In der DDR stand die Kunst im Dienste des Staates. Mit dem Mauerbau wuchs auch der Druck auf die Kulturschaffenden. Wie die Pop-Art trotzdem ihren Weg fand.
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"Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei", steht wortwörtlich in Artikel 34 der Verfassung der DDR von 1949. Künstler wie Hans Ticha können darüber nur lachen: "Die Werke, die ich in meinem Atelier gemalt habe, konnte ich nur meiner Frau und einem Freund zeigen", erinnert er sich. Mehrfach wurde in sein Atelier eingebrochen: "Beide male war es sehr mysteriös, ich hatte die Bilder verkehrt herum zur Wand angelehnt, mit Papierstreifen dazwischen, damit ich nachverfolgen konnte, falls jemand die Bilder umdreht." Heimlich malte Ticha in seinem Atelier im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg weiter: unsichtbar, still - aber unerschrocken und entschlossen, sich seiner Kunst zu widmen.
Sozialistischer Realismus
Die Kultur war entgegen dessen, was in der Verfassung stand, nicht frei. Alle Bereiche der Kultur unterlagen der Kontrolle der Staatspartei SED. Die Kulturpolitik der DDR verfolgte das Ziel, die Menschen im Sinne des Sozialismus zu erziehen. Sozialistischer Realismus hieß die ideologisch verordnete Stilrichtung in der Kunst: Glückliche Bäuerinnen und stolze Fabrikarbeiter waren unter anderem die Motive, in den Worten von DDR-Staatsratsschef Walter Ulbricht eine "wirklich volkstümliche realistische Kunst".
Alles andere war Formalismus, Pop-Art, Avantgarde, Moderne - verpönt, verachtet, verboten.
Deutschland vor und nach der Wende
Die Stralsunder Altstadt, die Werrabrücke oder das Stadtschloss in Potsdam - all diese Orte haben in den vergangenen Jahren einen beachtlichen Wandel durchlaufen. Deutschland damals und heute in Bildern.
Das Brandenburger Tor
Es ist eines der berühmtesten Wahrzeichen Berlins. Das Brandenburger Tor, erbaut 1791, markierte zur Zeit der Teilung die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Es lag unmittelbar hinter der Grenzlinie im Ostteil der Stadt und war für die Öffentlichkeit unzugänglich. Erst im Herbst 1989 hielten die Sperren nicht mehr stand: Seitdem ist der Platz voller Menschen aus dem In- und Ausland.
Die Berliner Mauer
28 Jahre lang teilte die Berliner Mauer die Stadt in Ost und West. An der rund 160 Kilometer langen, streng bewachten Grenzanlage fanden viele Menschen beim Fluchtversuch den Tod. Die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt. Die East Side Gallery - das längste noch erhaltene Stück der Mauer - wurde im Jahr der Wiedervereinigung von vielen nationalen und internationalen Künstlern bemalt.
Die Brücke verbindet das thüringische Vacha mit dem hessischen Philippsthal. Mit Metallzaun, Stacheldraht und Gittern im Flussbett verlief vor 1989 genau hier die innerdeutsche Grenze. Heute ist sie frei passierbar und ist auch als "Brücke der Einheit" bekannt.
Die Frauenkirche in Dresden
Am 15.02.1945 - zwei Tage nach dem ersten Bombenangriff auf die Stadt - stürzte die ausgebrannte Kirche in sich zusammen. Über vier Jahrzehnte lag der einst prächtige Sakralbau in Trümmern. Nach der Wende wurde sie dank Spenden aus Deutschland und der ganzen Welt nach altem Vorbild rekonstruiert.
Vom Palast der Republik zum Berliner Schloss
Es war das Machtzentrum der DDR, Sitz der Volkskammer und Bühne für SED-Parteitage: Der Palast der Republik wurde 1976 eröffnet - nach 32-monatiger Bauzeit. Nach der Wiedervereinigung wurde Erich Honeckers asbestverseuchter Protzbau in den Jahren 2006 bis 2008 abgerissen: An seiner Stelle wurde das historische Berliner Stadtschloss mit dem umstrittenen Humboldt-Forum rekonstruiert.
Das Stadtschloss in Potsdam
Das barocke Stadtschloss war die Residenz vieler berühmter Adeliger. Doch im Zweiten Weltkrieg ist das Schloss durch einen Luftangriff der Alliierten ausgebrannt. Zu DDR-Zeiten wurde es in den Jahren 1959/60 gesprengt und seine Reste wurden abgetragen. Der heutige prachtvolle Bau wurde weitgehend nach Maßgaben historischer Pläne und Fotos rekonstruiert.
