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Reise

Im Land der Berge - Roadtrip in Montenegro

16. Juli 2019

Das Land auf dem Balkan ist ein Geheimtipp, die Gästezahlen aber steigen. Die meisten zieht es an die Adria-Strände. Das Land will Touristen nun auch für die Bergwelt begeistern. Eine Tour rund um das Durmitor-Massiv.

Montenegro Durmitor Gebirge
Bild: DW/Christina Deicke

"Es gibt bei uns einen Witz, der geht so: Könnte man Montenegro flach machen, wäre es das größte Land der Welt." Andri Stanović schaut aus dem Autofenster in die karstige Berglandschaft. Montenegro - das Land der schwarzen Berge - ist tatsächlich fast komplett von Bergen bedeckt. Sie fallen im Süden steil bis zur Adriaküste ab, türmen sich im Norden zu Hochgebirgen auf. Stanović arbeitet für die Nationale Tourismusorganisation Montenegros daran, sein Land als Urlaubsziel bekannter zu machen. Und neben den stark frequentierten Stränden am Mittelmeer und der berühmten Bucht von Kotor den Touristen auch die wilde Bergwelt nahe zu bringen.  

"Montenegro hat extrem abwechslungsreiche Landschaften. Das haben wir anderen Ländern in der Region voraus", sagt er. Das kleine Land auf dem Balkan hat in der Tat viel zu bieten: die Küste im Süden, Hochgebirge im Norden, den größten See des Balkans, Urwälder, tiefe Schluchten und gleich fünf Nationalparks. 6000 Kilometer Wander- und Radwege ziehen sich durch Montenegro, bei einer Fläche von gerade einmal 14.000 Quadratkilometern - weniger, als das deutsche Bundesland Schleswig-Holstein hat. Noch ist Montenegro eher ein Geheimtipp, doch die Touristenzahlen steigen stetig.

Wir starten unsere Tour im Skiort Zabljak. Er liegt auf rund 1500 Metern und ist damit die höchstgelegene Stadt Südosteuropas. Im Sommer ist Zabljak verschlafen, nur einige Wanderer sind zu Gast.

Weite Täler, hohe Berge: das Durmitor-Gebirge liegt im Norden MontenegrosBild: DW/Christina Deicke

Mit dem Auto geht es den Durmitor-Ring entlang, eine von vier Panoramastraßen, auf denen man die Bergwelt Montenegros erkunden kann. Allerdings sind erst zwei von ihnen fertig beschildert. Bis 2020 soll die dritte fertig werden. Und die vierte? "Schauen wir mal", sagt Andri Stanović. Mit an Bord ist ein GPS-gesteuerter Audioguide, den es als App in mehreren Sprachen gibt. Auch Stanović macht diese Tour zum ersten Mal.

Die Stimme aus dem Smartphone verspricht uns Informationen über "Dinge, die man sieht und auch über solche, die man nicht sieht". Entspannte Gitarrenmusik erklingt, draußen rauschen dunkle Fichtenwälder vorbei. Ein erster Stopp: Wir haben freie Sicht über Bergwiesen auf das entfernte Durmitor-Massiv. Woher der Name stammt ist umstritten, er könnte vom lateinischen "dormire" herrühren und so viel bedeuten wie "Schlafender Berg" oder "Berg, auf dem die Götter schlafen". Es hat 48 Gipfel, die höher als 2000 Meter sind.

Weiter geht's. In der Ferne sind bald Gebäude zu erkennen. Wie bunte Kiesel liegen sie verstreut in der Ebene. Es ist ein so genannter Katun, ein Bergdorf, in dem Bergbauern mit ihrem Vieh leben: Kühe, Schafe und Ziegen, aus deren Milch sie Käse und Butter herstellen.

Wenigstens die Schafe sind nicht einsam: ein Katun im Durmitor-GebirgeBild: DW/Christina Deicke

"Nur 14 Menschen leben das ganze Jahr über in dem Dorf", erklärt die Stimme aus dem Smartphone. Im Winter ist es durch den Schnee komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Und im Notfall? "Kommt ein Hubschrauber", sagt Andri Stanović. "Im Winter ist übrigens auch die Panoramastraße gesperrt. Wer im Frühling oder Herbst kommt, muss sich vorher erkundigen, ob die Route befahrbar ist."

Die Abgeschiedenheit ist auf Dauer nicht jedermanns Sache. Immer mehr Bewohner der Bergdörfer in Montenegro ziehen lieber in die Stadt. Die traditionelle Lebensweise der Viehhirten in den Bergen stirbt langsam aus.

Die Panoramastraße führt über weite Strecken durch den 1952 gegründeten Durmitor-Nationalpark. Hier gibt es mehr als 1600 Pflanzenarten, darunter viele endemische, also solche, die nur im Nationalpark zu finden sind. Etwa 50 Säugetierarten leben hier, auch Wölfe, Braunbären, Luchse, Gämsen, Steinadler und Auerhähne. Der Eintritt in den Park kostet drei Euro. Seit 1980 gehört er zum UNESCO-Weltnaturerbe.

Mit Schwarzkiefern und Fichten bewachsen: Die Sušica-SchluchtBild: DW/Christina Deicke

Auf Empfehlung des Audioguides halten wir am Straßenrand und laufen einen Pfad entlang bis sich vor uns eine Schlucht öffnet. "Gehen Sie nicht zu nah an den Abgrund, es besteht Absturzgefahr!", so die Warnung. 700 Meter geht es in die Tiefe der 15 Kilometer langen Sušica-Schlucht - ein spektakulärer Anblick. Tektonische Kräfte und der Sušica-Fluss haben sie geformt.

