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Illegaler Wildtierhandel - die Rolle von Facebook & Co

Ajit Niranjan
30. September 2019

Auf Facebook findet ein reger, oft illegaler Handel mit Reptilien statt. Naturschützer sagen, die Internetriesen tun zu wenig gegen den Wildtierhandel. Eine Schlüsselrolle spielt auch eine Reptilienmesse in Deutschland.

Ein Chamäleon sitzt auf einem Ast in einem Terrarium auf der Reptilienmesse Terraristika
Bild: picture-alliance/dpa/W. Thieme

Die Eidechsen in ihren Plexiglas-Behältern sind regelrecht panisch, die Schildkröten kriechen langsam und schwerfällig hin und her. Sie wollen raus, doch es gibt kein Entkommen. Die Reptilien werden auf der Terraristika, Europas größter Reptilienmesse, verkauft. Oft in kleinen Kisten ausgestellt, werden sie für einige tausend Euro angeboten. Die Messe soll eine wichtige Drehscheibe für den illegalen Wildtierhandel sein. 

Viermal im Jahr findet sie im nordrheinwestfälischen Hamm statt und zieht tausende Reptilienfans an. Sie kaufen exotische Tiere, von münzgroßen Glasfröschen über Taranteln bis hin zu Giftschlangen. In der freien Wildbahn sind einige dieser Arten bereits vom Aussterben bedroht.

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Die Terraristika ist ein Riesen-Marktplatz. Nicht nur vor Ort auf dem Gelände, auch im Internet knüpft, rund um die Messe, eine globale Online-Community aus Händlern und Reptilienliebhabern ihre Kontakte. Interessierte Käufer suchen im Netz nach Tieren und holen sie auf der Terraristika ab. Manchmal finden die Geschäfte auch nur am Rande der Veranstaltung statt - da, wo keiner so genau hinschaut, zum Beispiel auf den Parkplätzen. Über Facebook-Gruppen organisieren Verkäufer, wo die Tiere abgeholt werden können. Besitzer geben Pflegetipps in Internetforen und auf Youtube posten Käufer Videos, die zeigen, wie sie auf der Messe gekaufte Tiere auspacken.

Lebende Reptilien machen in Deutschland den Großteil des Geschäfts mit Wildtieren aus. Zu dem Ergebnis kommt ein Bericht, den die Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW) im Jahr 2018 veröffentlicht hat.

Die meisten Anzeigen fanden die Forscher in Internetforen. Sie entdeckten aber auch geschlossene Facebook-Gruppen, deren Namen auf Reptilienhandel hindeuteten.

Besucher der Terraristika können allerlei Reptilien kaufen, darunter auch Schlangen.Bild: DW

Eine DW-Recherche ergab: Auch in Facebook-Gruppen wie Terraristika Hamm — MARKTPLATZ und Hamm and Houten Reptile Classifieds standen bedrohte Reptilienarten zum Verkauf.

Einige der angebotenen Tierarten sind durch das Washingtoner Artenschutzabkommen, auch CITES genannt, geschützt. 183 Staaten haben das Abkommen unterzeichnet, das den Handel mit bedrohten Wildtieren einschränkt und teilweise ganz verbietet.

Dabei ist wichtig zu wissen: Bei den gehandelten Reptilien handelt es sich nicht immer um Fälle von Wilderei. Oft werden die Tiere auch in Gefangenschaft gezüchtet, sodass sie in einigen Fällen ganz legal gekauft und verkauft werden können. Doch Naturschutzverbände befürchten, dass aufgrund des kaum regulierten Online-Handels auch gewilderte oder illegal gezüchtete Tiere im Internet verkauft werden.

In einer Gruppe beschwerte sich ein Käufer darüber, dass die Eidechsen, die er über Facebook gekauft hatte, die Lieferung per Post nicht überlebten. "Gib mir 1200 euro [sic]", schrieb er in einer privaten Nachricht an den Verkäufer, und setzte einen lachenden Emoji dahinter. "Du hast tote Tiere geschickt." Den Screenshot der Nachricht veröffentlichte er in der Gruppe.

