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Im Porträt: Ali Al-Sistani

Peter Philipp24. Januar 2005

Der Schiitenführer Al-Sistani ist einer der mächtigsten Männer im Irak. Doch der 75-Jährige scheut die Öffentlichkeit, agiert lieber im Hintergrund, setzt auf Zurückhaltung. Ein Porträt von Peter Philipp.

Sein Wort hat GewichtBild: dpa

Auch das hätten die Amerikaner sich vor dem Irakkrieg wohl nicht träumen lassen: Dass ihr Versuch, das Land anschließend zu einer Demokratie zu machen, maßgeblich vom Wohlverhalten eines 75-jährigen Großayatollah abhängen würde: Ali Al-Sistani ist heute der vielleicht weltweit angesehenste geistliche Führer der Schiiten und gegen seinen Willen geht nichts im Irak. Das Land hat eine schiitische Mehrheit von rund 60 Prozent und selbst wenn die Schiiten verschiedenen Führern folgen, so respektieren sie doch als oberste Autorität den aus dem ostiranischen Mashhad stammenden Sistani.

Der Großayatollah residiert zurückgezogen in Najaf, unweit des Grabes von Ali, dem ersten Imam des schiitischen Islam. Er tritt praktisch nie in der Öffentlichkeit auf, gibt keine Interviews und hält keine öffentlichen Reden. Sein Wort wird aber gehört: Wer Rat braucht, sucht den greisen Religionsgelehrten auf oder klickt die Internet-Seite des Ayatollah an, auf der dieser Antworten zu verschiedensten Fragen bereit hält.

Zurückhaltung als Stärke

Der Rat Sistanis zur Zukunft des Irak kam bald nach dem amerikanischen Einmarsch: Die Schiiten sollten sich zurückhalten und keine Auseinandersetzungen provozieren. Sistanis Kalkül: Wenn die USA es ernst meinen und freie Wahlen abhalten wollen, dann werden die Schiiten ohnehin die Macht übernehmen. Warum sollten sie dies durch eine Konfrontation mit den Besatzern gefährden?

Heiss-Sporne wie der junge Schiiten-Führer Moqtada as-Sadr legten Sistanis Zurückhaltung als Schwäche und Nachbeben gegenüber den Amerikanern aus. Das war sie aber nicht. Sistani hat im Gegenteil mit Beharrlichkeit und Nachruck erreicht, was andere Iraker nicht hätten erreichen können: Sistani setzte durch, dass landesweite Wahlen vorbereitet werden, dass die Gewählten die provisorische Verfassung nach möglichen Veränderungen ratifizieren und Vorbereitungen für reguläre Wahlen treffen.

Abzug der USA gefordert

Hauptziel dieser Strategie Sistanis: Die Iraker sollen das Gefühl bekommen, dass sie ihre Geschicke endlich selbst bestimmen können, und dass sie nicht mehr vom Wohlwollen eines Diktators oder der Willkür einer Besatzungsmacht abhängig sind.

Was die Besatzungsmacht betrifft, so soll Washington sich gegenüber der gewählten Vertretung der Iraker auch zu einem Zeitplan für den Abzug aus dem Irak verpflichten – möglicherweise innerhalb von 18 Monaten. Washington tat gut daran, auf die Forderungen Sistanis einzugehen. Denn an den Schiiten vorbei kann keine Neuordnung des Irak stattfinden und da kann es nur im Interesse der USA – und aller anderen Beteiligten – sein, dass diese Schiiten nicht unter den Einfluss radikaler Elemente geraten.

Weiter im Hintergrund

Sistani jedenfalls gehört noch zur "alten Schule" schiitischer Religionsgelehrter, die zwar darauf bestehen, das Staatswesen nach den Regeln und Gesetzen des Islam zu gestalten, aber Religion und Politik nicht zu eng miteinander zu verquicken.

Sistani ist zwar dafür, dass der Irak sich als islamischer Staat erklärt, er will aber keine Kopie des Iran. Eine Staatsideologie wie die im Iran gepflegte "Valayat-e Faqih" (die "Herrschaft des Religionsgelehrten") lehnt Sistani für den Irak ab. Er ist kein irakischer Khomeini und er wird auch nach einem Wahlsieg der Schiiten sicher nicht politischer Führer werden wollen, sondern weiterhin zurückgezogen wirken.

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