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Politik

Immer mehr US-Bürger zieht es nach Mexiko

Andreas Knobloch
2. März 2020

Der illegalen Einwanderung aus Mexiko sagt US-Präsident Donald Trump bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Kampf an. Weniger beachtet in dieser politischen Debatte sind dagegen US-Bürger, die nach Mexiko emigrieren.

Mexico Fine Arts Palace in Mexiko City
Touristen im Zentrum von Mexiko-StadtBild: picture-alliance/AP Photo/B. Hernandez

Es hat auch mit Donald Trump zu tun, dass Roderick Conrad vor einigen Monaten nach Mexiko-Stadt gezogen ist. Das tägliche Gerede über Rasse in den USA habe zu seiner Entscheidung beigetragen, sagt der Endfünfziger, der lange als Synchronsprecher gearbeitet hat. "In den USA wird jeder über seine Nationalität oder seine Rasse definiert. Ich wollte einmal die Erfahrung machen, als Afroamerikaner im Ausland zu leben." Nach 20 Jahren in New York sei er bereit für einen Tapetenwechsel gewesen.

Das US State Department schätzt, dass 1,5 Millionen US-Amerikaner in Mexiko leben – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Zuletzt waren es immer mehr junge Leute. Viele reisen mit einem Touristenvisum ein und bleiben dann. So wie Kathleen Roberton. Das Unternehmen in Washington D.C., für das sie arbeitete, machte im Sommer 2015 dicht. Da sie keine Familie an der Ostküste hatte, entschied die 42-Jährige aus Spokane im Bundesstaat Washington, eine Auszeit in Mexiko zu nehmen. 

"Es war der richtige Schritt"

Begeistert von der Gastfreundschaft und der Großzügigkeit der Leute ließ sie schließlich ihren Rückflug verfallen. Als ein halbes Jahr später ihr früherer Chef anrief und sie in die wieder geöffnete Firma zurückholen wollte, lehnte sie ab. Heute lebt sie den Großteil des Jahres in Mexiko-Stadt und arbeitet von dort aus für ein Highschool-Programm in den USA. "Es war der richtige Schritt", sagt sie.

Roderick Conrad war die Diskussionen in den USA über Rasse und Nationalität leid Bild: DW/A. Knobloch

Auch Lea Ghandour, als Tochter libanesischer Eltern in New York aufgewachsen, wollte eigentlich nur ein Wochenende in Mexiko-Stadt verbringen. Beinahe zwei Jahre ist das nun her. Die 40-Jährige koordiniert von ihrem Laptop aus Projekte in den USA. Zunächst hatte sie sich bemüht, in Mexiko Arbeit zu finden. "Aber es gibt keine Start-Up-Kultur wie in New York, keine Jobs im Homeoffice. Ich wollte keine zwölf Stunden am Tag arbeiten. Als ich herausfand, was Mexikaner im Schnitt verdienen, beschloss ich, lieber als Freiberuflerin zu arbeiten." Obwohl sie weit weniger verdient als in New York, habe sie eine bessere Lebensqualität. Arbeit sei eben nicht alles, sagt Ghandour. Mexikanische Freundinnen zu finden, sei dagegen schwierig. "Für die Leute bin ich eben das Mädchen aus New York."

Roderick Conrad dagegen erlebt Mexiko in gewisser Weise als Befreiung. „In den USA muss ich mich immer auch als schwarze Person betrachten, vor allem gegenüber der Polizei. Hier nicht; in vielerlei Hinsicht ist es besser hier." Er schwärmt vom kulturellen Angebot und den Leuten. "Innerhalb eines Monats habe ich mich zuhause gefühlt", so Conrad. "In New York dreht sich alles ums Geld und um die Arbeit. Die Mieten steigen. New York wird eine Stadt für die Reichen."

