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PolitikNahost

IGH weist Eilantrag gegen Deutschlands Israel-Hilfen ab

1. Mai 2024

Deutschland wird von Nicaragua der Beihilfe zum Völkermord beschuldigt, wegen Rüstungslieferungen an Israel. Doch der Internationale Gerichtshof sieht keinen Grund, diese zu stoppen. Das Verfahren geht jedoch weiter.

Die Richterinnen und Richter des Internationalen Gerichtshofs (IGH) nehmen im Gerichtssaal in Den Haag Platz
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat den Antrag Nicaraguas auf einstweilige Maßnahmen gegen Deutschland abgewiesenBild: Peter Dejong/AP/picture alliance

Ein bisschen war die Erleichterung bei der deutschen Delegation nach der Verkündung der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) spürbar.

Das höchste UN-Gericht wies einen Eilantrag Nicaraguas gegen Deutschland ab. Auf der "Grundlage der Sachinformationen und rechtlichen Argumente" gebe es keine Grundlage, die von Nicaragua geforderten Sofortmaßnahmen gegen Deutschland zu verhängen, urteilten die Richterinnen und Richter in Den Haag. Das Urteil bedeutet unter anderem, dass Deutschland seine Rüstungsexporte nach Israel nicht stoppen muss.

Auf dieses Ergebnis habe man gehofft, sagte die Leiterin der deutschen Delegation, Tania von Uslar-Gleichen, im Anschluss zu Journalisten. "Wir freuen uns, dass unsere Argumente das Gericht überzeugen konnten."

Nicaragua hatte Deutschland Anfang März vor dem IGH verklagt. Der Vorwurf: Deutschland verstoße mit Waffenlieferungen an Israel und dem Zurückhalten von Geldern an das Palästinenserhilfswerk UNRWA gegen die Völkermordkonvention und andere Regeln des internationalen humanitären Völkerrechts. Das sei "Beihilfe zur Verübung eines Völkermordes". Nicaragua hatte zudem einen Eilantrag gestellt, dass der IGH noch vor Ende des womöglich mehrere Jahre dauernden Verfahrens fünf Sofortmaßnahmen durchsetzt, darunter dass Deutschland seine Waffenlieferung an Israel einstellt und die Hilfsleistungen für UNRWA wieder aufnimmt.

Die deutsche Prozessbevollmächtigte Tania von Uslar-Gleichen bei der Verlesung der Entscheidung des IGHBild: Piroschka Van De Wouw/REUTERS

Deutschland will wieder Geld an Palästinenser-Hilfswerk zahlen

Deutschland hatte im Januar seine Zahlungen an UNRWA ausgesetzt. Grund dafür waren unter anderem Vorwürfe Israels, Mitarbeiter des Hilfswerks seien an den Massakern der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen. Die Hamas, die von Israel, Deutschland, der Europäischen Union (EU), den USA und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, soll außerdem das Hilfswerk unterwandert haben.

Die Bundesregierung hat inzwischen angekündigt, dass sie ihre Zusammenarbeit mit UNRWA fortsetzen will, nachdem ein UN-Bericht Vorschläge zur Verbesserung der Hilfswerks gemacht hat.

Deutschland gilt neben den USA als engster Verbündeter Israels und versprach dem Land nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober Unterstützung. Die Terroristen töteten damals mehr als 1100 Menschen und verschleppten mehr als 250 als Geiseln. Bei den darauffolgenden Militäraktionen Israels im Gazastreifen kamen laut der von der Hamas kontrollierten palästinensischen Gesundheitsbehörde mehr als 34.000 Menschen ums Leben. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Israel rechtfertigt seine Militäraktionen mit dem Recht auf Selbstverteidigung.

IGH: keine Sofortmaßnahmen gegen Deutschland notwendig

Bei den Anhörungen am IGH hatte Deutschland vorgetragen, dass ein strenges Verfahren sicherstelle, dass bei den Waffenlieferungen an Israel alle internationalen Verpflichtungen eingehalten würden.

Außerdem habe Deutschland seit dem 7. Oktober Israel nur zu zwei Prozent Kriegswaffen geliefert, 98 Prozent seien sonstige Rüstungsgüter gewesen. Zudem sei der Wert der Rüstungsgüter, die seit dem 7. Oktober für den Export an Israel freigegebenen wurden, von zuvor 200 Millionen Euro auf eine Million Euro im März gesunken.

Der nicaraguanische Botschafter in den Niederlanden Carlos Jose Arguello Gomez (r.) beim IGH in Den Haag Bild: Piroschka Van De Wouw/REUTERS

Die Entscheidung des IGH, keine Sofortmaßnahmen gegen Deutschland zu verhängen, sei zu erwarten gewesen, sagte der Völkerrechtler Stefan Talmon von der Universität Bonn im Gespräch mit der DW.

Geschlagen geben will sich Nicaragua aber nicht. Nach der Urteilverkündung betonte der nicaraguanische Prozessvertreter Carlos José Aguello Gomez, sein Land werde Deutschlands Verhalten weiterhin sehr genau beobachten und falls nötig wieder an das Gericht herantragen. Außerdem stehe das Verfahren erst an seinem Beginn. Zu einem späteren Zeitpunkt wolle Nicaragua alle Fakten präsentieren, die es habe.

Das IGH-Verfahren gegen Deutschland ist noch nicht vorbei

Ob es jedoch tatsächlich zu einem Hauptverfahren kommt, ist derzeit unklar. Der Forderung Deutschlands, die Klage Nicaraguas völlig abzuweisen, entsprach der IGH nicht. Dies wäre nur möglich, wenn der IGH offensichtlich gar nicht zuständig sei, so die Begründung. 

Völkerrechtler Talmon geht davon aus, dass Deutschland im nächsten Verfahrensschritt Einwände gegen die Gerichtsbarkeit und gegen die Zulässigkeit der Klage erheben wird. Er erwarte nicht, dass es eine Verhandlung in der Hauptsache geben werde, so Talmon. Ein solches Hauptverfahren könnte sich über Jahre hinziehen.

Was bedeutet die IGH-Entscheidung für Deutschland?

Die deutsche Regierung begrüßte die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs. Auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter) schreibt das Auswärtige Amt "Niemand steht über dem Recht. Das leitet unser Handeln." 

Aus Sicht von Juraprofessor Talmon ist die IGH-Entscheidung sogar eine Bestätigung für das Vorgehen der Bundesregierung. "Deutschland kann jetzt sagen, dass der Gerichtshof in der deutschen Haltung keine Veranlassung für einstweilige Maßnahmen sieht, um irgendwelchen Völkerrechtsverstößen vorzubeugen." Die Fortsetzungen von Waffenlieferungen etwa seien jedoch nur unter der Prämisse, dass man seine Sorgfaltspflichten einhalte, betonte Talmon.

Der IGH erinnerte die gesamte Staatengemeinschaft in seiner aktuellen Entscheidung noch einmal an ihre internationalen Verpflichtungen bei der Lieferung von Waffen an Parteien in bewaffneten Konflikten. Außerdem brachte das Gericht seine "tiefe Sorge über die katastrophalen Lebensbedingungen" der Palästinenser im Gazastreifen zum Ausdruck.

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