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VW: Drei Werke und tausende Stellen auf der Kippe

29. Oktober 2024

Ein Schock für die Mitarbeitenden: Laut Betriebsrat will Volkswagen mindestens drei Werke schließen und tausende Stellen abbauen. Wie konnte es dazu kommen?

Wolfsburg Informationsveranstaltung des Gesamtbetriebsrates der Volkswagen AG
Entsetzen bei den VW Mitarbeitern. Am Montag erfuhren sie über den Gesamtbetriebsrat von den geplanten Maßnahmen des ManagementsBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Während auf der Presseseite des Autobauers Volkswagen noch der neue Tayron SUV bejubelt wird, kommen die brisanten Nachrichten über die Betriebsratschefin Daniela Cavallo. VW, der zweitgrößte Autobauer der Welt, plane, zehntausende Stellen abzubauen und in Deutschland mindestens drei VW-Werke zu schließen.

Diese Ankündigung hat Schockwellen ausgelöst. "Kaum ein Unternehmen ist ein so starkes Symbol für das Wirtschaftswunder, den großen Wohlstand und die globale Reputation von Produkten 'Made in Germany' wie Volkswagen", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW).

Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, verkündet am 28.10.2024 die schlechten NachrichtenBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Volkswagen in der Krise

Einer der Gründe für die Krise bei VW ist die zurückhaltende Kauflaune. Die trifft auch andere deutsche Autobauer. Im ersten Halbjahr ist der Umsatz der Branche um 4,7 Prozent zurückgegangen - ein Jahr vorher wurden noch Rekordumsätze gefeiert. Auch E-Autos werden seit Anfang des Jahres weniger gekauft. Inzwischen haben BMW, Mercedes und Stellantis (der Mutterkonzern von Opel) und eben auch Volkswagen samt der Sportwagentochter Porsche ihre Erwartungen an das Geschäftsjahr reduzieren müssen.

Dabei hatte Deutschlands größter Autobauer VW im vergangenen Jahr noch einen Gewinn von über 18 Milliarden Euro eingefahren und konnte viereinhalb Milliarden Euro für Dividenden ausschütten.

Nach wie vor mache Volkswagen satte Gewinne, auch wenn die Rendite inzwischen gesunken sei, urteilt Fratzscher. Er sieht die Schuld bei zu hohen Kosten, bei gewährten Rabatten und fallenden Preisen in einem härter werdenden globalen Wettbewerb.

Bereits im vergangenen Jahr hat VW ein Effizienzprogramm aufgelegt mit dem Ziel, zehn Milliarden Euro bis 2026 zu sparen, um so die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Bereits Ende September hieß es aus dem Konzern, es solle noch mehr gespart werden.

Produktion ist zu niedrig

Das nun Werke zur Disposition stehen, liegt auch daran, dass sie schon länger nicht mehr ausgelastet sind. Der Autoabsatz in Europa sei deutlich gesunken und liege um zwei Millionen Autos unter dem Vor-Corona-Niveau, erklärt Finanzchef Arno Antlitz. Für VW heiße das, der Konzern verkaufe eine halbe Million Autos weniger - das entspreche der Produktion von zwei Werken.

Krise bei Volkswagen

01:52

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Ein Problem, das nicht nur VW hat. Die Werke der deutsche Autobauer seien im Schnitt zu ungefähr zwei Dritteln ausgelastet, sagt Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach im Gespräch mit der DW. Wann ein Werk profitabel ist, hängt unter anderem vom dort gebauten Modell ab, "aber man kann so grundsätzlich sagen, die Auslastung muss eigentlich über 80 Prozent liegen", so der Autoexperte.

Besonders schlecht sieht es in Westeuropa aus, in Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien, wie die Wirtschaftswoche berichtet. Dagegen wird in Ländern wie Spanien, der Türkei, der Slowakei und Tschechien immer noch eine Auslastung von 79 Prozent erzielt. In diesen Ländern sind die Löhne niedriger als in Deutschland.

Hohe Arbeitskosten in Deutschland

Generell sind in den Autowerken in Deutschland die Arbeitskosten so hoch wie in keinem anderen Land. Sie lagen 2023 bei über 62 Euro pro Stunde, wie der Branchenverband VDA angibt. Im Vergleich dazu liegen sie in Spanien bei 29 Euro, in Tschechien bei 21 Euro und in Rumänien bei nur zwölf Euro.

Trotz der hohen Löhne wurden 2023 nirgendwo in Europa in absoluten Zahlen mehr Pkw produziert als in Deutschland - allerdings mit sinkender Tendenz. Inzwischen ist die Produktion im Vergleich zu 2018 rund 25 Prozent niedriger, so Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Von den über vier Millionen produzierten Pkw waren knapp ein Viertel rein elektrisch.

Volkswagen hat den Standort Emden auf E-Mobilität umgerüstet: Das Werk ist aber - wie andere auch - nicht voll ausgelastetBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Zehn Prozent weniger Lohn

Sind die Löhne in der deutschen Autobranche schon hoch - am meisten verdienen die 120.000 in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter von VW. Das liegt daran, dass sich VW keinem Flächentarifvertrag angeschlossen hat, sondern mit der IG Metall einen eigenen Tarifvertrag vereinbart, der nur für VW-Mitarbeiter gilt.

