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Politik

Im Fadenkreuz: Israels Feinde rüsten auf

5. März 2018

Der Krieg in Syrien bedroht zunehmend auch Israel. Der Iran und die von ihm unterstützte Hisbollah haben sich in Syrien festgesetzt. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft kann Israel kaum auf Verbündete zählen.

Libanon Hisbollah Kämpfer
Hisbollah-Kämpfer an der Grenze zu Israel, April 2017Bild: Getty Images/AFP/J. Eid

Der Lockvogel besteht aus wenig mehr als einem Stahlzylinder mit Stabilisierungsflügeln an den Enden. Herzstück des Flugkörpers ist der eingebaute Transponder: Die Signale, die er sendet, bringen jeden angreifenden Marschflugkörper aus der Bahn. Er rast nun nicht mehr auf das Flugzeug zu, sondern den mit ihm verbundenen Lockvogel. Dank des ELL-8270, so der Name des unlängst vom israelischen Militär vorgestellten Abwehrsystems, bleiben das Flugzeug und seine Insassen von dem Raketenangriff verschont.

Vielleicht hätte der ELL-8270 auch jenen israelischen Kampfjet retten können, der Anfang Februar von der syrischen Luftwaffe über israelischem Territorium abgeschossen worden war. Zuvor hatte er - vom Militär nicht bestätigten Berichten zufolge - Stellungen in Syrien angegriffen, von denen aus eine Drohne in den israelischen Luftraum gesteuert worden sein soll.

Diplomatische Herausforderungen

Die Erfindung des ELL-8270 fällt in eine Zeit, in der Israel einer massiv gewachsenen Bedrohung gegenüber steht. Der Krieg in Syrien ist mit dem Einmarsch der Türkei in eine neue Phase eingetreten und hat nun einen internationalen Akteur mehr, der die Lage noch unübersichtlicher macht und die Komplexität der militärischen und diplomatischen Frontverläufe noch einmal steigert.

Reste des abgeschossenen israelischen Kampfjets in Nord-IsraelBild: Getty Images/AFP/J. Guez

Für Israel ist der Einmarsch zunächst eine diplomatische Herausforderung: Wie wird er das Verhältnis zwischen Russland, Iran und ihrem gemeinsamen Schützling, Baschar al-Assad, beeinflussen? Die Frage ist darum wichtig, weil sich Israel auf dem Golan einer wachsenden Bedrohung durch die Hisbollah-Miliz, einem Geschöpf des Iran, gegenüber sieht. Über Kontakte nach Russland hofft Israel, diese Bedrohung mit diplomatischen Mitteln beherrschbar zu machen.

"Ein russisch-iranisches Protektorat"

Bislang mit bestenfalls überschaubarem Erfolg. "Wir sind bestens vorbereitet, falls ein Krieg ausbrechen sollte", versichert ein Scharfschütze der Hisbollah dem Internet-Magazin Al-Monitor. Diese Botschaft verstecke sich auch hinter dem Abschuss des israelischen Kampfjets, erklärte ein weiterer, namentlich nicht genannter Hisbollah-Vertreter dem Magazin. "Es ist ein Hinweis Irans, dass sich die Spielregeln in Syrien verändert haben."

Israelische Militärs teilen diese Einstellung. Der Iran hat sich wie Russland in Syrien festgesetzt, und wenig spricht dafür, dass sie das Land sich selbst überlassen werden. Im Gegenteil dürften sie dessen Zukunft ganz im Sinne ihrer Interessen gestalten. "Syrien ist dabei, ein russisch-iranisches Protektorat zu werden", erklärt ein Mitarbeiter des israelischen Verteidigungsministeriums dem Think Tank "International Crisis Group".

Iran am Mittelmeer?

In diesem Protektorat richten sich beide Staaten auch militärisch ein. Insbesondere die Präsenz Irans macht den israelischen Militärs Sorgen. Sie fürchten, Teheran könnte am Mittelmeer eine Marine-Basis anlegen. Im schlimmsten Fall könnten iranische U-Boote von dort aus die israelische Küste wie auch die im Mittelmeer lagernden Gasvorkommen angreifen. Auch durch mögliche Luftbasen, Flughäfen und Waffenfabriken sieht Israel sich bedroht.

Früh übt sich: als Hisbollah-Kämpfer verkleidete Kinder in Beirut, Dezember 2017Bild: DW/Anchal Vohra

Die Waffenfabriken, so die Sorge in Jerusalem, könnten auch die Hisbollah versorgen. Diese hat durch den Krieg in Syrien ihr Waffendepot erheblich vergrößern können. Nach eigenen Angaben hat das israelische Militär bereits über 100 Angriffe gegen Waffenlager und -konvois der Hisbollah geflogen.

Um weitere Lieferungen zu unterbinden, hat sich Jerusalem auch an Moskau gewandt. Doch in der russischen Hauptstadt zeigt man sich den israelischen Sorgen gegenüber verhalten. "Israelische Offizielle erzählen uns immer wieder, dass Iran vor allem deshalb in Syrien kämpfe, um letztlich Israel zu zerstören. Auch folge der Iran eher religiösen als nationalstaatlichen Interessen. Darum sollten wir ein Iran-freies Syrien schaffen", zitiert die Crisis-Group einen russischen Diplomaten. "Wir berücksichtigen zwar die israelischen Interessen, aber es ist unmöglich, solche Argumente ernst zu nehmen."

Selbstsichere Hisbollah

Die Hisbollah gibt sich derweil selbstsicher wie nie zuvor. Als Zivilisten verkleidete Milizen hatten einem Bericht der Zeitung "Arab Weekly" zufolge bereits vor einem Jahr das Gebiet direkt an der israelischen Grenze vermessen. Die Ausmaße, die Steigungswinkel der Hügel - alles wurde sorgfältig registriert.

Zuvor hatte sich Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bereits kämpferisch gegeben. Für seine Organisation gebe es "keine roten Linie", erklärte er. Sollte es einen Krieg mit Israel geben, könnte die Hisbollah durchaus auch den Atomreaktor von Dimona in der Negev-Wüste angreifen. Auch den Ammoniak-Tank bei Haifa nannte er als mögliches Ziel.

Drohungen aus Israel

Israel seinerseits droht, sich bei einem Krieg nicht auf die Hisbollah zu beschränken, sondern den gesamten Libanon als feindliches Gebiet zu betrachten. Dieser Krieg werde die internationale Gemeinschaft bereits nach drei Tagen dazu veranlassen, einen Waffenstillstand zu fordern, und nicht erst nach 33 Tagen, erklärte Giora Eiland, der ehemalige Vorsitzende des israelischen Sicherheitsrats.33 Tage hatte der letzte Krieg der beiden Kontrahenten im Jahr 2006 gedauert.

Dass der Krieg so kurz werden könnte, ist allerdings keineswegs ausgemacht. Anders als Israel hat die Hisbollah im Zweifel kein Interesse daran, den Krieg kurz zu halten. Sie muss weit weniger auf die Zivilbevölkerung Rücksicht nehmen als die Regierung eines Nationalstaats; außerdem könnte sie darauf spekulieren, dass ein lang anhaltender Krieg die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten ausschlagen lassen könnte. All dies macht einen erneuten Waffengang für Israel schwer berechenbar.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika