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Glaube

Im Stillen fasten

22. Februar 2021

Die Fastenzeit lädt ein zum Verzicht. Das bereichert Körper und Geist; im christlichen Fasten geht es aber um mehr als um die Reduktion von Kalorien.

Symbolbild Wasserglas
Bild: Colourbox/Haivoronska_Y

Die großen Religionen haben ein Gespür für die Unruhe des Geistes, und der ist, historisch gesehen, noch gar nicht so lange vom Körper abgespalten. 2000 Jahre lang, bevor Rene Descartes im 17. Jahrhundert für die Körper-Seele-Spaltung sorgte, dachte man beides zusammen. Das trifft auch auf die vorösterliche, christliche Fastenzeit zu. Fasten ist keineswegs nur eine Angelegenheit des Körpers. Verzichten ist etwas sehr Umfassendes. Über das Fasten ist viel Gutes geschrieben worden. Vom klassischen Heilfasten bis zum Intervallfasten sind sich viele einig, dass wir dem Körper damit etwas Gutes tun. Nur ist die Tradition viel älter als der gegenwärtige Gesundheitskult und mit dem Fasten ist mehr verbunden; es war nie als Diät gedacht so wie das Essen nie nur Nahrungsaufnahme bedeutete. Die »unmodernen« Praktiken, die in der Postmoderne so kraftvoll zurückkehren, haben gewichtige spirituelle Hintergründe. Das trifft auf die Kontemplation zu, die mancher zur Entspannungsübung verkürzt oder sogar absurder Weise zur Läuterung pervertierter »Managementtechniken« – Stichwort »Achtsame Führung« – und auch auf die Fastenzeit.

Der Glauben besteht zuerst einmal aus Worten; dass die leider leer sein können, stellen auch Christen fest. Das konkrete Fasten, wie auch andere liebende Handlungen, können aber als Beleg dafür fungieren, dass man das Beten auch ernst meint. Wenig zu essen hat grundlegende Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit, übermäßiger Genuss kann müde machen. Und, wer wenig isst, hat zudem mehr Zeit. Er schläft auch besser. Was man mit dieser Zeit macht, ist jedem selbst überlassen – aber oft sind die Fastenphasen gekennzeichnet von kreativen Momenten. Nun meinten die Kirchenväter allerdings, dass man das Fasten nicht so sehr vor sich hertragen solle; Fasten ist eine stille Angelegenheit. Der Ehrgeiz, der nicht dem eigenen Ego gelten soll, darf nicht so weit gehen, dass man angebotene Speisen ablehnt mit Hinweis auf die persönliche Askese. Konkret: auch in der Fastenzeit isst man bei den Eltern ein Stück Kuchen, um danach konsequent wieder zum Fasten zurückzukehren. Wie auch beim Beten müssen andere nicht unbedingt wissen, dass man fastet. Es sei denn, so war es ursprünglich gedacht, man befindet sich innerhalb einer Gemeinde, die zusammen fastet. In Zeiten der Individualisierung wird das allerdings die Ausnahme sein.

Also locker bleiben – und diese Lockerheit nicht mit dem Freibrief zur Inkonsequenz verwechseln. Fasten ist für Christen keine Praxis, mithilfe er anderen seinen eisernen Willen angeberhaft beweisen kann. Still und beinah unbemerkt ambitioniert zu sein, zur Buße, für Konzentration, Einkehr oder für Gott zu fasten, dies ist sehr viel herausfordernder als »demonstratives Fasten«. Man kann sich über eine Diät und Training auf die Strandsaison vorbereiten und die Bikinifigur stählen, aber man muss dieses Vorhaben nicht direkt »Fasten« nennen. Es ist eben auch nicht alles »Meditation«, nur weil man in einen geistig lässigeren Zustand gerät (Joggen, Surfen, Skaten) ... ich bin dafür, die Begriffe da zu lassen, wohin sie gehören.

In der Fastenzeit soll man, so schreibt Anselm Grün in einem hundertseitigen Klosterbüchlein über das Fasten, auch auf düstere oder klagende Gedanken eine Zeit lang verzichten. Es geht hier gar nicht nur ums Essen. Man kann Verhaltensweisen fasten (Shoppen, destruktive Handlungen, Süchte), man kann auf Alkohol oder, ganz klassisch, auf Fleisch verzichten. Im Hinblick auf den Fleischkonsum sollte dem Christen generell kurz die Frage ins Gedächtnis kommen, warum er das Leiden fühlender Wesen erzeugt, als hätte Albert Schweizer über die Ehrfurcht vor dem Lebenden nie nachgedacht. Aber wie im Hinblick auf das Fasten generell ist das bürgerliche Christentum eher beliebig geworden. Das Ergebnis davon, dass es eine Fastenzeit, aber gar keine gegenwärtig als Anspruch an die Gläubigen herangetragenen Regeln oder Herausforderungen gibt, ist nicht zu übersehen: im weltlichen Trend kommt zurück, worauf die Kirche verzichtet. Also Intervallfasten und das klassische Heilfasten nach Dr. Buchinger statt Stichworte von der Kanzel. Das ist schade, weil so viel mehr mit dem Fasten verbunden sein könnte. Spirituelle Entwicklung, tätiger Glaube, Besiegelung von Gebeten. Nimmt man die ökologischen und sozialen Folgen hinzu, so wäre es doch wünschenswert, wenn Katholiken etwas vehementer aufgefordert würden, 40 Tage einmal ganz ohne den Verzehr toter Tiere auszukommen. Aber das übernimmt eine gesellschaftlich andere, alternative Bewegung – dabei kamen nicht erst die Grünen darauf, sondern schon die Kirchenväter. Vielleicht ist die anstehende Fastenzeit ein Grund, sich auf die umfassenderen Aspekte zu besinnen!

 

Bild: Tristan Hachmeister

Dr. Frank Berzbach​

Jahrgang 1971, unterrichtet Literaturpädagogik und Philosophie an der Technischen Hochschule Köln. Er arbeitet und lebt in Köln und auf St. Pauli. 

Publikationsschwerpunkte: Kreativität, Arbeitspsychologie, Religion und Spiritualität, achtsamkeitsbasierte Psychologie, Literatur, Popmusik, Popkultur und Mode.

 

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