Stralsunder Altstadt
Die Hansestadt Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern ist berühmt für ihre Giebelhäuser. Zu DDR-Zeiten waren viele dieser historischen Bauten vom Verfall bedroht. Nach der Wende wurden sie aufwendig saniert. 2002 ist die pittoreske historische Altstadt sogar von der UNESCO zum Welterbe ernannt worden.
Lenin in Berlin-Friedrichshain
Von 1970 bis 1991 stand dieser 19 Meter hohe Koloss aus rotem Granit in Friedrichshain. Bei der offiziellen Enthüllung mit Festredner Walter Ulbricht waren 200.000 Menschen anwesend. Anfang der 1990er Jahre hatte der Kommunismus - und damit auch Lenin - ausgedient. Die Statue wurde demontiert. Heute heißt der ehemalige Leninplatz "Platz der Vereinten Nationen".
Hohenschönhausen
Hohenschönhausen diente bis 1989 als das "Zentrale Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit". In der Haftanstalt wurden politische Gefangene inhaftiert sowie psychisch und physisch gefoltert. Der Gebäudekomplex mit seinen hohen Mauern war geheim und auf keinem Stadtplan verzeichnet. Nach der Wiedervereinigung wurde er geschlossen und wenige Jahre später als Gedenkstätte für Besucher eröffnet.
Die Intershops der DDR
"Intershop" nannte sich eine DDR-Einzelhandelskette, in der man jedoch nicht mit DDR-Geld bezahlen konnte, sondern nur mit Fremdwährung. Viele DDR-Bürger hatten dadurch nur einen begrenzten Einblick in das Warenangebot der Intershops. Die ersten entstanden am Bahnhof Friedrichstraße in Ost-Berlin (Bild). Heute ist der Platz nicht wiederzuerkennen und ist voller Boutiquen und Geschäfte.
KaDeWe
Das Kaufhaus des Westens, kurz KaDeWe, ist das bekannteste Warenhaus in Deutschland und mit 60.000 Quadratmetern Fläche das zweitgrößte in Europa nach Harrods in London. Das Luxuskaufhaus wurde 1907 eröffnet, im Zweiten Weltkrieg war es fast ausgebrannt, stand im geteilten Deutschland in West-Berlin und ist heute eine Attraktion für Touristen, Einheimische und Luxus-Liebhaber.
Promi-Hotel
Das dreizehnstöckige Interhotel Metropol in der Friedrichstraße in Berlin wurde 1977 eröffnet. Geschäftsleute, Diplomaten und Promis gingen hier ein und aus. Für die meisten DDR-Bürger - ohne Devisen - war es nur von außen zu bewundern. Heute steht an dieser Stelle ein Hotel der Maritim-Kette - für alle Besucher zugänglich, wenn auch nicht bezahlbar.
Spielplatz der Erinnerungen
Sorglose Kindheit - wo sonst, wenn nicht auf dem Spielplatz. Diese Metallkugeln zum Klettern (links) waren auf fast jedem Spielplatz im Osten. Heute werden sie meist aus festen Seilen hergestellt. Da tut es auch nicht so weh, wenn Jung (und Alt) beim Spielen dagegen stoßen. Mehr Bilder von Berlin damals und heute gibt es bei Facebook: #GermanyThenNow #BerlinThenNow
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In den 1960er-Jahren verfolgte die DDR im Bereich der Kultur eine "Politik des Kahlschlags". Das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED bedeutete eine Zäsur für die Kulturpolitik der DDR. Einschneidende Maßnahmen wurden beschlossen: Zahlreiche Filme, Theaterstücke, Bücher und Musikgruppen wurden verboten. Werke, die als "antisozialistisch", "klassenfeindlich" oder "formalistisch" abgestempelt wurden, durften nicht veröffentlicht werden. Der sogenannte Bitterfelder Weg stellte den Kulturschaffenden die Aufgabe, durch ihre Kunst die "Bildung des sozialistischen Bewusstseins" und der "sozialistischen Persönlichkeit" zu fördern.
Wer sich gegenüber der DDR kritisch äußerte, war Schikanen ausgesetzt. So wurde Bernhard Heisig nach einer Rede im Jahr 1964, in der er sich gegen die Bevormundung der Künstler wandte und die Akzeptanz moderner künstlerischer Gestaltungsmittel einforderte, als Rektor der Leipziger Kunsthochschule abberufen.
Der Mauerbau und die "Politik des Kahlschlags"
Hans Ticha, der bis 1964 in Leipzig, dann an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studierte, erinnert sich an die 1960er: "Das war natürlich eine starke Einengung. Ich bin deswegen innerhalb der Hochschule aus der Malerei in die Grafikklasse gewechselt, wo es um angewandte Kunst, um Gebrauchsgrafik ging, weil ich mich diesem Druck nicht aussetzen wollte."
Die Bilder, die er zuhause malte, zeigte er nur einem einzigen Lehrer an der Kunsthochschule: "Ich habe meine Werke gut eingewickelt in die Hochschule gebracht. Das war formalistische Kunst - wenn sie jemand gesehen hätte, hätte es zu heftigen Diskussionen oder zum Abbruch des Studiums kommen können. Mein Lehrer, Kurt Robbel, hatte dann die Tür doppelt von innen abgeschlossen, bevor ich ihm die Bilder zeigen konnte", erinnert sich Hans Ticha an jene Zeit.
Um die junge Bevölkerung für sich zu gewinnen, führte der neue Generalsekretär Erich Honecker Anfang der 1970er-Jahre das Prinzip der "Weite und Vielfalt" ein. Damit brachte er einen gewissen Grad an Öffnung in die Kulturpolitik. Doch das währte nicht lange - wenige Jahre später verschärfte sich erneut die Auseinandersetzung mit den Kulturschaffenden - viele Schriftsteller wurden ausgeschlossen, ausgebürgert oder gingen erneut in die innere Emigration.
Auch Hans Ticha erinnert sich an einen Moment im Jahr 1977: "Mein Werk 'Mannschaft' sollte in Dresden in der Kunstausstellung der DDR ausgestellt werden. Ich fuhr zur Eröffnung, doch mein Bild war dann doch nicht mehr da. Ich traf einen anderen Kollegen, der ebenfalls sein Bild suchte. Später haben wir erfahren, dass die Bilder in einem gesonderten, abgeschlossenen Raum deponiert waren. Ich vermute, die Veranstalter wollten Honecker, der ebenfalls zur Eröffnung anwesend war, keinen Schreck einjagen. Man wollte den wahrscheinlich nicht damit konfrontieren", erzählt Hans Ticha.
"Agit-Pop": Wie die Pop-Art in die DDR kam
Er lebte von Buchillustrationen und Gebrauchsgrafiken. Die Kunst, die ihn interessierte, war in der DDR verpönt - die Pop-Art. Mit seinen knallbunten Farben und Formvereinfachungen ging er seinen eigenen Weg und zählte zu den wenigen in der DDR, die die Bildsprache der Pop-Art anwendeten: "Es gab ungeheuer wenig Informationen über diese Stilrichtung. Ich erinnere mich an einen einzigen Artikel in einer NBI, einer illustrierten Zeitschrift in der DDR, den ich zufällig in die Hand bekam. Dort waren mehrer Bilder von der amerikanischen Pop-Art abgebildet - allerdings sehr klein und in einer schlechten Qualität. Es war ein Schmähartikel, ich habe mir die Zeitschrift nicht wegen des Artikels, sondern wegen der Abbildungen gekauft", erinnert sich Ticha.
Er übernahm zwar die Stilrichtung der Pop-Art, passte die Themen aber an seine Realität in der DDR an: "Das dominierende Motiv der amerikanischen Pop-Art war der Massenkonsum, das war in der DDR gar kein Thema. Ich habe die Propaganda der DDR als Motiv genommen, so wie sich die DDR dargestellt hat. Das war mein Thema, das ich bis zum Ende verfolgt habe." Aus dem staatlichen Begriff Agitprop (Agitation und Propaganda) wurde Agit-Pop - eine Stilrichtung, die Künstler wie Hans Ticha mit ihren ironisch-kritischen Werken zur Staatsmacht geprägt haben: Persiflagen auf die Diktatur der Arbeiterklasse.
Berliner Mauer: Einzigartige Foto-Dokumentation
Als die Berliner Mauer am 9. November 1989 fiel, endeten 28 Jahre der Teilung zwischen Ost und West. Robert Conrad fotografierte den Abriss.
Bild: Robert Conrad
Grenzturm am Nordbahnhof (April 1990)
Rund 300 Beobachtungstürme wie diesen an der S-Bahn-Station Nordbahnhof gab es rund um West-Berlin. Einer der wenigen erhaltenen steht auf dem Gelände der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße. Wer am Nordbahnhof aussteigt, steht die direkt davor.
