1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Katastrophe

Immer mehr Todesopfer nach schweren Unwettern

15. Juli 2021

Heftiger Dauerregen hat im Westen Deutschlands Flüsse und Bäche in reißende Fluten verwandelt. Infolge der heftigen Unwetter kommen mindestens 58 Menschen ums Leben. Dutzende weitere werden noch immer vermisst.

Deutschland | Unwetter in Rheinland-Pfalz
Verwüstung durch das Unwetter in dem Ort SchuldBild: Christoph Reichwein/TNN/dpa/picture alliance

Ganze Landstriche sind verwüstet, Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten, Häuser weggespült. Die Unwetter haben große Schäden und viele Opfer verursacht. "So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen. Es ist wirklich verheerend", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Mainz.

Die Lage ist nach dem Dauerregen vielerorts in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen unübersichtlich. Straßen wurden überschwemmt, Keller liefen voll. Retter und Retterinnen brachten Menschen in überschwemmten Orten zum Teil mit Booten in Sicherheit. Viele suchten auf Bäumen und Hausdächern Schutz vor den Fluten, Rettungshubschrauber waren im Einsatz. Es sei schwierig, die Vermissten zu erreichen, da das Mobilfunknetz zum Teil ausgefallen sei, sagte Dreyer.

Aus dieser Straße in Esch im Kreis Ahrweiler wurde ein reißender Strom Bild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Merkel dankt Helfern

Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte den Helfern. "Ich bin erschüttert über die Katastrophe, die so viele Menschen in den Hochwassergebieten durchleiden müssen", erklärte Merkel, wie ihr Sprecher Steffen Seibert twitterte. "Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten und Vermissten. Den vielen unermüdlichen Helfern und Einsatzkräften danke ich von Herzen."

Die Bundeskanzlerin stellte den Opfern der Überschwemmungen die Hilfe der Bundesregierung in Aussicht. Sie habe darüber bereits mit Finanzminister Olaf Scholz gesprochen. Man werde in der Bundesregierung erörtern, welche Hilfe man bei den anstehenden Aufbauarbeiten leisten könne, sagt Merkel bei einem Besuch in Washington. "Sie können darauf vertrauen, dass alle Kräfte unseres Staates, von Bund, Ländern und Gemeinden, gemeinsam alles daran setzen werden, auch unter schwierigsten Bedingungen Leben zu retten, Gefahren abzuwenden und Not zu lindern."

In Rheinland-Pfalz waren mehrere Orte in der Eifel besonders schwer von dem Hochwasser betroffen. IInnenminister Roger Lewentz sagte am Abend, die Zahl der Todesopfer in Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe habe sich auf 28 erhöht. Noch immer würden Dutzende Menschen vermisst. Erheblich betroffen sind auch die Landkreise Bitburg-Prüm, Vulkaneifel und Trier-Saarburg. Vielfach mussten Kindertagesstätten und Schulen geschlossen bleiben.

In Walporzheim im Ahrtal berichtete ein Anwohner gegenüber der Deutschen Welle von seinen Unwetter-Erfahrungen. 

Schwere Hochwasserschäden in Walporzheim

00:25

This browser does not support the video element.

Eingestürzte Häuser

In der Gemeinde Schuld an der Ahr wurden in der Nacht zum Donnerstag nach Angaben der Polizei in Koblenz vier Häuser völlig und zwei weitere Häuser zur Hälfte weggespült. Eine Vielzahl weiterer Gebäude ist einsturzgefährdet. Die Fluten schnitten mehrere Orte von der Außenwelt ab. Etwa 50 Menschen wurden von Hausdächern gerettet, auf denen sie Zuflucht gesucht hatten. Auch im Eifelkreis Bitburg-Prüm wurden Menschen in ihren Häusern von den Wassermassen eingeschlossen. Die Bewohner von mehreren Gemeinden waren von Stromausfall und Einschränkungen der Trinkwasserversorgung betroffen.

In Nordrhein-Westfalen bleibt die Lage ebenfalls weiter angespannt. Nach dem Abklingen des Starkregens kämpfen Feuerwehr und andere Einsatzkräfte an vielen Orten mit einer sich verschärfenden Hochwasserlage. Mindestens 30 Menschen kamen ums Leben, die meisten im südlichen Landesteil. 

In der Gemeinde Heimerzheim in der Nähe von Bonn mussten rund 6000 Anwohner ihre Häuser und Wohnungen verlassen, wie die DW-Korrespondentin Marie Sina berichtet. 