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Öffentlich und doch unsichtbar

DW hat Facebook mehrfach um eine Stellungnahme gebeten, doch der Konzern war nicht dazu bereit. Konfrontiert mit den Screenshots der einschlägigen Seiten, bedankte sich der Sprecher einer von Facebook beauftragten PR-Firma für die "Weitergabe der Beispiele von Gruppen, die mit dem Verkauf gefährdeter Tiere werben". Facebook hat die Gruppen daraufhin gelöscht.

Die Unternehmensrichtlinien von Facebook legen fest, dass Nutzer keine Werbung für den Verkauf von Tieren posten dürfen. Der Konzern ist Mitglied der sogenannten Coalition to End Wildlife Trafficking Online, einer Vereinigung von Naturschutzorganisationen, Internetfirmen und Technologie-Riesen wie eBay, Baidu und Google, die den illegalen Wildtierhandel im Internet beenden wollen.

Einige im Internet gehandelte Reptilien fallen unter Bestimmungen und Verbote des Washingtoner Artenschutzabkommens, auch CITES genanntBild: Imago Images/blickwinkel

Aber Naturschutzgruppen befürchten, dass die Möglichkeit, lebende Tiere auf Facebook und anderen Plattformen zu kaufen, den Markt für Schmuggler erst richtig eröffnet hat. Der Online-Handel mit Wildtieren sei ein "extremes Problem", sagt Katharina Lameter, Biologin bei der Naturschutzorganisation Pro Wildlife, denn er mache gefährdete Tiere für "ganz normale Menschen" zugänglich.

"Das bedeutet, dass jeder inserieren kann. Es gibt unglaublich viele Arten im Angebot und jeder kann diese Tiere kaufen, ohne sie jemals gesehen zu haben. Oft werden die Tiere von Reptilienmessen aus verschickt oder gleich dort abgeholt", sagt Lameter der DW.

Im Gegensatz zu Drogen oder Waffen werden Wildtiere selten im Darknet gehandelt - jener Ecke im Internet, wo man verbotene Güter anonym kaufen kann. Was dort angeboten wird, sind meist nur einzelne Körperteile wie Stoßzähne von Elefanten, Nashorn oder die Schuppen des Pangolins. Lebende Tiere sind selten, denn Händler bevorzugen dafür normale Online-Plattformen, die den Zugang zu größeren Märkten ermöglichen.

"Cyberkriminalität steht im Fokus, weil das Internet eine Plattform ist, wo man illegale Waren auf einfache Weise anonym platzieren und anbieten kann - dazu gehören auch Wildtiere", sagt Sergio Tirro, Experte für Umweltverbrechen bei Europol, der europäischen Polizeibehörde, zuständig für grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. "Es ist leicht, Finanzströme zu verbergen, wenn man eine Prepaid-Karte nutzt."

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Auch Gesetzeslücken machen es Strafverfolgern schwer, Wildtierhändler auf frischer Tat zu ertappen. So steht etwa Deutschland im Zentrum des illegalen Handels mit Reptilien aus Sri Lanka, wie eine im April veröffentlichte Untersuchung von TRAFFIC zeigt, einer Organisation, die regelmäßig Zahlen zum internationalen Wildtierhandel erhebt.

Reptilien sind beliebte Haustiere. Sie werden online gehandelt, aber auch offline wie auf dieser MesseBild: picture-alliance/Y. Tylle

Mehr als die Hälfte aller Reptilienarten in Sri Lanka sind bedroht. Die Regierung hat den Export von lebenden Tieren fast vollständig verboten. Doch das nationale Verbot bringt oft nicht viel. Denn sind die Reptilien nicht zusätzlich international durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt, können sie beispielsweise in der Europäischen Union frei gehandelt werden - obwohl das die Gesetze Sri Lankas verletzt. Die EU hat bis heute kein Importverbot für Wildtiere erlassen.

TRAFFIC fand heraus, dass in Facebook-Gruppen und geschlossenen Reptilienforen Arten verkauft werden, die "extrem gefährdet durch übermäßige Ausbeutung" sind. Im Vorfeld der vierteljährlichen Terraristika steigt die Zahl der Online-Werbeanzeigen für gefährdete Reptilien, darunter auch solche, die in Sri Lanka endemisch sind.

In den geschäftigen Messehallen der Terraristika preisen Verkäufer eifrig den "exotischen" Ursprung der angebotenen Reptilienarten an - Sri Lanka, Mexiko oder Vietnam beispielsweise. Sie betonen aber, dass die angebotenen Exemplare in Europa in Gefangenschaft gezüchtet und nicht illegal aus den Herkunftsländern geschmuggelt wurden.

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Aber die Geschäfte, die auf den nahegelegenen Parkplätzen, in Hotelbars oder verdeckt auf der Messe gemacht werden, können die Behörden nur schwer überwachen. Styroporschachteln mit Reptilien wechseln außerhalb des Messegeländes den Besitzer, bevor die Terraristika überhaupt begonnen hat. Händler, die ihre Parkplatz-Geschäfte über das Internet organisieren, werden nicht überprüft und finden Käufer, ohne sich bei der Messe anmelden zu müssen.

Die Veranstalter der Terraristika haben auf die Bitte um Stellungnahme nicht reagiert. Auf Fragen der Nachrichtenagentur dpa antworteten sie aber im August mit einer öffentlichen Erklärung. Demnach arbeiteten die Veranstalter mit den Behörden zusammen, um illegale Aktivitäten zu verhindern. Die Messe sei aber nicht verantwortlich, wenn Tiere mit gefälschten Unterlagen falsch gelistet würden, so wie ein Antiquitätenmarkt auch nicht garantieren könne, dass Verkäufer keine gestohlenen Waren anbieten.

Gegenwehr

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Aber das Internet und die digitalen Medien können auch im Kampf gegen den illegalen Wildtierhandel genutzt werden. Sergio Tirro von Europol sagt, dass Zollbeamte oft Fotos von verdächtigen Exemplaren machen und sie sofort an Experten zur Identifizierung weiterschicken. Reptilien wie etwa Schildkröten können kleine, körperliche Unterschiede aufweisen, die zeigen, ob eine Art gefährdet ist oder nicht. "Man muss das Tier nicht physisch vor sich haben", sagte Tirro.

"Wenn man sehr präzise Bilder hat, kann man das Wesentliche erkennen. Man muss nicht um die ganze Welt reisen, um herauszufinden, ob ein Tier zu einer geschützten Art gehört."

Auch sind nicht alle Internet-Plattformen betroffen. Die DW fand bei eBay keine Reptilien, die zum Verkauf angeboten wurden. Der Konzern erklärte, sein offener Marktplatz eigne sich nicht für den Handel mit lebenden Tieren, da jeder Eintrag öffentlich zugänglich sei. Naturschutzorganisationen bestätigten das.

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Ebay sagte, dass es Algorithmen verwende, um verdächtige Schlüsselwörter zu suchen. Administratoren würden dann alarmiert, um die Angebote zu entfernen. Begriffe wie 'Elfenbein' werden automatisch durch Blockfilter gesperrt. Verkäufer erhalten eine Warnmeldung, sobald sie versuchen, eine Anzeige mit einem unerlaubten Wort zu schalten.

Unklar ist, ob Facebook ähnliche Methoden anwendet. Die DW hat jedoch durch eigene Recherchen mehrere Angebote gefährdeter Arten gefunden, indem sie nach den lateinischen Namen der Tiere gesucht hat. Naturschutzorganisationen fordern von Internetkonzernen strengere Regeln und eine härtere Durchsetzung. Sie geben aber auch zu bedenken, dass, wenn eine Plattform den Wildtierhandel ganz verbietet, Händler einfach zu einer anderen wechseln, wo nicht so streng kontrolliert wird. 

"Es wäre das Beste, wenn der Online-Handel mit allen lebenden Tieren komplett verboten würde", empfiehlt deshalb Biologin Katharina Lameter von Pro Wildlife.

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