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Bedrohte Gemeinden am Amazonas

Zoe Sullivan
4. Oktober 2018

In Brasilien kämpfen angesichts der Bedrohung durch Großunternehmen, Bergbau und Umweltzerstörung indigene Gemeinden um ihr Land. In manchen Fällen geht es ums Überleben.

Brasilien Para Itaituba Amazonas Rio Tabajos
Bild: Imago/Westend61

Anfang des Jahres musste Ageu Lobo Perreira fliehen. Das Oberhaupt  der indigenen Gemeinschaft Montanha-Mangabal  im Amazonasgebiet  hatte erfahren, dass sein Leben und das von zwei Gemeindemitgliedern bedroht waren. Als die Warnung kam, war Perreira unterwegs, um die Grenzen ihres Gebietes zu markieren, das auch von der Regierung anerkannt worden war.

Auf ihrem Land hatten sie Hinweise auf illegalen Bergbau gefunden. Auch das Wasser war teilweise durch Rückstände aus der Goldförderung vergiftet. Die Goldgräber sahen durch die Markierungsarbeiten ihre Existenzgrundlage bedroht, sagt Perreira. Ihre Botschaft war klar: Wenn sich ihnen Perreira oder andere Gemeindemitglieder in den Weg stellten, würden sie sie töten. Montanha-Mangabal liegt am Tapajos-Fluss nahe der Stadt Itaituba im Norden Brasiliens.

"In der ersten Phase des Prozesses haben uns illegale Holzfäller bedroht", sagt das Gemeindeoberhaupt. "In der zweiten gerieten wir an kleine Bergleute. Sie erkannten, dass sich ihre Aktivitäten nicht mehr rentieren würden und bedrohten uns."

Perreira versteckte sich einen Monat lang, während die Bundespolizei anfing, die Bergleute zu befragen. Dadurch wurden die Spannungen noch größer.

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Der Goldrausch der 1980er Jahre ist vorbei, aber Goldsucher hoffen auf dem Tapajos-Fluss immer noch auf den großen Fund Bild: Imago/Westend61

Nach seiner Rückkehr wandte sich die Gemeinde an die brasilianischen Behörden, in der Hoffnung auf Unterstützung. "Wir haben sie um Kontrollen und Ermittlungen gebeten. Jetzt hoffen wir, dass das auch wirklich passieren wird", sagt Perreira. Er fügt hinzu, dass die Behörde, die für Landrechte zuständig ist, Brasiliens Nationales Institut für Kolonialisierung und Agrarreform (INCRA), nicht der Verpflichtung nachgekommen sei, ihr Gebiet zu markieren. Er glaubt, die sowieso schon isolierte Gemeinde sei dadurch noch angreifbarer geworden. 

Alte Traditionen, die auf den Goldrausch zurückgehen

Bergbau spielt eine wichtige Rolle im Bundesstaat Pará, in dem auch die Gemeinde Montanha & Mangabal liegt. Seit den 1980er Jahren hat der Goldrausch ganze Landstriche verwüstet.

Die Zeiten sind zwar vorbei, als sich Hunderte auf die Tagebau-Minen stürzten, um dort ihr Glück zu machen, wie es ein Bild von Fotograf Sebastiao Salgado auf dramatische Art zeigt. Doch sowohl Anwohner  als auch Wissenschaftler berichten weiterhin von verschmutzten Flüssen, die noch immer auf die heutige Bergbautätigkeit zurückgeht. 

"Der Bergbau mit Maschinen hat tragische Auswirkungen", sagt Perreira. Schwere Fahrzeuge wie Bagger und Schwimmbagger, die im großangelegten Bergbau eingesetzt werden, zerstören den Wald, der zahllose Tiere, unter ihnen auch Tapire und Jaguare, beheimatet. 

Selbst der Abbau in kleineren Minen in der Gegend hat Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen.

"An das Feingold, das heute geschürft wird, kommt man am besten mit Quecksilber", sagt Jose Pacheco Peleja, der das Labor für Umweltbiologie an der Staatlichen Universität von West-Para leitet.

Wenn man Quecksilber verwendet, um Gold von anderen Stoffen in der Erde zu trennen, kann es in Boden und Wasser sickern und Nahrungsmittel, die dort wachsen, vergiften. Ist man dem Schwermetall über längere Zeit ausgesetzt, kann das massive gesundheitliche Schäden verursachen.

