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Politik

Kritik aus EU an Wahlannullierung in Istanbul

7. Mai 2019

Die EU-Kommission, die Bundesregierung, die Türkische Gemeinde in Deutschland und noch andere sind empört über die Annullierung in Istanbul. Bürgermeister Imamoglu als Hauptbetroffener versucht dennoch, Ruhe zu bewahren.

Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu vor Beratungen mit den Parteifreunden von der CHP (Foto: Getty Images/AFP/A. Altan)
Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu vor Beratungen mit den Parteifreunden von der CHP Bild: Getty Images/AFP/A. Altan

Zu den deutschen Kritikern  der Wahlannullierung und -wiederholung gehört unter anderen Bundesaußenminister Heiko Maas. "Die Entscheidung des Hohen Wahlrats, das Ergebnis der Kommunalwahlen in Istanbul für ungültig zu erklären und eine Wahlwiederholung anzuordnen, ist für uns nicht transparent und nicht nachvollziehbar", sagte er in Berlin. "Über die Besetzung des Oberbürgermeisteramtes in Istanbul kann und darf allein der Wille der türkischen Wählerinnen und Wähler entscheiden." Die Einhaltung demokratischer Grundprinzipien mit transparenten Wahlbedingungen habe aus Sicht der Bundesregierung oberste Priorität. Bei der Kommunalwahl in Istanbul vor mehr als vier Wochen hatte die Opposition knapp über die Regierungspartei AKP gesiegt, was auch als schwere Schlappe für Präsident Recep Tayyip Erdogan gewertet wurde.

"Erdogan offenbart sich als verbitterter alter Mann"

Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir wertete die Annullierung als undemokratisch. "Mit Demokratie hat das rein gar nichts mehr zu tun", sagte der Bundestagsabgeordnete. Der türkische Präsident "beweist mit der Annullierung der Wahl in Istanbul keine Stärke, sondern offenbart sich als ein verbitterter alter Mann, der den Zenit seiner Macht längst überschritten hat". 

Bundesaußenminister Heiko Maas hält die Annullierung "für nicht transparent und nicht nachvollziehbar"Bild: picture-alliance/dpa/F. Sommer

Zuvor hatte bereits die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini Aufklärung gefordert, wie die Entscheidung zur Wiederholung der Wahl zustande kam. "Die Rechtfertigung für diesen weitreichenden Beschluss, der in einem hochpolitisierten Umfeld gefällt wurde, sollte der Öffentlichkeit unverzüglich zugänglich gemacht werden", sagte Mogherini. Ähnlich äußerte sich auch EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Beide EU-Vertreter verlangten, die Türkei müsse Wahlbeobachter des Europarates zu dem neuen Urnengang einladen.

Wahlwiederholung am 23. Juni

Die oberste türkische Wahlkommission hatte am Montag über einen Monat nach der Niederlage der Regierungspartei AKP bei der Kommunalwahl in Istanbul das Votum annulliert. Das Gremium begründete seine Entscheidung mit Unregelmäßigkeiten bei der Wahl und ordnete eine Wiederholung am 23. Juni an. Damit gab die Kommission einer Beschwerde der AKP statt.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verlangt eine "Rechtfertigung für diesen weitreichenden Beschluss"Bild: Europäische Union 2019/M. Dossmann

Der bereits zum Bürgermeister ernannte Ekrem Imamoglu von der oppositionellen CHP warf der Wahlkommission vor, unter dem Einfluss der AKP zu stehen. Vor tausenden Anhängern in der Millionenmetropole bezeichnete er die Annullierung der Abstimmung am Montagabend als Verrat. "Vielleicht seid ihr aufgebracht, aber verliert nie eure Hoffnung", mahnte er. Imamoglu beriet am Vormittag mit dem Chef seiner Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, das weitere Vorgehen. Anschließend wurde mitgeteilt, dass die Partei an der Wahl im kommenden Monat teilnehmen werde. Später soll noch ein Treffen mit der Chefin der rechtsgerichteten IYI-Partei, Meral Aksener, folgen.

"Entscheidung, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun hat"

Imamoglu war bei der Wahl am 31. März nach einer zweiten Auszählung mit rund 13.000 Stimmen knapp vor dem AKP-Kandidaten und früheren Ministerpräsidenten Binali Yildirim gelandet. Yildirim, ein enger Verbündeter Erdogans, erklärte nach der Entscheidung der Wahlbehörde zur Wiederholung des Urnengangs, er hoffe, diese werde "vorteilhaft für unsere Stadt sein".

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, sieht die Türkei in eine Diktatur abdriftenBild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Inzwischen warnte die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) vor einem Abgleiten der Türkei in die Diktatur. "Sie entfernt sich von rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien", sagte TGD-Chef Gökay Sofuoglu der Nachrichtenagentur AFP. Die Annullierung der Wahl wertete er als "politische Entscheidung, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun hat". Mit dem Schritt sende die türkische Führung die Botschaft aus: "Ihr dürft bei Wahlen antreten, aber nicht gewinnen." Dies schade der türkischen Wirtschaft, der Demokratie und damit der Türkei insgesamt. Die Menschen müssten daran glauben können, dass eine Übernahme von Macht durch demokratische Wahlen möglich sei. Sofuoglu: "Wenn dieser Glaube schwindet, dann verliert die Demokratie an Legitimität."

sti/AR (afp, rtr)