Lea Ghandour lebt seit zwei Jahren in MexikoBild: DW/A. Knobloch

Ähnlich sieht es auch Kathleen Roberton. Zwar sei ihre Miete in Mexiko-Stadt nicht billig, aber hier bekomme sie ein geräumiges Apartment für den Preis eines Zimmers in DC. Und für Lebensmittel gebe sie viel, viel weniger aus. "Lebensqualität und Stresslevel sind eben direkt mit den Lebenshaltungskosten verbunden", sagt sie. Ganz ohne Stress verläuft aber auch ihr neues Leben nicht: Denn einen geregelten Aufenthaltsstatus hat Roberton bis heute nicht.

Wie Mexiko US-Migranten bevorzugt

Auch wenn die mexikanische Regierung Migranten aus Zentralamerika kontrolliert und abschiebt, verfolgt sie gegenüber US-amerikanischen Einwanderern einen eher laxen Ansatz - unabhängig davon, ob sie legal im Land sind oder nicht. "Wir haben sie nie unter Druck gesetzt, ihre Dokumente in Ordnung zu bringen", sagte Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard im vergangenen Jahr gegenüber der Washington Post.

Der "Touristenstatus" führt aber zu Schwierigkeiten im Alltag. "Ich habe zum Beispiel keine Krankenversicherung", erklärt Roberton. "Das bereitet mir schon Sorge. Auch kann ich keine Wohnung auf meinen Namen anmieten oder ein Bankkonto eröffnen." Zum Glück habe sie Freunde, die ihr mit dem Behördenkram helfen. Telefon, aber auch die Miete, zahlt sie in bar.

Kathleen Roberton wollte sich zunächst nur eine Auszeit nehmen und bliebBild: DW/A. Knobloch

Nicole Pierpont hat diese Probleme nicht. Als Tochter eines mexikanischen Vaters und einer salvadorianischen Mutter hat sie neben ihrem US-Pass auch einen mexikanischen. In Kalifornien geboren, verbrachte sie einen Großteil ihrer Jugend in Costa Rica. „Als ich zurück in die USA kam, war das ein Kulturschock. Ich fühlte mich als Außenseiterin." In Kalifornien habe sie dann zum Teil drei Jobs gleichzeitig gehabt, um ihre Miete zahlen zu können. Als sie ein Stellenangebot in Los Cabos, Baja California, erhielt, überlegte sie nicht lange und ging in die Heimat ihres Vaters.

"Es beginnt, ein sehr wichtiges kulturelles Phänomen zu werden"

Wenn man die Tausenden von mexikanisch-Stämmigen wie Pierpont berücksichtigt, ist der Zustrom von Migranten aus den Vereinigten Staaten nach Mexiko wahrscheinlich größer als der von Mexikanern in die Vereinigten Staaten. "Es beginnt, ein sehr wichtiges kulturelles Phänomen zu werden. Ähnlich der mexikanischen Community in den USA", sagt Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard. Während die USA in Einwanderungsfragen tief gespalten sind, sind US-Amerikaner in Mexiko weitestgehend willkommen.

"Die Leute sind anfangs etwas verwirrt wegen meines Spanisch, aber wenn sie hören, dass mein Vater von hier ist, reagieren sie freundlich", erzählt Pierpont, die heute einen kleinen Design-Shop in Mexiko-Stadt betreibt. "Das erste Jahr war nicht einfach, aber heute kenne ich alle Leute in der Nachbarschaft und die Leute kennen mich." Mittlerweile fühlt sich die junge Frau in Mexiko zu Hause.

Einmal habe sie ihren Personalausweis verloren. Als sie ihn erneuern wollte, hätten ihr die Behörden nicht geglaubt. "Helle Haut, blaue Augen? Das ist ein gefälschter Ausweis. Du bist keine Mexikanerin, wurde mir gesagt", so Pierpont. "Man wird anders behandelt, weil man aus Kalifornien kommt und anders aussieht. So muss es sich für mexikanische Amerikaner in den USA anfühlen."