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3D-Hype mit Schönheitsfehlern

Manfred Böhm17. September 2012

3D-Fernsehen ist auf der IFA längst kein Top-Thema mehr. Bei einem Viertel aller TV-Geräte wird die dritte Dimension schon mitgeliefert. Das große Kino-Erlebnis im Wohnzimmer bleibt bislang eher die Ausnahme.

IFA 2012 (31.08.-- 04.09.2012): Die beiden südkoreanischen Elektronikriesen Samsung und LG haben auf der Elektronikmesse in Berlin ihre ersten OLED-Fernseher mit einer Displaygröße von 55 Zoll (139,7 Zentimeter) präsentiert. (Foto: LG)
Bild: LG

"Der größte Teil ist katastrophaler Mist, über die Hälfte ist Betrug und gruselig. Ein großer Teil ist inkompetent." Das Urteil zum Angebot an 3D-Filmen, die man sich zuhause am TV-Bildschirm anschauen kann, klingt vernichtend. Es stammt aus dem Mund von Professor Ludger Pfand. Er gilt in Deutschland als der "3D-Professor", weil er sich als einer der ersten aus wissenschaftlicher und künstlerischer Sicht mit dem Thema befasst. An der Karlsruher Hochschule für Gestaltung leitet er das Anfang 2010 neu gegründete Institut "Expanded 3 Digital Cinema Laboratory" und den ersten Studiengang für 3D-Content-Forschung.

Damit seine Theorien Hand und Fuß haben, hat er nach eigenen Worten alle 3D-Filmproduktionen gesehen, die bisher erschienen sind. Meistens habe er aber schon nach fünf Minuten abgeschaltet, "entweder weil es technisch so schlecht war oder inhaltlich unerträglich", kritisiert der Professor. Auf die Frage, was man sich denn in 3D anschauen könne, nennt Pfanz nach kurzem Zögern zunächst James Camerons Publikumserfolg "Avatar" und "Hugo Cabret" von Martin Scorsese.

"Aber bisher ist für mich 'Pina' von Wim Wenders immer noch das Beste, was ich an 3D gesehen habe." Das liege nicht nur an Wenders, sagt Pfanz, denn Pina Bausch habe ja im Tanztheater Raum inszeniert, und das sei die eigentliche Aufgabe von Tanztheater. "Wenders musste das sozusagen nur in den Film übersetzen."

Neben wenigen Leuchtürmen fällt die Bestandsaufnahme des 3D-Expterten also überwiegend kritisch aus. Abgesehen davon, dass die Technik noch zu teuer sei, lasse vor allem das Angebot an 3D-Filmen inhaltlich und qualitativ zu wünschen übrig, konstatiert Ludger Pfanz.

Industrie erledigt Hausaufgaben

Die TV-Geräte-Hersteller scheinen die Entwicklung des 3D-Fernsehens allerdings kaum zu bremsen. Sie erledigen mit Fleiß und Beharrlichkeit ihre Hausaufgaben. 3D in Full-HD - vor zwei Jahren noch als das "Nonplusultra" gefeiert - ist aus Sicht der Entwickler in den Labors der großen Elektronik-Konzerne schon wieder Schnee von gestern. Aus HD (High Definition) wird nun UD (Ultra Definition). Zwei neue Technologien kommen dafür zum Einsatz: "OLED" und "4K".

Die Vorteile der organischen Leuchtdioden (Organic Light-Emitting Diode) liegen auf der Hand. Neben dem superbrillanten Bild mit hoher Schärfe und Farbtreue sowie einem deutlich geringeren Stromverbrauch erreichen auch die Bildschirmgrößen eine neue Dimension. Die großen Hersteller liefern sich dabei ein regelrechtes Wettrennen. Dabei scheinen zurzeit die Koreaner die Nase vorne haben. LG und Samsung feiern in Berlin die Markteinführung der ersten 55 Zoll-OLED-Geräte mit einer Diagonalen von 140 cm. Bei LED mit 3D liegt das derzeitige Maximum sogar bei 84 Zoll - also bei mehr als zwei Metern.