Immer mehr Morde

2013 verlieh die staatliche Behörde INCRA der Gemeinde Montanha-Mangabal einen Status, der ihnen das Recht auf ihr angestammtes Land gibt, so dass die Menschen ihr traditionelles Leben als Jäger, Fischer und Sammler weiterführen können. Dafür hatten die Bewohner lange gekämpft. Sie betreiben nach eigenen Angaben keinen Bergbau.

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Trotzdem sagen sie, dass sie kaum Schutz genießen und sich immer wieder gegen gewaltsame Bedrohungen durch Agrarindustrie, Bergbau und Holzfäller wehren müssen. Das Problem wird noch zusätzlich verschärft, weil das Budget für die Nationale Stiftung für Indigene Angelegenheiten (FUNAI) und das Umweltschutzprogramm Brasiliens im Jahr 2017 dramatisch gekürzt wurde. 

INCRA sagt, sie arbeite mit den Montanha-Mangabal, um mithilfe von GPS ihr Gebiet zu markieren Bild: Incra

Es ist eine Geschichte, wie sie sich überall in Brasilien immer wieder abspielt. Die von der katholischen Kirche geführte Comissão Pastoral da Terra (CPT), die Morde im Zusammenhang mit Landstreitigkeiten erfasst, sagt, dass 2017 eines der brutalsten Jahre seit langem gewesen sei. Die Zahl der Morde stieg im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent.

Im Bundesstaat Para war es am schlimmsten. Im Zusammenhang mit Landstreitigkeiten wurden dort 21 Menschen ermordet.

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Die Bundespolizei, die für Fälle von Landfriedensbruch und illegaler Landnutzung zuständig ist, wollte sich dazu nicht im Interview äußern. INCRA sagt gegenüber DW, man arbeite an der Markierung der Grundstücksgrenzen und es seien noch 30 Kilometer der Grenze zu markieren. Die Arbeit daran solle im Oktober wieder aufgenommen werden.

Die Behörde untersucht auch die Gemeinde Montanha-Mangabal, um ein Inventar der bestehenden Bauwerke, wie Häusern und Brunnen, zu erstellen. Zudem erfasst sie die Einwohner. Bislang habe man 5 Bergleute identifiziert, die nicht zur Gemeinde gehörten.

Ein tief verwurzelter Konflikt zwischen Einheimischen und Schürfern

Die Grenzen zu markieren, wird nicht alle Probleme der Gemeinde in Sachen Landfriedensbruch lösen. Vor allem dann nicht, wenn neue, große Infrastrukturprojekte mit den Landrechten der indigenen Gemeinden kollidieren und Auswirkungen auf die Umwelt haben, sagt Marco Antonio Silva Lima. Er leitet die  Abteilung Wissenschaft und Technologie, im Sekretariat für Wissenschaft, Technologie, professionelle und technische Bildung im Bundesstaat Para.

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"Diese Konflikte sind historisch," sagte Silva Lima gegenüber der DW. "Momentan gibt es riesige Investitionen in logistische Systeme, um Soja zu transportieren und Dämme für Wasserkraftwerke zu bauen. Und das macht den Konflikt, den es sowieso schon gibt, noch viel schlimmer. Das ist wirklich besorgniserregend."

Indigene Gemeinden wie die Munduruku protestieren seit Jahren gegen Dämme und Wasserkraftwerke am Tapajos-Fluss Bild: Imago/Fotoarena/A. Barbosa

Gegen den Widerstand von Naturschützern und indigenen Gruppen, plant Brasilien den Bau mehrerer Dämme im Becken des Tapajos-Flusses. Sie sagen, dass die Dämme ein artenreiches Ökosystem überschwemmen würden, das reich an Pflanzen und Tieren ist.

Um indigene Gruppen zu schützen, fordert Silva Lima einen strategischen Entwicklungsplan für die Tapajos-Region, der alternative Jobs für kleine Bergleute und Holzfäller schaffen würde.

"Aus meiner Sicht müssten dabei Akteure auf lokaler, nationaler und bundesstaatlicher Ebene einbezogen werden, um Mechanismen für den Dialog zu haben", sagt Silva Lima. Die Gemeinschaften könnten nur dann überleben, wenn ihre Stimme von Wirtschaft und Regierung gehört werde.

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