück in die Öffentlichkeit zu bringen. Man solle sich doch einfach mal zehn Minuten ihre Webseite ansehen, dann merke man, dass die Identitären keine Neonazis in neuem Gewand seien: "Rassismus zum Beispiel wird als Abwertung einer anderen Religion, eines Volkes oder einer Kultur definiert. Aber wir sind keine Rassisten. Wir glauben an Gleichwertigkeit. Die Menschen mögen verschieden sein, aber sie sind gleichwertig. Kein Identitärer würde sagen, dass ein anderer Mensch weniger wert ist, nur weil er einer anderen Kultur angehört oder weil er Muslim oder Flüchtling ist."

Doch der Verfassungsschutz beobachtet die Identitäre Bewegung bereits, weil er Anhaltspunkte sieht, dass sie sich "gegen die liberale, demokratische Grundordnung" Deutschlands richtet, wie die Behörde der DW in einer E-Mail schrieb. Die Identitären versuchten, diese Beobachtung aufzuheben zu lassen, und streckten ihre Fühler zu Gleichgesinnten in anderen europäischen Ländern aus. Sie sagten, ihr Ziel sei, die Debatte über Kultur und Identität grundlegend zu verändern. Weder wollten sie eine eigene Partei gründen noch sich bestehenden Parteien anschließen - bisher jedenfalls.   

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