1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Religion nicht instrumentalisieren"

17. März 2019

Ihr Land ist geprägt von Gewalt und Armut. Zwei prominente Religionsvertreter, Imam und Kardinal, aus der Zentralafrikanischen Republik betonen, dass die Konflikte religiös motiviert seien - und kritisieren die Politik.

Religionsvertreter der Zentralafrikanischen Republik (ZAR)
Bild: DW/C. Strack

Prominente Religionsvertreter aus der Zentralafrikanischen Republik haben in Berlin für ein interreligiöses Friedensprojekt in ihrem Land geworben. Der katholische Kardinal Dieudonné Nzapalainga und der muslimische Imam Layama Kobine betonen, dass die Konflikte in dem von Armut und Gewalt geprägten Land nicht religiös motiviert seien. Sie fordern auch ein Ende von Waffenverkäufen in die Region. Am Freitag trauerten die beiden, die 2015 gemeinsam den Aachener Friedenspreis erhielten, in Berlin bei einer Gedenkminute des interreligiösen Projekts "House of One" um die Toten des Terroranschlags im neuseeländischen Christchurch.

Deutsche Welle: Ihr Land ist geprägt von Krieg und Gewalt. In vielen Ländern der Erde sind solche Konflikte religiös begründet. Viele denken das auch mit Blick auf Ihr Land.

Kardinal: In Deutschland mag man meinen, das sei ein religiöser Krieg und ein religiöser Konflikt. Aber die Realität ist ganz anders. Die Kriegsereignisse sind eine militärisch-politische Krise. Und Religion wird höchstens instrumentalisiert für militärisch-politische Interessen. Mein Freund, der Imam, hat in den Zeiten der größten Krise und der schlimmsten Gewalt mit seiner Frau und seiner Familie sechs Monate in meinem Haus gewohnt und so Schutz gefunden. Gemeinsam sind wir raus gegangen, um der ganzen Bevölkerung die Botschaft nahe zu bringen: Das ist keine religiöse Krise, kein religiöser Konflikt.

Kardinal Dieudonné Nzapalainga (52) ist Erzbischof von Bangui. Er ist der weltweit jüngste Kardinal. Bild: DW/C. Strack

Kürzlich war ich im Norden des Landes, wo die Krise begann. Dort leben noch heute Christen und Muslime zusammen. Keine Kirche ist dort zerstört, keine Moschee. Wenn man die Menschen dort fragt, woran das liegt, sagen sie: Wir sind untereinander nicht uneins. Wir wollen höchstens gemeinsam die Regierung bekämpfen. Den Konflikt als religiös zu bezeichnen, ist eine Manipulation. Wir dürfen in diese Falle nicht hineingeraten.

Imam: Seit bereits vier Jahren erleben wir, dass unsere gemeinsamen Botschaften von vielen Menschen gut aufgenommen werden. Die Aufmerksamkeit gegenüber unserer interreligiösen Plattform wächst. Deutschland darf unser Land nicht vergessen. Wir hoffen auf die Entwicklungszusammenarbeit und Partner wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und unsere Verbundenheit mit dem "House of One" hier in Berlin. Wir wollen, dass die Religionen die Basis für Frieden und Wiederaufbau werden.

Das Thema Religion wird heute von vielen Politikern zur Abgrenzung politisch aufgeladen. Sei es in den USA oder Lateinamerika,  Europa oder Afrika. Wie bewerten Sie das?

Imam Kobine Layama. Er ist auch Präsident des islamischen Rates seines Landes. Bild: DW/C. Strack

Imam: Die Politik entfernt sich vom Anliegen der Religionen. Wenn die Welt heute aus den Fugen gerät, kommen zwar häufig Vorurteile oder Verurteilungen gegen Religion auf, aber letztlich geht es um politische Interessen. Deswegen ist unsere Botschaft an die Politik stets, dass Religion nie Ursache von Hass und Zwietracht sein kann. Und dass die Politik aufhören muss, Religion zu instrumentalisieren.

