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Im Chaos drohen die Seuchen

3. Januar 2005

Eine zweite Krisenwelle bedroht die Tsunami-Opfer in Südasien: Seuchen. Cholera, Malaria und Typhus könnten die Überlebenden zu Tausenden dahinraffen. Was derzeit vor allem fehlt, ist sauberes Trinkwasser.

Kinder und ältere Menschen sind besonders gefährdetBild: AP


Feucht-schwüles Klima mit Temperaturen um die 30 Grad, Pfützen, verwesende Leichen in den Straßen, geschwächte Menschen, die auf engstem Raum leben müssen: Das ist der ideale Nährboden für Krankheitskeime. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtet, dass durch Epidemien noch einmal ebenso viele Menschen ums Leben kommen könnten wie durch die Flutkatastrophe selbst.

Nach der Flut drohen jetzt die Seuchen, besonders in AcehBild: AP

Trinkwasser ist das Wichtigste

Durch die Flutwelle sind Kraftwerke, Wasserpumpen und Leitungen zerstört worden. "Man kann Wasser trinkbar machen, indem man es abkocht", sagt Robert Edelman von der Universität von Maryland, "aber es gibt keinen Brennstoff." Die meisten Menschen hätten auch kein Jod oder Chlor zur Desinfektion. Hausmittel - das Wasser durch Tücher filtern oder in einer Plastikflasche in die Sonne stellen – helfen zwar auch, aber vermutlich seien die Menschen zu traumatisiert, um daran zu denken, befürchtet der Wissenschaftler. Sind die Seuchen erst einmal ausgebrochen, dann hätten wahrscheinlich hunderttausende Verletzte und Obdachlose in der am schwersten betroffenen Region Aceh kaum eine Chance.

Besonders Kinder und ältere Menschen schwebten in akuter Lebensgefahr, berichtete das Care-Nothilfeteam aus der verwüsteten Provinzhauptstadt Banda Aceh. "Viele Kinder leiden bereits an extremen Durchfallerkrankungen und brauchen dringend Hilfe", sagte Brenda Langdorn, Programmdirektor von Care International in Indonesien. Das Meerwasser der Tsunami-Flutwellen hat das Trinkwasser ungenießbar gemacht. Das derzeit der Bevölkerung zur Verfügung stehende Wasser beeinhalte bis zu 50 verschiedene Krankheitserreger, berichten die Helfer.

Aufräumen in Thailand - nicht ohne MundschutzBild: AP

Mangelhafte Hygiene

Eine weitere große Gefahr seien die großen stehenden Wasserflächen, die die Flut zurückgelassen habe. Sie bilden ideale Brutplätze für Mosiktos, die Malaria und Dengue-Fieber verbreiten. "Stehendes Wasser kann genauso tödlich wirken wie bewegtes Wasser", warnt UNICEF-Direktorin Carol Bellamy. Noch gibt es offiziellen Angaben zufolge keine Erkrankungen. "Wir haben keinen einzigen bestätigten Fall von Cholera", sagte Sri Lankas Gesundheitsminister Nimal Siripala de Silva. Anders lautende Angaben kämen von "uninformierten Menschen". Helfer beklagten die schlechten hygienische Bedingungen: Eine Cholerainfektion entsteht meist durch mit Fäkalien verunreinigtes Trinkwasser. Heftiges Erbrechen und Durchfall führen zu starkem Flüssigkeitsverlust, der Kreislaufversagen verursachen kann.

Chaos allerorten

Die Hilfe für die Flut-Überlebenden wird zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Bislang ist erst ein Drittel der betroffenen Region zugänglich. "Transport, Kommunikation, alles ist zusammengebrochen", sagte die Sprecherin der Hilfsorganisation Oxfam, Mona Lonzo. Bei seinem zweiten Besuch im Katastrophengebiet räumte der indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono ein, dass es Probleme bei der Verteilung von Hilfsgütern an die Hungernden und Notleidenden gibt. "Das Ausmaß der Katastrophe ist einfach zu groß", sagte der Präsident. "Wir können die Hilfe und die Lebensmittel heranschaffen, aber wir brauchen auch die Leute, um sie zu verteilen."

Indien: Großer Andrang bei der Ausgabe der HilfsgüterBild: AP

Wie überall, so fehlt es auch im Zeltlager auf dem Flugplatzgelände von Banda Aceh an Helfern. "Wir kamen hierher, weil wir hörten, dass wir Lebensmittel bekommen könnten", berichtet Indra Syaputra. "Aber das stimmt nicht. Das einzige, was ich bekommen habe, waren ein paar Päckchen Nudeln." Berichte machen die Runde, nach denen es unter den Überlebenden immer häufiger zu Handgreiflichkeiten im Kampf um Nahrungsmittel kommt. Im Militärhospital von Banda Aceh, wo zahlreiche Verletzte untergekommen sind, haben Patienten derweil 24 Stunden lang keinen Arzt zu Gesicht bekommen. Psychologische Betreuung der Überlebenden, wie sie westliche Touristen erhalten, bleibt für Einheimische eine Illusion. (arn)

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