Das Ende der Fahnenstange wird damit aber längst noch nicht erreicht sein, und das gilt ebenso für die Bildauflösung. So brillieren zahlreiche auf der IFA vorgestellte LED-Topgeräte in 4K mit einer Auflösung von 3840 mal 2160 Pixel. Für den Laien übersetzt heißt das, die Anzahl der Bildpunkte wurde von HD zu 4K knapp vervierfacht, zu Full-HD verdoppelt.

Alle warten auf 3D ohne Brille

Der Begriff Heimkino wird somit immer mehr seiner wörtlichen Bedeutung gerecht. Wenn da nicht noch das leidige Problem mit der Brille wäre. Bislang kommt niemand um sie herum. Ob dabei die Shutter- oder die Polarisationbrille besser ist, erscheint eher als Glaubensfrage. Zwar gibt es auch schon erste 3D-TV-Geräte, für die man keine spezielle Brille braucht - doch glaubt man den Testurteilen, erscheint die Technik noch nicht ausreichend ausgereift.

Industrie und Wissenschaft suchen deshalb intensiv nach Lösungen. Das Zauberwort lautet "Autostereoskopie". Forscher des Fraunhofer-Instituts demonstrieren auf der IFA eine neue Technologie, die 3D-Filme in Echtzeit so umrechnet, dass sie auch auf autostereoskopischen Displays dargestellt werden können. Bis diese Technik in die Kaufhaus-Regale gelangt, wird allerdings noch mindestens ein Jahr vergehen.

Dieser Einschätzung folgt auch Professor Ludger Pfanz. Er geht davon aus, dass spätestens 2014 in einem Viertel der deutschen Haushalte 3D-fähige Endgeräte stehen und "Event-bezogenes 3D-Fernsehen mit Brille" sehen werden. Auf ein technisch ausgereiftes und für die Masse bezahlbares Sehen ohne Brille werde man dagegen noch etwas länger warten müssen, prognostiziert Pfanz. Trotzdem ist er überzeugt, dass sich die Autostereoskopie noch in diesem Jahrzehnt durchsetzen wird und ergänzt: "Dann schauen wir auch Tagesschau in 3D."

Filmemacher sind gefordert

Für die Erreichung der Massenmarktfähigkeit sieht der Karlsruher 3D-Forscher allerdings weniger die Geräteindustrie in der Pflicht, als die so genannten Contenthersteller: "Drehbuchautoren, Regisseure, Kameraleute müssen die Arbeit für einen 3D-Film völlig neu überdenken." Bereits bei der Idee und beim Schreiben des Drehbuches müsse die dritte Dimension einbezogen werden, fordert Pfanz. Die Kameraführung und auch der abschließende Schnitt sollten die Charakter- und Beziehungsentwicklung der Filmfiguren mit dem Raum in Beziehung setzen. Das führe zu einer neuen Bildsprache.

Gut, dass Professor Pfanz inzwischen Wim Wenders mit ins Boot holen konnte. Er sei der erste gewesen, der seine Theorie, die Kunst könne etwas mit 3D anfangen, belegt habe, erklärt der 3D-Forscher und verweist mit Stolz darauf, dass der Regisseur, der künftig nur noch 3D-Filme machen will, sein Wissen den Studenten an der Karlsruher Hochschule weitergibt. Zugleich bringt Wenders auch internationale Regisseure dazu, sich in Sachen 3D weiter zu qualifizieren. Sie treffen sich dazu auf dem von Pfanz ins Leben gerufene BEYOND Symposium, das alle zwei Jahre im Wechsel mit dem gleichnamigen Festival stattfindet.

Pfanz und seine Mitstreiter sind also auf einem guten, wenn auch schweren Weg. Und die Freunde guter Filmkunst dürfen auf eine Zukunft mit guten und künstlerisch anspruchsvollen 3D-Filmen hoffen, die auch die Anschaffung eines dafür notwendigen Hightech-Fernsehers rechtfertigt.

Wim Wenders erhält auf dem BEYOND Festival 2011 den Ehren-AwardBild: BEYOND-Festival 2011 | 3D-Allianz Karlsruhe
3D-Workshop im Rahmen des BEYOND-Symposiums 2012Bild: BEYOND-Symposium 2012 | Neue Road Movies
Wegweisend: Wim Wenders 3D-Fim "Pina"
Professor Ludger Pfanz im Gespräch mit JournalistenBild: PREVIEW
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