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Ifo-Index fällt erneut deutlich

26. September 2022

Steigende Preise, vor allem für Energie, und das Gegensteuern der Zentralbanken wirken sich immer mehr auf die Wirtschaft aus. Dabei sind noch nicht einmal die Auswirkungen der Pandemie überwunden.

Hamburg | Containerhafen
Bild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich angesichts des Ukrainekrieges und der Nachwirkungen der Pandemie deutlich verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima fiel im September zum Vormonat um 4,3 Punkte auf 84,3 Zähler, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Montag mitteilte. Das ist der niedrigste Stand seit Mai 2020. Experten hatten mit einer Eintrübung gerechnet, allerdings nur auf 87 Punkte. Schon in den Monaten zuvor hatte sich die Stimmung zumeist eingetrübt.

"Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession", kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die befragten Unternehmen bewerteten sowohl ihre aktuelle Lage als auch die zu erwartende Entwicklung schlechter. Die Industrie schaue mit großer Sorge auf das nächste halbe Jahr, sagte Fuest. Das Geschäftsklima trübte sich auch in allen betrachteten Sektoren ein, also in der Industrie, unter Dienstleistern, im Handel und im Baugewerbe. Im Einzelhandel seien die Geschäftserwartungen auf ein historisches Tief gefallen, erklärte das Institut.

"Dickes Minus auf allen Fronten"

"Wir sehen ein dickes Minus auf allen Fronten", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Vor allem die energieintensiven Branchen blicken äußerst pessimistisch auf den Winter."

Die Stimmung habe sich in nahezu allen Branchen verschlechtert. Der gesamte Ifo-Index signalisiere mehr denn je eine Rezession im Winterhalbjahr, betonte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Der Energiepreisschock lasse die Kaufkraft der Konsumenten einbrechen und mache die Produktion vieler Unternehmen unrentabel. "Deutschland ist durch die massiv verteuerten Energieimporte ärmer geworden", sagte Krämer. "Wir stehen vor einem wirtschaftlich schwierigen Winter."

Im Dienstleistungssektor brach das Ifo-Barometer ein. Insbesondere das Gastgewerbe befürchtet demnach schwere Zeiten. Auch im Bauhauptgewerbe sank der Index merklich. Im Handel hat sich das Geschäftsklima nochmals verschlechtert. "Im Einzelhandel fielen die Erwartungen sogar auf ein historisches Tief."

Corona-Lockdown im Januar 2021 in KölnBild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Inflation belastet weiter stark

Keine Entspannung ist dabei bei der Inflation in Sicht. "Die Preiserwartungen sind wieder gestiegen, mehr als jedes zweite Unternehmen hat Preiserhöhungen angekündigt." Zuletzt waren die Verbraucherpreise in Deutschland im August um 7,9 Prozent gestiegen. Die Bundesbank rechnet für September mit einem weiteren Preisschub und hält zweistellige Inflationsraten in den kommenden Monaten für möglich.

Die Teuerung setzt dem Einzelhandel zu. Die Geschäftserwartungen in der Branche seien so schlecht wie nie zuvor, sagte Wohlrabe. "Auch im Gastgewerbe sind die Sorgen sehr groß." Die Unternehmen befürchteten, dass sich die Gäste wegen der steigenden Energiepreise zurückhalten werden. Einziger Lichtblick sei der Maschinenbau: Hier schätzten die Unternehmen ihre aktuelle Lage besser ein als im vergangenen Monat.

Die deutsche Wirtschaft leidet unter einer Vielzahl krisenhafter Entwicklungen. Allen voran steht der Krieg Russlands in der Ukraine, der die Unsicherheit erhöht hat. Hinzukommen die Energiekrise, Probleme im Welthandel und steigende Leitzinsen, die Kredite verteuern.

Abgesperrtes Wohnviertel Anfang Juni in Shanghai Bild: Hecotr Retamal/AFP

Auswirkungen von Chinas Null-Covid-Politik 

Außerdem ist die Pandemie nicht überwunden: Vor allem Chinas Anti-Corona-Politik sorgt immer wieder für Belastungen im Welthandel, etwa weil der Betrieb in Häfen oder Fabriken wegen Eindämmungsmaßnahmen gestört ist.

"Kurzfristig lässt sich wegen anhaltend hoher Gas- und Konsumentenpreise, der Versorgungsunsicherheit, der geopolitischen Risiken und der steigenden Zinsen nicht erkennen, dass die Stimmung der deutschen Wirtschaft schon bald auf Erholungskurs geht", sagte Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen. An dem Plan der Europäischen Zentralbank, die Zinsen weiter zu erhöhen, werde sich kaum etwas ändern. Ein konjunktureller Abschwung werde in Kauf genommen.

Das Ifo-Geschäftsklima ist Deutschlands wichtigster konjunktureller Frühindikator. Es basiert auf einer monatlichen Umfrage unter etwa 9000 Unternehmen.

Energieintensive Unternehmen, wie etwa aus der Glasindustrie, leiden besonders unter den hohen GaspreisenBild: picture-alliance/dpa/M. Reichel

Keine Kündigungswelle

Der Arbeitsmarkt dürfte dagegen trotz der befürchteten Rezession weitgehend stabil bleiben. Die Beschäftigungserwartungen der befragten Unternehmen seien zwar zurückgegangen, aber die Firmen versuchten, ihre Mitarbeiter soweit wie möglich zu halten, sagte Wohlrabe.

Im Frühjahr hat die deutsche Wirtschaft trotz der Folgen des Ukraine-Krieges noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent geschafft. Derzeit sind die Perspektiven wegen der verschärften Energiekrise und der hohen Inflation aber düster.

Die Bundesbank rechnet damit, dass die Wirtschaft im zu Ende gehenden Sommer-Quartal voraussichtlich etwas schrumpft, dann Ende 2022 und Anfang 2023 sogar merklich Fahrt verliert.

Die Industriestaatenorganisation OECD erwartet, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um 0,7 Prozent schrumpft. Zugleich soll die Inflation mit 7,5 Prozent vergleichsweise hoch bleiben.

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tko/ hb (rtr, dpa, ifo)

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