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Provenienzforschung verstärken

Sarah Judith Hofmann13. Februar 2014

Das Engagement Deutschlands bei der Suche nach NS-Raubkunst soll deutlich verstärkt werden. Die Kulturstiftung der Länder fordert eine systematische Erforschung der Bestände. Isabel Pfeiffer-Poensgen im DW-Gespräch.

Inventarbuch (Foto: DW)
Bild: DW/E. Yorck von Wartenburg

Noch immer befinden sich Kunstwerke, die als NS-Raubkunst eingestuft werden, in öffentlichen Sammlungen und in den Depots deutscher Museen. Zwei öffentlich geförderte Institutionen sind in Deutschland mit NS-Raubkunst beschäftigt: die Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin und die Datenbank "lost art" in Magdeburg. Beide unterstützen Museen, Bibliotheken und Archive bei der Identifizierung von geraubten oder "arisierten" Kunstgegenständen. Die Provenienzforschung in Deutschland müsse allerdings deutlich ausgebaut werden, räumt die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen, im DW-Interview ein.

DW: Frau Pfeiffer-Poensgen, die Kulturpolitiker der Länder haben heute den aktuellen Stand der Provenienzforschung bekanntgegeben. Welche Bilanz der Provenienzforschung in Deutschland ziehen Sie? Und: Welche Versäumnisse müssen Sie einräumen?

Isabel Pfeiffer-Poensgen: In der Bundesrepublik ist die Provenienzforschung erst in den 90er Jahren richtig angelaufen. Erst dann haben sich Museen, Archive, Bibliotheken gefragt: Wo kommen die Werke eigentlich her? Sind sie auch rechtmäßig in dieses Haus gekommen? Seit 2008 werden Sammlungen wirklich systematisch nach möglicher Raubkunst - also nach Kunstwerken, die beispielsweise jüdischen Sammlern abgepresst worden sind - durchsucht und gegebenenfalls, so sagt es die Washingtoner Erklärung, in einer fairen und gerechten Lösung zurückgegeben oder die Erben entschädigt. Wir haben viel zu spät angefangen. Das steht für mich völlig außer Frage. Aber wir müssen das jetzt - und das geschieht ja auch - nachholen.

Provenienzforscher untersuchen ein Blatt nach seiner HerkunftBild: DW/E. Yorck von Wartenburg

Dennoch hat der Fall Gurlitt gezeigt, dass dies offenbar nicht genügend geschehen ist.

Der Fall Gurlitt ist vielleicht in vielen Punkten nicht glücklich verlaufen, aber er hat doch etwas Positives bewirkt, nämlich, dass einer breiten Öffentlichkeit und natürlich auch Verwaltung und Politik deutlich geworden ist, dass in diesem Feld noch sehr viel aufgearbeitet werden muss und wir noch einmal ganz neue Mittel brauchen, um in der gesamten Bundesrepublik Aufklärung zu betreiben. Dennoch kann man nicht behaupten, dass nichts geschehen ist. In den Ländern laufen dezentral sehr viele Forschungsprojekte. Allein durch unsere föderale Struktur und dadurch, dass es kein zentrales Pflichtmelderegister für Raubkunstfälle gibt, ist es sehr schwierig für jemanden, der nicht in der Materie steckt, einen Überblick zu bekommen.

Das ist ja genau das, was die Anwälte und Erben jüdischer Kunstsammler kritisiert haben, dass es sehr schwer ist, in diesem föderalen System der Bundesrepublik, bei etlichen einzelnen Institutionen, herauszufinden, wo denn nun eigentlich ihre Erbstücke sind. Wird sich daran in Zukunft etwas ändern?

Davon gehe ich aus. Es wird eine Reihe von Gesprächen im Frühjahr geben, zwischen den 16 Ländern und der Bundesregierung. Die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat ein deutliches Signal gesetzt, dass sie an dieser Stelle etwas bündeln und verstärken will. Ich denke, es liegt im Falle Gurlitt auch eine große Chance, noch mal etwas positiv zu verändern.

1945: Amerikanische GIs stellen auf Schloss Neuschwanstein von den Nazis geraubte Gemälde sicherBild: Getty Images

Wird es also in naher Zukunft ein zentrales Organ geben?

Nein. Zentrale Organe wollen wir auch gar nicht, weil wir nun einmal ein föderaler Staat sind. Aber man könnte die Erkenntnisse, die gesammelt werden, institutionell noch besser zusammenführen. Und das muss man sagen: Ein ganz großes Manko unsererseits ist, dass alles in die inhaltliche Erforschung gesteckt wird, aber Stellen für Öffentlichkeitsarbeit gibt es kaum. Man muss viel stärker über abgeschlossene Fälle reden, die Ergebnisse und auch den Weg der Forschung transparent machen. Dies wird sicherlich Teil der Überlegungen sein, die jetzt in Gang gekommen sind.

Erst vor kurzem beklagte Ronald S. Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, dass von den etwa 6000 Museen in Deutschland erst rund 350 ihre Depots nach Raubkunst haben durchsuchen lassen. Wird sich daran etwas ändern?

Ja, da bin ich absolut sicher. Wobei das von Herrn Lauder eine etwas holzschnittartige Argumentation ist, denn wir haben von den 6000 Museen in Deutschland ja eine große Anzahl, in denen moderne Kunst ausgestellt wird, die gar nicht zu dem Komplex gehört. Es geht schließlich allein um Kunstwerke, die vor 1945 entstanden sind und nach 1933 in eine Sammlung gekommen sind. Trotzdem, ganz klar, es sind noch viele Museen, die diese Hausaufgaben vor sich haben. Der Fall Gurlitt hat klar gemacht, dass es keine Alternative gibt. Man muss die Dinge aufklären.

Rückgabe an Erben: "Tilla Durieux" von O. Kokoschka hing kürzlich noch im Kölner Museum LudwigBild: picture-alliance/dpa

Die neueste Entwicklung im Fall Gurlitt - der Fund weiterer rund 60 Bilder in Salzburg, bei denen noch nicht klar ist, ob es sich um Raubkunst handelt oder nicht - zeigt, wie schwierig es ist, Kunstwerke aus Privatbesitz ausfindig zu machen. Was wäre eine Möglichkeit, weitere private Sammler mit möglichen Raubkunstbeständen ausfindig zu machen?

Es gibt eine Reihe von großen Privatsammlungen in Deutschland, die jetzt natürlich alarmiert sind. Und ich weiß auch von einzelnen, die ihre Bestände absolut ernsthaft durchsehen. Nur gibt es dort eben keine Möglichkeit, dass die öffentliche Hand Druck ausübt. Natürlich machen wir klar, dass wir dies wünschenswert finden, aber die Mittel, die wir vergeben können, gelten für öffentliche Sammlungen. Und kein deutsches Museum kann heute mehr sagen: Ich kann mir diese Provenienzforschung nicht leisten. Dafür gibt es jetzt Mittel, die die von uns und dem Bund finanzierte Arbeitsstelle für Provenienzforschung vergibt und damit den Museen die Einstellung von Fachkräften ermöglicht.

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