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Liberias vergessene Krankheiten

Philipp Sandner16. September 2014

Die Ebola-Epidemie belastet Liberias Krankenhäuser: von Medikamentenknappheit bis hin zu überfordertem Personal. Wer wegen anderer Krankheiten wie HIV/AIDS und Malaria behandelt werden muss, fühlt sich vergessen.

Aufnahme von potenziellen Ebola-Infizierten in Monrovia (Liberia), September 2014 (Foto: DW/Julius Kanubah).
Bild: DW/Julius Kanubah

Die Angst geht um in Liberia. Knapp 1300 Menschen sind seit März an der fieberhaften Viruserkrankung Ebola gestorben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt: Die Zahl der Neuerkrankungen steige exponentiell an. Doch Liberianer fürchten nicht nur, selbst das Virus zu bekommen. Auch die Angst, zu Unrecht als Ebola-Fall eingestuft zu werden, ist groß. "Krankenhäuser bereiten mir große Angst", sagt Roland Shad, ein Einwohner der Hauptstadt Monrovia. "Ebola ist so ein großes Thema. Auch wenn du hier nur eine normale Malaria hast, werden sie sagen, es ist Ebola." Die Aussicht auf eine falsche Diagnose und Tage oder Wochen auf der Isolierstation ist für ihn wenig erfreulich.

Annie Chea pflichtet ihm bei. Sie wohnt in New Kru Town, einem nahegelegenen Slum. "Auch bei Kopfschmerzen schließen die Menschen gleich auf Ebola. Deswegen habe ich Angst, ein Krankenhaus zu besuchen." Durchfall und hohes Fieber sind typische Symptome für Ebola, treten aber genauso bei Malaria-Patienten auf. Alle Durchfall- und Fiebererkrankungen sollen nun laut dem liberianischen Gesundheitsministerium als Ebola-Verdachtsfälle behandelt werden.

Schlange vor einem Ebola-Behandlungszentrum in MonroviaBild: DW/Julius Kanubah

Desolates Gesundheitssystem

In New Kru Town befindet sich auch das renommierte Redemption Hospital - ein Krankenhaus, das über eine eigene Ebola-Isolierstation verfügt. Dort arbeitet der Krankenpfleger James Gbatah. Seine Botschaft an die Liberianer: "Habt keine Angst! Denkt nicht, dass Krankenhäuser nicht sicher sind. Ein Krankenhaus ist der beste Ort für alle Patienten. Wenn ihr eine Krankheit nicht versteht, könnt ihr dort Hilfe bekommen."

Doch was im Normalfall gelten mag, stellt die Ebola-Epidemie in Frage. Denn die Verzweiflung hat längst auch das medizinische Personal erreicht. "Nach dem Ebola-Ausbruch haben wir im Juli Dr. Samuel Brisbane verloren", berichtet Daylue Goah, ein Medienvertreter des John F. Kennedy Memorial Medical Center, eines der größten Krankenhäuser in Monrovia. "Nach seinem Tod sind die meisten Mitarbeiter buchstäblich um ihr Leben gerannt. Ohne die Pfleger ergriffen schließlich auch die Patienten die Flucht - sie unterschrieben, das Krankenhaus entgegen ärztlichem Rat zu verlassen." Das Beispiel zeigt, wie das liberianische Gesundheitssystem in Folge der Epidemie regelrecht zum Erliegen gekommen ist.

Krankenpfleger James GbataBild: DW/Julius Kanubah

Keine Hilfe für AIDS-Patienten

Die große Aufmerksamkeit für Ebola überdeckt dabei andere Probleme. Denn trotz der hohen Zahl an Todesfällen in Westafrika ist die Krankheit weit davon entfernt, Afrikas Killer Nummer eins zu werden. Zu den gefährlichsten Krankheiten gehört neben Malaria auch HIV/AIDS. Dem Virus fallen jährlich rund 1,6 Millionen Menschen zum Opfer - ein Großteil davon in Afrika. In Liberia sind mehr als 10.000 Menschen HIV-positiv. Einer von ihnen ist Joejoe Baysah. "Seit dem Ausbruch der Ebola-Seuche ist die ganze HIV-Aufklärung praktisch zum Stillstand gekommen", sagt der 45-Jährige, der schon seit zwölf Jahren die antiretrovirale Behandlung bekommt. "Der Zugang zu Medikamenten ist ein Problem, weil viele Krankenhäuser geschlossen sind."

Geschlossen sind laut Baysah auch viele HIV-Behandlungszentren, die eine Mutter-zu-Kind-Übertragung des Virus verhindern sollen. Für Cynthia Quaqua, die Vorsitzende des liberianischen Netzwerks für die Stärkung der Rolle der Frauen, ist das ein Skandal: "Unsere Mitmenschen sterben einfach so. Wir haben keine guten Behandlungszentren mehr, und alle Welt kümmert sich nur um Ebola." Gerade habe sie wieder vom Tod eines kleinen Kindes erfahren. Seine Mutter hatte es bei der Geburt infiziert. "HIV/AIDS ist heute in Liberia kein Thema mehr."

Frauenrechtlerin Cynthia QuaquaBild: DW/Julius Kanubah
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