Die vereinbarten Löhne lagen immer deutlich über dem Niveau des Flächentarifvertrages der Metallindustrie. Besonders war auch, dass die Menschen bei Volkswagen seit dreißig Jahren eine Jobgarantie hatten, die ursprünglich noch bis 2029 laufen sollte.

Abschied vom Selbstverständnis als starke Industrienation?

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Nun verlangt das Management von VW nach Aussagen der Betriebsratschefin Cavallo, dass alle Löhne um zehn Prozent gekappt werden. Davon soll auch das Management selbst betroffen sein. Außerdem soll es in den kommenden zwei Jahren keine Lohnerhöhungen geben.

Premium-Modelle machten Made in Germany möglich

Wie aber kommt es, dass eine teure Produktion in Deutschland möglich war? Das Erfolgsrezept waren teure Premium-Modelle, die hohe Margen brachten. Etwa drei Viertel der Autos wurden exportiert. Im Schnitt ging jeder fünfte exportierte Wagen nach China.

Mit günstigen Modellen, die in großen Stückzahlen verkauft werden, bei denen aber die Marge geringer ist, wäre eine Produktion in Deutschland nicht möglich gewesen, so eine Studie des IW. Deswegen hätten beispielsweise die französischen und italienischen Hersteller ihre Produktion schon länger an günstigere Standorte verlegt.

Auch Autoexperte Bratzel sieht das ähnlich: "Es ist einfach extrem schwer, am Standort Deutschland günstige Fahrzeuge, auch günstige Elektrofahrzeuge zu produzieren." Zuletzt habe das die Firma e.Go in Aachen versucht und sei dabei insolvent gegangen.

China verdrängt andere Autobauer aus dem Markt

Mittlerweile bekommen die deutschen Autobauer zu spüren, dass in den vergangenen Jahren in China eine neue Konkurrenz herangewachsen ist - im E-Autobereich und auch im Premiumsegment. "Fast ein Drittel der weltweit gebauten Kraftfahrzeuge kommen inzwischen aus chinesischen Fabriken, die weitaus billiger produzieren, als es hierzulande möglich wäre", so Puls vom IW.

Export schwächelt: In China sind die Premiummodelle von VW nicht mehr so interessant wie vor ein paar JahrenBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Während die deutschen Autobauer sich noch behaupten konnten, haben andere westeuropäische Autoproduzenten bereits seit der Jahrtausendwende schmerzhaft zu spüren bekommen, dass in Asien - und hier vor allem in China - immer mehr Fahrzeuge produziert und verkauft wurden. Schaut man auf Westeuropa ohne Deutschland, dann sank die Pkw-Produktion in diesem Zeitraum um knapp 40 Prozent. In Frankreich und Italien rollten nur noch halb so viele Wagen vom Band wie im Jahr 2000.

Außerdem haben die deutschen Hersteller durch die Umstellung auf E-Mobilität ihren technologischen Vorsprung eingebüßt, den sie bei Verbrennermotoren hatten. "Zudem öffnet der Technologiewandel die Tür für Markteintritte neuer Wettbewerber, deren Kernkompetenzen im Bereich der Batterie- und Elektrotechnik liegen", so die Studie des IW.

Hinzu komme, dass die Autobauer im Bereich Elektromobilität erst einmal Erfahrungen sammeln mussten, erläutert Bratzel. In der Anfangszeit seien die Kosten höher. "Das ist auch der Grund, weswegen in China die Situation deutlich besser ist, weil die schon sehr viel mehr Erfahrungen gesammelt haben und auch entsprechend Effizienzverbesserungen umgesetzt haben", so Bratzel.

Große Gegensätze: VW versus Gewerkschaften

Werksschließungen, Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen stehen im krassen Gegensatz zu den Forderungen der Gewerkschaft IG Metall: unter anderem sieben Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten.

Im Anschluss an die erste Verhandlungsrunde erklärte die IG Metall, das VW-Management habe Charts vorgelegt, die den Deutschland-Malus von Volkswagen deutlich machen sollten. Hohe Personalkosten seien aber nicht alles, so die Position der Gewerkschaft. Management-Fehler, gravierende Fehleinschätzungen in der Vergangenheit und Belastungen wie der Dieselskandal seien nicht erwähnt worden. Und die lägen nicht in der Verantwortung der Mitarbeiter.

Die Auslastung des VW Werks in Wolfsburg lag 2023 nur bei etwas über 56 ProzentBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Auch von Seiten der deutschen Regierung wurde verkündet: Die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz sei, "dass mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen dürfen".

Trotz der Schockwellen - der geplante Umbau dürfte mittelfristig und unmittelbar nur geringe Auswirkungen auf die Konjunktur in Deutschland haben, glaubt Fratzscher. Denn im Vergleich zu den 46 Millionen Beschäftigten in Deutschland sei der Arbeitsplatzabbau bei VW eher gering.

"Die VW-Beschäftigten sind exzellent ausgebildet, und Deutschland hat heute einen riesigen Fachkräftemangel", sagte der Ökonom. Daher hätten die VW-Mitarbeiter "beste Chancen, schnell und gut neue Arbeit zu finden".

Am Mittwoch (30.10.2024) treffen sich VW-Management und die Gewerkschaft IG Metall zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde über den VW-Haustarif.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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