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Deutschland, Land der Socken- und Sandalenträger

Elizabeth Grenier
29. Juli 2020

Schräger Trend: Socken und Sandalen schmücken die Füße deutscher Hipster. Früher war die Kombi ein modisches No-Go. Doch das hat die Deutschen nie gestört.

Symbolbild Klischee-Deutscher Socken in Sandalen
Bild: picture alliance/dpa Themendienst

Das Tragen von Socken in Sandalen galt früher als absoluter Mode-Fauxpas. Die Sache ist doch recht einfach: Wenn es heiß genug ist, um Sandalen zu tragen - wofür braucht man dann noch Socken? Und welchen Zweck hat diese Kombination, sobald es regnet? Wasserdicht ist sie jedenfalls nicht. Vielen Betrachtern war diese modische Eigenart ein Dorn im Auge.

Die Vorreiter dieses zwiespältigen Trends waren deutsche Touristen. Sie ignorierten, dass sie für ihre weißen Tennissocken in ihren Ledersandalen spöttisch betrachtet wurden - und liefen gleichmütig weiter. Sie waren allerdings nicht die einzigen, die diesem Look weltweite Aufmerksamkeit verschafften. Bevorzugt zu beobachten war besagte Kombination bei älteren Menschen, die sich nicht um das Diktat der Moden und Trends kümmerten. Trotzdem konnte sich der Deutsche als Sandalen-Sockenträger zum nationalen Stereotyp für Deutschland entwickeln.

Der Künstler Miguel Fernandez etwa nimmt diese deutsche Fashion-Vorliebe in seiner DW-Cartoonserie "Verstehen Sie Deutsch?" aufs Korn.

Kategorische Ablehnung durch die Modepolizei

Das kulturelle Phänomen verdient daher eine nähere Betrachtung. Sind die Deutschen wirklich der Ursprung dieser Kombination, die vor gar nicht allzu langer Zeit von der internationalen Modepolizei kategorische Ablehnung erfuhr?

Über die Ursprünge des Klischees verrät das Internet nicht viel. Es gibt eine Wikipedia-Seite über "Socken und Sandalen" auf Englisch und in ein paar anderen Sprachen - aber sie existiert noch nicht einmal auf Deutsch. Dort wird erwähnt, dass die ersten dokumentierten Beweise für das gemeinsame Tragen von Socken und Sandalen bei Grabungen in einer archäologische Stätte der Antike in North Yorkshire, England, gefunden wurden. Eine Analyse der Überreste einer Sandale ergab demnach, dass die Römer beides bereits vor 2000 Jahren zusammen trugen.

Römisch-ägyptische Socken, die an der Zehe geteilt und für das Tragen mit Sandalen konzipiert waren, wurden Ende des 19. Jahrhunderts aus einer Grabstätte in Ägypten ausgegraben. Sie stammen vermutlich aus dem 4. bis 5. Jahrhundert und befinden sich seit 1900 in der Sammlung des V&A Museums in London.

Römisch-ägyptische Socken aus dem 4. oder 5. JahrhundertBild: V&A Museum London/Robert Taylor/Major Myers collection

Auch die Japaner entwickelten ihren eigenen Stil dieser Kombination, wie die Modehistorikerin Birgit Haase, Professorin an der Universität HAW Hamburg, berichtet. Die traditionellen Tabi-Socken aus dem 15. Jahrhundert wurden ebenfalls speziell für das Tragen mit Zehentrennern entwickelt. Sie werden von Männern und Frauen in verschiedenen Kontexten getragen und sind immer noch Teil der formalen Kleidung, etwa bei Teezeremonien.

Im Vergleich dazu taucht die Socken-Sandalen-Kombination in der deutschen Tracht nicht auf, wohingegen kniehohe Socken bei Männern in Lederhosen zum guten Ton gehören. Das deutsche Sandalen-Socken-Klischee habe sich durch deutsche Touristen verbreitet, so Lena Sämann, Leiterin der Modeabteilung der Vogue Germany Online. "Jahrelang waren deutsche Touristen im Ausland als Stilsünder berühmt und berüchtigt, die in Tennissocken und Trekkingsandalen die Berge erklommen und den Süden Europas in Staunen versetzten", sagte sie der DW. Über Jahre hinweg waren die Deutschen die am meisten Reisenden weltweit, und manche wollten sich im Ausland wohl heimisch fühlen, glaubt Sämann - und wählten Schuhe, die ihren Pantoffeln ähnelten.