Nun möchten Sie in Bangui ein "Haus des Friedens" errichten und orientieren sich dabei an einem Berliner Projekt, dem "House of One". Was versprechen Sie sich von einem "Haus des Friedens" der Religionen?

Kardinal: Deutschland hat eine lange Geschichte an religiösen Konflikten und an schrecklichen Kriegen erlebt. Und das Land, so scheint mir, hat seine Lektionen gelernt. Weil es Menschen gab, die ihre Türen öffneten, die den anderen wahrnahmen und Egoismus und Entzweiung widersagten. Wir sehen im "House of One" ein Zeichen, dem Raum zu geben, was die Religionen möchten, untereinander zusammenzukommen und sich untereinander zu verstehen. Das ist auch unsere Vision für die Zentralafrikanische Republik. Und es ist gut, wenn alle Religionen positive Kräfte werden im Wiederaufbau. Und wenn wir lernen, den anderen willkommen zu heißen und Unterschiede zu respektieren.

Die Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik BanguiBild: Reuters/S. Modola

Wie weit sind Sie?

Kardinal: Wir sind jetzt dabei, mit der internationalen Architektenschule in Lomé/Togo zusammenzuarbeiten und auch Architekten aus Deutschland einzubeziehen, um unsere Vision in eine einzigartige Erfahrung zu überführen. All das dient dem Ziel, eine Botschaft der Hoffnung und auch der Zukunft in unsere Bevölkerung hineinzutragen. Wenn wir das gemeinsam versuchen, sind wir stark. Bei uns sagt ein Sprichwort: Wir können mit einem Finger nie den Staub aus unseren Haaren kriegen, wir brauchen, um unsere Haare zu säubern, immer zwei, drei, vier Finger. Das gemeinsame Handeln ist für uns eine Notwendigkeit.

Imam: Das "Haus des Friedens" soll letztlich auch die Geschichte festhalten und eine Lehre für künftige Generationen werden. Wir werden in diesem Haus auch ein Museum einrichten. Es soll zeigen, was vorherige Generationen geleistet haben, aber auch erleiden mussten. So kann es ein großes Signal werden, miteinander in Frieden und in gegenseitigem Respekt zu leben.

Seit Jahren erschüttern blutige Konflikte Teile der Zentralafrikanische Republik. Dieses Foto entstand 2017.Bild: Getty Images/AFP/A. Huguet

Sie schildern des öfteren, dass fast jedes Kind in ihrem Land eine Waffe hat. Was erwarten Sie von den Ländern, die Waffen in ihre Region verkaufen?

Kardinal: Wenn die Kinder Waffen in der Hand haben, wird das Töten eine Banalität. Das zerstört die Menschlichkeit. Unser Appell ist: Für eine Welt in Frieden brauchen wir einen grundlegend anderen Weg. Das kann nicht der Weg der Waffen sein. Es geht um Instrumente des Friedens, die wir zum Beispiel Schule nennen. Es geht darum, Orte zu schaffen, an denen die Menschen einander begegnen. Und diese Instrumente dort einzusetzen, wo wir die verschiedenen ethnischen Gruppen zusammenführen, anstatt sie zu trennen. Deshalb fordern wir: Gebt uns statt der Waffen, die überall in der Region, nicht nur in unserem Land zum Tode führen, Instrumente des Friedens.

Imam: Man kann nicht seine Verantwortung für Menschenrechte und gutes Lebens für alle betonen und im gleichen Moment Waffen herstellen und exportieren, die Leben zerstören. Daran müssen wir als religiöse Führer immer wieder erinnern. Wir sehen die Konsequenzen des Waffenhandels. Menschen sterben, werden vertrieben, müssen fliehen, stoßen auf Ablehnung und Hass. Wir brauchen nicht Waffen, sondern Instrumente der Entwicklung und der menschlichen Entfaltung.

Das Gespräch führte Christoph Strack 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen