Im Visier der Geheimdienste
10. September 2009Die Spuren der Attentate vom 11. September führten direkt nach Europa. Die für die Anschläge verantwortlichen Piloten lebten unter anderem in Hamburg. Ein Jahr später wurde Europa selbst zum Schauplatz des Terrorismus, mit den Anschlägen auf Madrid. 2004 sagte der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer, dass auch Europa verwundbar sei: "Wir müssen alles tun, um möglichst präventiv grenzüberschreitend agieren zu können. Wir dürfen uns vom Terrorismus nicht in die Knie zwingen lassen."
Informationsaustausch über Landesgrenzen hinweg
Die innere Sicherheit ist in der EU zunächst Sache der Einzelstaaten und das wurde angesichts des internationalen Terrorismus zum Problem. Als Konsequenz bestimmten die Regierungen 2004 einen Anti-Terror-Koordinator, den Niederländer Gijs de Vries. Einer seiner wichtigsten Aufgaben sei es, den Informationsaustausch sicher zu stellen. "Die Polizeikräfte der Mitgliedsstaaten können sich über Europol austauschen, unsere Staatsanwälte über die justizielle Zusammenarbeit in der EU und wir verabschieden Gesetze gegen die Finanzierung des Terrorismus. Denn Terroristen brauchen Geld und wir müssen sicherstellen, dass sie es nicht bekommen. Auch das braucht internationale Zusammenarbeit."
Mit deutlich verschärften Sicherheitskontrollen an Flughäfen waren die meisten Europäer einverstanden. Doch als die USA forderten, dass amerikanische Behörden Zugang zu europäischen Fluggastdaten haben sollten, regte sich der Widerstand. Der damalige EU-Justizkommissar Franco Frattini wollte diesen Zugriff einschränken: "Wir akzeptieren, dass Daten an andere Behörden weitergegeben werden, vorausgesetzt, diese haben vergleichbare Datenschutzstandards."
Jeder Bankkunde, jeder Mobilfunk- und Internetnutzer muss als Folge der verschärften Sicherheitsgesetze damit rechnen, dass seine Daten von Behörden abgefangen und gespeichert werden. Besonders kritisch beurteilten Bürgerrechtler, dass die europäischen Geheimdienste eine Liste mit Terror-Verdächtigen erstellten. Denn weder war bekannt, anhand welcher Daten die Indizien gesammelt wurden, noch wusste man, wer auf der Liste stand und wie man sich dagegen wehren könne. Dick Marty, Ermittler im Auftrag des Europarats machte deutlich: "Sie haben im Grunde keine wirkliche Handhabe dagegen, auf der Liste zu erscheinen. Sie kennen nicht den genauen Vorwurf, der gegen Sie erhoben wird, und Sie haben praktisch keine Möglichkeit zu erreichen, dass Sie von der Liste gestrichen werden."
Im Namen der Sicherheit
Dick Marty sah es nach seinen Ermittlungen auch als erwiesen an, dass die CIA in mehreren europäischen Staaten Geheimgefängnisse unterhalten habe. Wo genau, dazu machten die USA jedoch nie konkrete Angaben. Man könne jedoch nicht über die rechtlichen Auswirkungen nach dem 11. September sprechen, ohne Guantánamo zu nennen. In dem Terrorcamp auf dem US-Stützpunkt würden die Extreme gipfeln, so Marty weiter. Extrem sei auch, wie die US-Regierung die Gefangenen behandeln würde und wie sehr sich die Kritiker darüber empörten.
Der Europaabgeordnete Elmar Brok begründete das Verhalten der US-Regierung unter George W. Bush einmal mit dem Schock der Amerikaner nach dem 11. September. Unter dem Eindruck der Terrorakte seien die Ängste so groß, dass die Amerikaner Risiken in Kauf nähmen, die sogar die Werteordnung außer Kraft setzten. "Ich glaube, es muss deutlich gemacht werden, dass man im Kampf gegen den Terrorismus nur erfolgreich sein kann, wenn wir bewusst auch unsere Werte nicht selbst gefährden." Diese Kritik war ursprünglich auf die USA unter Präsident Bush gemünzt. Viele Kritiker finden, sie treffe inzwischen aber auch auf die EU zu: Im Namen der Sicherheit würden Rechte aushöhlt, die eigentlich das Markenzeichen der EU sein sollten.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Heidi Engels