Im Süden Europas sorgten deutsche Touristen lange Zeit für Erstaunen, dabei wollten sie es nur gemütlich habenBild: Imago Images

Faible für Funktionsmode

Die Moderedakteurin weist auch darauf hin, dass "der Deutsche gerne vorbereitet und für jede Situation gewappnet ist. Er hatte schon immer ein Faible für Funktionswear - gerne auch im Partnerlook - und wer Socken in Trekkingsandalen trägt, der bekommt vermutlich nicht so schnell Blasen an den Füßen." Die Modehistorikerin Birgit Haase nennt noch einen weiteren praktischen Grund für die Kombination: Socken absorbieren Schweiß in Sandalen - und sind nicht so nutzlos, wie sie zuerst scheinen.

Während es es unklar ist, wann das Klischee des Socken- und Sandalenträgers mit den Deutschen in Verbindung gebracht wurde, kann das Land immerhin stolz auf den Siegeszug einer orthopädischen Sandale sein.

Beliebt bei Hippies

Birkenstock hat sich zu einer der weltweit bekanntesten Marken gemausert. Der deutsche Schuhmacher Johann Adam Birkenstock gründete sein Familienunternehmen 1774. Die Schuhe mit Kork-Einlegesohle wurden 1945 entwickelt. Das erste Modell, das der heute weit verbreiteten Birkenstock-Sandale ähnelt, wurde 1964 erfunden.

Der ikonische Status des Schuhs ist vor allem auf die deutsch-amerikanische Designerin Margot Fraser zurückzuführen. Auf einer Kurreise nach Deutschland 1966 entdeckte sie, wie bequem die Sandalen waren, und verkaufte sie in Kalifornien, wo sie bei Hippies beliebt wurden.

In den 1980er Jahren verwandelte Fraser die Marke in den USA in ein Multimillionen-Dollar-Geschäft. Heute werden in Nordamerika die Träger von Socken und Sandalen eher als ein Phänomen der Westküste angesehen, das zum Beispiel durch die TV-Satire "Portlandia" und unzählige Memes verspottet wird.

Ursprünglich als Duschlatschen konzipiert, tragen Hipster die Adilette inzwischen auf der Straße - auch mit SockenBild: DW/M. Dagan

Hässlich wird trendy

Eine weitere deutsche, eigentlich orthopädische Sandale mit Kork in der Sohle hat in letzter Zeit an Popularität gewonnen. In den 1940er Jahren wurde der Wörishofer in der bayerischen Kurstadt Bad Wörishofen entwickelt. Als Hollywood-Stars wie Kirsten Dunst und Maggie Gyllenhaal ab 2010 mit ihnen auftraten, wurde die Marke neben Birkenstock, Crocs und Ugg Boots in die Liste der "hässlichen" Schuhe aufgenommen, die schlagartig trendy wurden.

Der deutsche Schuhriese Adidas steckt derweil hinter einer weiteren Kult-Sandale. Seine Adilette-Latschen wurden 1963 auf Wunsch von Athleten entworfen, die einen Schuh haben wollten, den sie in Umkleideräumen und Duschen tragen konnten. Mit seiner orthopädischen Gummisohle und dem gestreiften Oberteil ist das legendäre Modell vom Pool inzwischen auf die Straße gewandert, wo es ebenfalls häufig mit Socken getragen wird - vornehmlich von Hipstern. "Auf den Straßen Berlins finden sich an jeder Ecke Jungs, die wie die Reinkarnation des früheren typischen deutschen Touristen aussehen - mit kurzen Hosen, Fischerhut, Tennissocken und Trekkingsandale", sagt Vogue-Redakteurin Sämann.

Die lange Zeit verpönte Kombi geht auch in Posh, seit die High Fashion den Trend entdeckt hatBild: Imago Images/Runway Manhattan/V. Ranieri

Superstars sehen absichtlich uncool aus

In den vergangenen Jahren berichteten unzählige Lifestyle-Magazine begeistert über die Transformation des ehemaligen Fashion-No-Gos zu einem angesagten Must-have. Seit rund zehn Jahren stecken Labels wie Miu Miu, Wood Wood und Vetements ihre Modelle auf dem Laufsteg mit Socken und Sandalen. Die Popularität der Kombi wuchs bei Hipstern, die, inspiriert vom Unisex-Trend Normcore und Ironie, "absichtlich uncool" aussehen wollten.

Von Justin Bieber bis zu Rapper Tyler the Creator, von Mary-Kate und Ashley Olsen bis M.I.A. - auch Superstars haben sich des Trends angenommen.

Die Socken-Sandalen-Debatte wird trotz High Fashion Labels, selbsterklärten postironischen Hipstern oder exzentrischen Promis eine Fortsetzung finden. Die deutschen Touristen haben sich indes nie an ihr beteiligt - obwohl sie die ungekrönten Pioniere der Bewegung waren.

Mehr Inhalte über Deutsche und ihre Eigenarten, deutsche Alltagskultur und Sprache finden Sie auf unserer Seite www.dw.com/meetthegermans_de, bei YouTube oder auf Instagram. 

Im Ausland sind die Deutschen bekannt für ihren unverwechselbaren "Stil"
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