Bild: Robert Conrad
Potsdamer Platz (Februar 1990)
Schon kurz nach dem Mauerfall entstand am Potsdamer Platz ein provisorischer Grenzübergang, an dem bis zur Währungsunion zwischen der DDR und der BRD am 1. Juli 1990 aber nur sporadisch kontrolliert wurde. Am 3. Oktober feierte Deutschland endgültig seine Wiedervereinigung.
Bild: Robert Conrad
Kleingarten-Idylle an der Mauer (Juli 1990)
"Märkische Schweiz" heißt die Kleingartenanlage im Bezirk Neukölln, der während der Teilung Berlins zum Westen gehörte. Weil sich der Abriss von mehr als 150 Kilometern Mauer rund ein Jahr hinzog, entstanden überall Schlupflöcher, um schneller auf die jeweils andere Seite zu gelangen.
Bild: Robert Conrad
Mauerlyrik im hohen Norden (Oktober 1990)
Als die Berliner Mauer noch streng bewacht war, sah sie nur auf westlichen Seite bunt aus. Nach der Öffnung dauerte es aber nicht lange, bis auch die Rückseite verziert wurde, wie hier an der nördlichen Stadtgrenze zwischen dem Berliner Ortsteil Frohnau und dem benachbarten Hohen Neuendorf.
Bild: Robert Conrad
Wohnen mit dem Todesstreifen (April 1990)
Nahe des S-Bahnhofs Wollankstraße zwischen den Bezirken Wedding (West) und Pankow (Ost) stand ein Grenzturm direkt an einer Hauswand. Das war keine Seltenheit im geteilten Berlin. Von ihren Wohnungen aus konnten einige Ostberliner direkt auf den Todesstreifen blicken.
Bild: Robert Conrad
Postenturm und Panzersperren (April 1990)
Steinstücken im West-Berliner Bezirk Zehlendorf war fast komplett eingemauert und ragte wie ein Keil Richtung Potsdam, das zur DDR gehörte. Die Grenze war dort besonders aufwändig gesichert. Vom Wachturm hatten die Soldaten einen Panoramablick in alle Richtungen.
Bild: Robert Conrad
Mauer-Skelett aus Beton (Juli 1990)
So wie auf diesem Foto sah es rund um Berlin nach dem Mauerfall noch eine ganze Weile aus. Sogenannte Mauerspechte konnten noch Monate später kleine Erinnerungsstücke aus liegengebliebenen Betonplatten und Pfählen herauspicken. Inzwischen muss man schon ganz genau hingucken, um Mauerreste zu entdecken.
Bild: Robert Conrad
S-Bahnhof Unter den Linden (Februar 1990)
An den sogenannten Geisterbahnhöfen, von denen es 16 gab, hielten keine Züge. Stattdessen patrouillierten Grenzsoldaten auf abgedunkelten Bahnsteigen. Die Station Unter den Linden wurde nach dem Mauerfall in Brandenburger Tor umbenannt, weil sich hier das Berliner Wahrzeichen befindet.
Bild: Robert Conrad
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Als die Mauer 1961 gebaut wurde, war die Informationsbeschaffung und der Austausch mit Künstlerkollegen aus der Bundesrepublik noch spärlicher. Den Mauerbau zu kritisieren, zu hinterfragen oder gar verdeckt in seinen Werken zu behandeln, war gefährlich. Hans Ticha erinnert sich an eine Buchillustration: "Ich durfte den satirischen Science-Fiction-Roman 'Der Krieg mit den Molchen' von Karel Čapek illustrieren. Das Wort "Mauer" kam im Text vor, ergo habe ich eine Mauer gezeichnet. Der künstlerische Leiter hat gesagt, dass er die Illustration rausnehmen wird, sie würde das Projekt gefährden", sagt Ticha.
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Die Mauer im Buch
Die Veröffentlichung wurde aus technischen Gründen einige Jahre verzögert, am Ende kam das Buch raus: "Die Mauer war drin - ob er das vergessen hat oder einen Mutanfall hatte, weiß ich nicht. Das sind nur Vermutungen", lacht Ticha. Und es sollte nicht das letzte Mauerbild sein, das er gemalt hat. Sein Werk "Die Mauer" ist heute in der Erinnerungsstätte des Notaufnahmelagers Marienfelde ausgestellt. Nach der Wende ist er nach Mainz umgezogen, heute lebt der 80-jährige Künstler in der Nähe von Frankfurt.