Wir fahren nun bergab. Die schmale Straße wird extrem kurvig, neben uns geht es fast senkrecht nach unten. Die Abhänge sind nicht gesichert, Steinschlag keine Seltenheit. Unser Fahrer hält, um einen fußballgroßen Fels von der Straße zu räumen. Diese Strecke sollten sich nur sichere Fahrer zutrauen. Zwar kommt uns nur selten ein Auto entgegen. Dann aber sind nervenaufreibende Manöver nötig. Für Wohnmobile über sieben Meter Länge oder 2,30 Meter Breite wird die Route nicht empfohlen.

Timing ist alles: der Sušičko-See existiert nur zu bestimmten Zeiten im Jahr Bild: DW/Christina Deicke

Hinter der nächsten Kurve wartet ein weiterer atemberaubender Anblick: Im Tal schillert grün der Sušičko-See. Still und einsam liegt er zwischen den Felswänden. Nur zwei Touristen laufen auf dem Uferpfad. Als wir unten ankommen, sind sie verschwunden.

Idylle pur im Durmitor GebirgeBild: DW/Christina Deicke

Wer diesen See sehen will, muss Glück haben: "Im Sommer trocknet er vollkommen aus", erklärt unser Guide. Am Ufer steht eine Berghütte, in der Wanderer für etwa zehn Euro pro Person übernachten können. Ein Wanderweg startet von hier sieben Kilometer zu zwei weiteren Bergseen. 

Das Auto quält sich nun wieder bergauf. Wir erreichen eine Hochebene, bedeckt mit einem Blütenteppich, auf der Kühe weiden. Das hier könnte auch Drehort einer Fantasy-Saga sein. Es duftet nach wildem Thymian, Grillen zirpen, Vögel zwitschern, sonst ist Ruhe. Bis mehrere Motorradfahrer heranknattern. “Motorrad-Touristen aus ganz Europa kommen hierher“, sagt Andri Stanović. "Für sie ist Montenegro wegen der kurvigen Straßen eine riesige Spielwiese."

Der Rahmen für den Tourismus ist gesetzt: Andri Stanović beim Fotostop vor dem PrutašBild: DW/Christina Deicke

Wir fahren immer weiter hinauf ins Durmitor-Gebirge, die saftigen Wiesen weichen steinigerem Gelände. Das Gebirge ist Teil der Dinarischen Alpen und durch Plattenbewegungen entstanden. Der Audioguide spielt Interviews mit Bewohnern der Region, Klangbeispiele des traditionellen montenegrinischen Instruments, der Gusle, nennt Namen und Höhenmeter der Berge ringsum.

Wir sind jetzt etwa 1800 Meter hoch. Vor uns erhebt sich mit 2393 Metern der Gipfel des Prutaš. In einigen Felsspalten leuchtet Schnee, es sind etwa 15 Grad Celsius. Laut einer Legende sollen es Feen gewesen sein, die mit ihren Fingernägeln die markanten Strukturen in das Gestein des Berges gekratzt haben.

Werbespruch für den Montenegro-Tourismus: "Wild Beauty" - gar nicht mal so unpassendBild: DW/Christina Deicke

Unseren letzten Stopp machen wir auf 1907 Metern, auf dem Sedlo-Pass. Von hier aus starten mehrere Bergwanderwege, etwa auf den mit 2523 Metern höchsten Gipfel des Durmitor-Massivs, den Bobotov Kuk. Zwei Frauen in Outdoor-Kleidung kraxeln gerade den Hang hoch, ameisenklein im Tal vor der Bergkette.

Für Touristiker Andri Stanović geht das Konzept der Panoramastraße auf: "Wir haben 40 Prozent mehr Besucher im Durmitor-Nationalpark, seit die Route im Herbst 2018 eröffnet wurde", sagt er.

Nach etwa vier Stunden und 76 Kilometern sind wir zurück an unserem Ausgangspunkt im Ort Zabljak. Von hier aus machen wir noch einen Abstecher zum Schwarzen See. Er gilt als ein touristisches Highlight Montenegros. Vom Parkplatz aus floppen dann auch jede Menge Urlauber in Badelatschen Richtung See. Eine Chinesin mit Strohhut und - ja, auf High Heels - stöckelt vor uns her. Am Ufer posiert sie mit einem lila gepunkteten Sonnenschirm. 

Der Schwarze See ist einer von 18 Gletscherseen, die es im Durmitor-Gebirge gibt. Sie werden auch "Augen der Berge" genannt. Sein Name kommt von den dunklen Nadelbäumen, die ihn umrahmen. Eine malerische Kulisse - doch nach der Einsamkeit in den Bergen ist das hier eine Art Kulturschock.

Wir in der wilden Natur: Dieser Steg ist nicht zum Angeln. Es ist ein Selfie-StegBild: DW/Christina Deicke

Auf dem vier Kilometer langen Weg rund um den See gibt es diverse Möglichkeiten zur Selbst-Inszenierung: Stege, Rahmen, rustikale Bänke. Touristen aus aller Welt posieren für einen Instagram-Post: "Und das ist noch nicht alles", sagt Andri Stanović. "Wenn der Wasserspiegel des Sees im Sommer sinkt, kommen noch mehr Stege und Plattformen zum Vorschein." 

Die Berge Montenegros sind eben die perfekte Kulisse für ein Foto, das nach Outdoor, Wildnis und Abenteuer aussieht. Das Gute: Wer will, kann hier nicht nur so aussehen, sondern all das auch erleben - und zwar noch ziemlich ungestört. Oder eben bequem eine Rundfahrt mit dem Auto machen.

Redaktioneller Hinweis: Der Artikel ist im Rahmen einer Pressereise entstanden.