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SED, PDS, Die Linke

Marcus Bösch6. Januar 2009

Über kaum eine andere Partei wird in Deutschland ähnlich heftig und emotional gestritten. Und keine Partei wechselte so schnell und häufig ihren Namen. Wer ist "Die Linke"? Woher kommt sie? Und – was will sie?

Oskar Lafontaine und Lothar Bisky von der Partei "Die Linke" (Foto: AP)
Vorwärts immer, rückwärts nimmer?Bild: AP

Dezember 1989. Die deutsch-deutsche Grenze ist seit einem Monat offen. Die Mauer ist gefallen. Mit ihr ein ganzes politisches System. Die Volkskammer streicht den Führungsanspruch der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands aus der Verfassung der DDR. Genossinnen und Genossen debattieren auf einem Sonderparteitag über die Zukunft der SED.

Die Zeit der SED ist abgelaufenBild: picture-alliance/dpa

Zwei Optionen stehen zur Wahl: Die Auflösung oder eine grundlegende Erneuerung von innen heraus. Aufgelöst wird die ehemalige Staatspartei nicht. Aber programmatisch überarbeitet und umbenannt. Aus der SED wird die SED-PDS. Die Partei des Demokratischen Sozialismus. Doch die wenigsten glauben an eine glorreiche Zukunft der Partei. Von ehemals rund 4000 hauptamtlichen Mitarbeitern bleiben nur etwa 200.

Ostdeutsche Regionalpartei?

Knapp 20 Jahre später agiert die Partei, die inzwischen "Die Linke" heißt, bei gesamtdeutschen Wahlen als viertstärkste Partei hinter SPD, CDU und FDP. Im Osten rangiert sie nahezu gleichauf mit der CDU und liegt in einigen Landtagen vor der SPD. Eine Erfolgsgeschichte. "Quasi aus dem Nichts, aus dem parlamentarischen Aus wurde hier eine Partei aufgestellt, die bei Bundestagswahlen mit bis zu zehn Prozent der Stimmen gehandelt wird. Das ist schon außergewöhnlich", erklärt der Politikwissenschaftler Tim Spier von der Uni Göttingen.

Gregor Gysi, bis 1993 Parteivorsitzender der SED-PDSBild: AP

Viele Beobachter damals halten die SED-PDS, die seit dem 4. Februar 1990 nur noch PDS heißt, für ein rein temporäres Phänomen. Zwar erreicht die PDS im Dezember 1990 bei den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen im Osten 11,1 Prozent. Bundesweit sind es allerdings nur 2,4 Prozent. Mit der Angleichung der ökonomischen und sozialen Verhältnisse werde die Bedeutung einer solchen ostdeutschen Regionalpartei nachlassen, so urteilen viele politische Beobachter.

"Entwicklung im Schnelldurchlauf"

Aber der Aufstieg der PDS scheint kontinuierlich und unaufhaltsam. In Thüringen erreicht die Partei bei den Landtagswahlen 1990 insgesamt 9,7 Prozent. Vier Jahre später sind es 16,6 Prozent. 1999 sind es 21,3 und 2004 gar 26,2 Prozent. Zuviel, um reine Regional- oder Protestpartei zu sein. 1994 kommt es in Sachsen-Anhalt erstmals zu einer rot-grünen Landesregierung von SPD und Grünen, die sich auf eine Tolerierung durch die PDS stützt. Die erste rot-rote SPD-PDS-Koalition wird 1998 in Mecklenburg-Vorpommern gebildet. Seit 2001 regiert in der Bundeshauptstadt Berlin ebenfalls eine rot-rote Koalition. Für Spier eine "Entwicklung im Schnelldurchlauf".

Doch die Regierungsbeteiligung in Berlin ist nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Bei den Landtagswahlen 2006 verliert die Partei in den Hochburgen im Osten bis zu 20 Prozent. Schuld: Mangelndes Profil – da sind sich die Kommentatoren einig. Wie gerufen kommt der Partei da die "Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative" (WASG). Die WASG, ein Bündnis aus ehemaligen SPD-Mitgliedern und Gewerkschaftern, hatte sich Anfang 2005 als Partei konstituiert – aus Protest gegen die wirtschaftliche Reformpolitik des damaligen SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Auch bei der WASG bekennt man sich zum demokratischen Sozialismus. Beide Parteien verschmelzen. Und nennen sich fortan "Die Linke".


Oskar Lafontaine, zusammen mit Lothar Bisky Vorsitzender der Partei "Die Linke"Bild: AP

Eine kleine etablierte Partei

In Bremen gelingt der neuen Partei "Die Linke" im Mai 2007 erstmals der Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. Mittlerweile ist sie auch im hessischen und im niedersächsischen Landtag vertreten. Die Partei habe ein Gefühl für eine Stimmung in der Bevölkerung gefunden, analysiert Spier. Die Linke könne offenbar einen Bedarf an sozialer Gerechtigkeit besser bedienen, als es die SPD als traditionelle Partei der sozialen Frage im Moment vermöge. "Damit hat die Linke ihre Weiterexistenz auf absehbare Zeit gesichert", so Spier.

Gekommen um zu bleiben?!Bild: AP

Über kaum eine andere Partei wird in Deutschland so beherzt und emotional debattiert wie über "Die Linke". Die neu-alte Partei weckt immer wieder alte anti-kommunistische Reflexe bürgerlicher Parteien. Aber auch die bürgerlichen Parteien müssen eingestehen: Im Moment und offenbar auch auf absehbare Zeit ist aus der deutschen Vier- eine Fünfparteienlandschaft geworden. Nur was die "Linke" genau will? Das muss sie selber noch festlegen. Bis jetzt gibt es noch kein Parteiprogramm. Und die "Eckpunkte" sind verwirrend: Die Partei steht nach eigener Aussage zur Marktwirtschaft und will doch zugleich den Kapitalismus überwinden.

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