Die Bundeswehr hat nach der Katastrophe weitere Soldaten in den Hilfseinsatz geschickt. Inzwischen seien mindestens 850 Männer und Frauen zur Unterstützung
der Rettungsarbeiten eingesetzt, sagte ein Bundeswehrsprecher der Deutschen Presse-Agentur am Abend.

Politiker eilen herbei

Mehrere Politiker trafen derweil im Katastrophengebiet ein. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet machte sich in Altena und in Hagen ein Bild von der Lage. Rund 440 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk und 100 Kräfte der Bundeswehr waren allein in Hagen unterwegs, um der Wassermassen Herr zu werden. Eine Reise durch Süddeutschland hatte Laschet abgebrochen und auch seine Teilnahme an der CSU-Klausur im bayerischen Seeon abgesagt. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) unterbrach wegen des Hochwassers seinen Urlaub, um sich mit Dreyer die Lage in Rheinland-Pfalz anzusehen. Auch die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kehrt vorzeitig aus dem Urlaub zurück.

Unterspülte Straße bei SchuldBild: Wolfgang Rattay/REUTERS

Damm einer Talsperre droht zu brechen

Der Damm der Steinbachtalsperre in Euskirchen im Südwesten von Nordrhein-Westfalen droht aufgrund des Unwetters zu brechen. Eine nahegelegene Autobahn wurde vollständig gesperrt, wie die Polizei mitteilte. Zur Beobachtung des Dammes seien das Technische Hilfswerk (THW) und die Polizei vor Ort. Die Talsperre drohte aufgrund des stundenlangen Starkregens zeitweise überzulaufen, das Wasser schwappte bereits über die Dammkrone der Staumauer. Inzwischen ist der Pegelstand laut THW leicht gesunken. 

Feuerwehrleute versuchen im Ahrtal mit Sperrwänden Schlimmeres zu verhindernBild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Auch andere Talsperren in Nordrhein-Westfalen sind nach dem andauernden Starkregen, den das Tiefdruckgebiet "Bernd" mitbrachte, am Limit. In Hückeswagen im Oberbergischen Kreis lief die Bevertalsperre über. Das Wasser laufe aktuell unkontrolliert über den Rand der Staumauer, teilte ein Sprecher der Leitstelle am Donnerstagmorgen mit. Mehr als 1000 Menschen mussten demnach ihre Häuser verlassen.

Stromausfälle und Verkehrsbehinderungen

In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind nach Angaben des Strom-Verteilnetzbetreibers Westnetz mindestens 200.000 Menschen ohne Strom. Aus Sicherheitsgründen würden Umspannanlagen bei eindringendem Wasser abgeschaltet, teilte das Unternehmen mit. Wegen einer Störung der Stromversorgung muss in Leverkusen ein Krankenhaus komplett evakuiert werden. Betroffen sind 468 Patienten. Infolge des Starkregens ist in Eschweiler bei Aachen die Trinkwasserversorgung ausgefallen.

Die Fluten behinderten auch den Verkehr und sorgten für lange Staus. Die Deutsche Bahn rief Reisende auf, Fahrten von und nach Nordrhein-Westfalen nach Möglichkeit zu verschieben. Mehrere Hauptstrecken waren durch die Fluten unterbrochen.

 Tief "Bernd" führte bereits am Mittwoch vielerorts zu Alarm: Es kam zu Erdrutschen, Straßen wurden überspült, hunderte Keller liefen voll und der Bahn- und Straßenverkehr war gestört. Der massive Dauerregen betraf neben Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auch das Saarland, Baden-Württemberg, Sachsen und Bayern.

Höhepunkt offenbar überschritten

Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist der Höhepunkt der extremen Niederschläge in Teilen Deutschlands überschritten. Der DWD-Meteorologe Marco Manitta erwartet "eine Entspannung der Wetterlage". Zwar könne es weiterhin "punktuellen Starkregen" geben, dieser sei aber nicht mehr so verbreitet wie in der vergangenen Nacht, sagte Manitta der Deutschen Presse-Agentur. "Das Unwetterpotenzial sinkt deutlich."

Die größten Niederschlagsmengen gab es Manitta zufolge in einem breiten Streifen vom Sauerland über das Bergische Land und die Eifel, den Großraum Köln/Bonn bis zur Grenze nach Luxemburg. Spitzenreiter war Rheinbach-Todenfeld im Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen mit 158 Millimeter Wasser in 24 Stunden.  

kle/fab (dpa, afp, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen