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Im Interessenkreuz des Westens

Friedemann Kohler, dpa23. November 2003

Das Land ist in die Mühlen der USA und Russland geraten: Die kleine Republik Georgien liegt strategisch wichtig am Schwarzen Meer. Vom Nachbarstaat Aserbaidschan aus soll eine Ölpipeline in die Türkei gebaut werden.

Friedlicher Bürgeraufstand in TiflisBild: AP

In Georgien ging es in den vergangenen Tagen nicht nur um den Machtkampf des alternden Patriarchen Eduard Schewardnadse gegen den jungen Oppositionsführer Michail Saakaschwili. Hinter den Kulissen ringen die USA und Russland um Einfluss. Der altgediente "kaukasische Fuchs" Schewardnadse (75) hat in diesem Spiel ausgedient und räumt seinen Posten: Drei Wochen nach einer von Manipulationen geprägten Parlamentswahl hat er seinen Rücktritt erklärt. Dies berichtete das georgische Fernsehen am Sonntagabend (23.11.2003).

Die Interessenlage der USA

Lange Jahre war der frühere sowjetische Außenminister, der den Kalten Krieg beenden half, unangefochten der Partner Washingtons in Georgien. Das Land hat kein Öl, doch das Schwarze Gold aus dem Nachbarstaat Aserbaidschan soll über Tiflis in die Türkei fließen. 2,5 Milliarden Euro wird die Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan kosten. Also flossen auch die Finanzhilfen aus Washington. Im Zuge des Kampfes gegen den Terrorismus nach dem 11. September 2001 gelang es den USA, mit Truppenausbildern auch eine Militärpräsenz an der Südflanke Russlands aufzubauen.

Doch das amerikanische Vertrauen in Schewardnadses Fähigkeit, in Georgien Stabilität zu gewährleisten, scheint geschwunden zu sein. Der frühere US-Außenminister James Baker rang seinem Freund Eduard im Juli 2003 Zugeständnisse an die Opposition ab, um ruhige Parlamentswahlen und eine friedliche Machtübergabe 2005 zu erreichen. Schewardnadse hielt sich aber nicht an diese Ratschläge.

Moskaus besorgter Blick

Beobachter in Moskau werfen den USA vor, sie folgten in Georgien dem gleichen Drehbuch wie beim Sturz des serbischen Machthabers Slobodan Milosevic 2001. Die Russen zogen sogar eine personelle Verbindung: US-Botschafter Richard Miles habe in den 1990er Jahren die west-orientierte Opposition in Belgrad gefördert und versuche das gleiche jetzt in Tiflis. Von "klarer Unterstützung der Amerikaner" für den in den USA ausgebildeten Juristen Michail Saakaschwili sprach der russische Außenpolitiker Dmitri Rogosin.

Die Interessenlage Russlands

Auch Russland kämpft um seinen Einfluss bei dem südlichen Nachbarn. In Moskau war Schewardnadse nie sonderlich beliebt. Er galt neben Michail Gorbatschow als Zerstörer der Sowjetunion, als widerspenstiger georgischer Nationalist. Über die Jahre nutzte Moskau zahlreiche Druckmittel gegen Tiflis: die Separatistenkonflikte, die russischen Militärstützpunkte, die Energielieferungen. In diesem Sommer wurde der Stromversorger für Tiflis, den bislang die USA alimentiert hatten, an den russischen Monopolisten RAO EES verkauft. Georgien legte sich auch auf Russland als alleinigen Gaslieferanten fest.

Im Streit nach der georgischen Parlamentswahl vom 2. November 2003 sah Moskau sich als einer der Sieger. Schewardnadse musste sich mit dem Machthaber der Schwarzmeerregion Adscharien, Aslan Abaschidse, verbünden. Für den treuen Freund Russlands schien der Weg über das Amt des Parlamentspräsidenten in die Nachfolge Schewardnadses schon vorgezeichnet.

Wie weiter?!

Saakaschwilis Sturm auf das Parlament am Samstag durchkreuzte diesen Plan, doch Moskau reagierte schnell. Noch am selben Abend flog Außenminister Igor Iwanow nach Tiflis und verhandelte den ganzen Sonntag (23.11.2003) über mit den Kontrahenten. Eine handstreichartige Absetzung des Präsidenten wegen Wahlfälschungen, wie sie in der Region gang und gäbe sind, kann weder Russland noch ein anderer Nachbarstaat hinnehmen.

Es ist nicht sicher, ob gegen den Widerstand Moskaus in Georgien eine eindeutig west-orientierte Führung unter Saakaschwili oder der bisherigen Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse durchgesetzt werden kann. Das kleine Land in den Mühlen der Weltpolitik bräuchte gute Beziehungen zum Westen wie zu Russland. Es lebt von westlichen Investitionen genauso wie von dem Geld, das die 500.000 in Russland lebenden Georgier nach Hause schicken.

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