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Im Schatten der Drohnen

Shadi Khan22. Oktober 2013

Täglich kreisen über den pakistanischen Stammesgebieten Drohnen. Sie spähen nach Terroristen und töten blitzartig. Diese Art des Krieges sei völkerrechtswidrig, sagen Menschenrechtler. Millionen Menschen lebten in Angst.

Local residents stand amid debris of a house destroyed in a US drone missile attack, in Bannu a town of restive North West Frontier Province (NWFP) near the Afghanistan border on 19 November 2008. At least four suspected Islamic militants were killed and seven more were injured on November 19, in a missile strike by a suspected pilotless US aircraft at a house in the village of Zandi Alikhel in the Jani Khel semi-tribal area of the Bannu district of NWFP, media reports said.
Bild: picture-alliance/dpa

Drohnenangriffe des US-amerikanischen Militärs und der CIA gelten der US-Regierung als wichtigste Strategie im Kampf gegen den Terrorismus. Diese Art der Terrorbekämpfung ist jedoch eine weitere Quelle der Angst für mehr als fünf Millionen Menschen in der Region. Sie fürchten nicht nur Übergriffe der Taliban und des pakistanischen Militärs, sondern auch die Drohnen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International prangert die US-Regierung deshalb an: auch Zivilisten, die keinerlei Bedrohung darstellten, würden getroffen. Mit dem Drohnenkrieg verstoße US-Präsident Barack Obama deshalb gegen Völkerrecht, so Amnesty International in einem Bericht vom 22.10.2013. Darin wirft die Organisation auch Deutschland vor, den US-Drohnenkrieg mit Geheimdienstinformationen zu unterstützen.

Tod auf dem Friedhof

Bereits im September 2012 veröffentlichten die juristischen Fakultäten der Universitäten Stanford und der New York School of Law den Bericht "Leben unter Drohnen". In mehr als 130 Interviews wurde deutlich, dass die US-Drohnen-Kampagne alle Lebensbereiche der Bevölkerung im Zielgebiet beeinträchtigen. Menschen vermeiden Menschenansammlungen, gehen nicht mehr auf den Markt, leben in dauerhafter Angst. Ein Zeuge beschreibt das bildlich: "Drohnen kreisen immer in meinen Gedanken. Sie sind wie ein Moskito. Auch wenn du sie nicht sehen kannst, hörst du sie, weißt du, dass sie da sind."

In Pakistan zum Beispiel sind mehrfach Beerdigungen Ziele von Drohnenangriffen geworden. Die kulturellen und religiösen Praktiken der Menschen würden dadurch untergraben "da Menschen fürchten, an Beerdigungen teilzunehmen", heißt es in dem Bericht.

Abdul Khalique hat einen Drohnenangriff überlebtBild: Peshawar Jibran Yousufzai

Am 18. Juni 2009 etwa starben bei einem Drohnenangriff in Makeen, einem Dorf in Wasiristan an der Grenze zu Afghanistan, auf einer Beerdigung 80 Menschen. Abdul Khalique ist ein lebender Zeuge des Angriffs. Er hat damals ein Bein verloren. Seine Augen schmerzen bis heute. Mehrere seiner Familienangehörigen wurden getötet. "Als ich mein Bewusstsein wiedererlangte, sah ich die Leichen meines Bruders, meiner drei Cousins und meines Onkels", berichtet Khalique dem Reporter der Deutschen Welle. "Später kam ein anderer Onkel ins Krankenhaus. Er berichtete mir, dass es noch viele andere Opfer gab."

Er habe sein Dorf verlassen und lebe heute in einem Mietshaus in Karachi, erzählt Khalique weiter. Er habe studiert, aber dann das Studium abgebrochen. "Viele wurden wie ich verletzt und unser Leben hat keinen Wert mehr." Abdul Khalique glaubt, dass er wegen seines Glaubens angegriffen wurde. "Der einzig logische Grund für den Angriff ist, dass wir Muslime sind."

Der Zorn wächst

Hajji Khan hat ebenfalls einen Drohnenangriff überlebt. "Als Muslime wollen wir Frieden. Wir sind Pakistaner und wollen nur wissen, was Unrecht und was Recht ist. Wasiristan ist unberechtigt zum Ziel geworden. Wir haben alles verloren, was wir hatten. Wie können diese Kinder und Alten Terroristen sein? Die Zerstörungen, die angerichtet wurden, können in Jahrzehnten nicht wieder gutgemacht werden."

Solche und vergleichbare Ansichten sind unter den Menschen der Region weit verbreitet. Sie führen zu einer Zunahme des Fundamentalismus sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan. "Die zivilen Opfer schwächen die moderaten Stimmen der Region", zu diesem Ergebnis kommt nicht nur der Bericht "Leben unter Drohnen", sondern auch Armin Krishnan, Sicherheitsexperte von der Universität El Paso in Texas: "Es gibt überzeugende Hinweise darauf, dass die amerikanischen Drohnenangriffe Pakistan weiter destabilisiert haben. Sie haben die pakistanisch-amerikanischen Beziehungen geschädigt und zu einer weiteren Radikalisierung der pakistanischen Bevölkerung und deren Ablehnung der USA beigetragen."

Der in Wasiristan lebende Journalist Umer Daraz berichtet im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass große Teile der Bevölkerung auf die pakistanische Regierung und die USA zornig sind. Viele Menschen unterstützen zwar deren Kampf gegen die Taliban und Al-Kaida, halten aber Drohnenangriffe für das falsche Mittel. "Das Problem ist, dass die Leute glauben, die pakistanische Regierung habe die USA nie offiziell gebeten, die Drohnenangriffe einzustellen, obwohl die Regierung die Angriffe zugleich öffentlich verurteilt."