Immer zugewandt: Muslimischer Dank an Franziskus
24. April 2025
Der am 21. April verstorbene Papst Franziskus arbeitete bis zuletzt. Der wohl letzte Gast aus Deutschland, den er vor seinem 38-tägigen Krankenhaus-Aufenthalt (14. Februar bis 23. März) im Vatikan empfing, war Abdassamad El Yazidi. Der 49-jährige ist Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. El Yazidi, der sich in Deutschland und international im interreligiösen Dialog engagiert, begegnete dem katholischen Kirchenoberhaupt in Bahrain (November 2022) und mehrmals im Vatikan. Der Deutschen Welle schildert El Yazidi seine Erinnerungen an das letzte Treffen.
DW: Herr El Yazidi, Sie waren vermutlich der letzte Deutsche, der mit etwas Zeit am 10. Februar bei Papst Franziskus zu Gast war. Wie kam es dazu?
Abdassamad El Yazidi: Die knapp 25-minütige Begegnung fand im Rahmen einer Delegation von AMMALE statt, einem Zusammenschluss muslimischer Organisationen und Persönlichkeiten auf europäischer Ebene, dessen Vizepräsident und Beauftragter für den interreligiösen Dialog ich bin.
Es war ein intensives und inhaltlich reiches Gespräch mit Papst Franziskus. Wir sprachen über die Notwendigkeit, den muslimisch-christlichen Dialog auf institutioneller Ebene zu vertiefen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Idee angeregt, künftig jährlich eine Dialogkonferenz in Kooperation zwischen dem Vatikan und muslimischen Organisationen Europas zu veranstalten.
An dem Tag war Franziskus schon angeschlagen. Konnten Sie das spüren?
Ja, seine körperliche Schwäche war nicht zu übersehen. Er war sichtbar erschöpft, atmete schwer und sprach mit leiser Stimme - doch geistig war er vollkommen präsent. Als ich mich bei ihm dafür bedankte, dass er das Gespräch trotz seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung wahrnahm, antwortete er lächelnd: "Unkraut vergeht nicht".
Danach bat er mich mit großer Ernsthaftigkeit: "Beten Sie für mich!" Diese Worte haben sich tief in mein Herz eingeprägt. Ich dachte in diesem Moment nicht daran, dass das meine letzte Begegnung mit dieser großartigen Persönlichkeit sein würde. Es war ein Treffen voller Wärme, voller Humor und spiritueller Tiefe.
Sie sind ihm insgesamt vier- oder fünfmal begegnet. Wie redet man dann mit dem Papst, wie redete er mit Ihnen?
Papst Franziskus war in jeder Begegnung zutiefst menschlich, zugewandt, nie distanziert. Er hatte die Gabe, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen - unabhängig von Religion oder Herkunft. Unsere Gespräche waren offen, persönlich und stets getragen von einer gemeinsamen Botschaft des gegenseitigen Respektes und des friedlichen Miteinanders.
Er erinnerte in seinen Gesprächen oft an unsere besondere Verantwortung und an die Vorbildfunktion der geistlichen Würdenträger. Ich werde seine Bescheidenheit und innere Kraft nie vergessen.
Täuscht der Eindruck - oder hat Franziskus häufiger muslimische Delegationen getroffen, als es öffentlich wahrgenommen wurde?
Nein, der Eindruck täuscht nicht. Tatsächlich hatte er regelmäßig und oft im Stillen Begegnungen mit muslimischen Delegationen. Für ihn war der interreligiöse Dialog keine symbolische Geste, sondern ein Ausdruck seines tiefen Glaubens an die gemeinsame Verantwortung der Religionen für den Frieden. Viele dieser Treffen fanden abseits der medialen Aufmerksamkeit statt - und genau darin lag ihre Authentizität.
Wie hat sich der muslimisch-katholische Dialog nach Ihrer Einschätzung durch die Franziskus-Jahre verändert?
Er hat sich nachhaltig vertieft. Papst Franziskus hat Brücken gebaut, wo zuvor Gräben waren. Die 2019 unterzeichnete "Gemeinsame Erklärung zur Brüderlichkeit aller Menschen" mit dem Großimam von Al-Azhar (Red.: Universität in Kairo) war ein Wendepunkt in der Geschichte des interreligiösen Dialogs - nicht nur symbolisch, sondern auch institutionell.
Im Februar 2022, zum Jahrestag der Unterzeichnung dieses historischen Dokuments, haben wir - ich war damals Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland - zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung von Bischof Bertram Meier unser zentrales Spitzentreffen ganz diesem Dokument gewidmet.
Ein Jahr später reisten Bischof Meier und ich zum Jahrestag der Unterzeichnung nach Abu Dhabi. Bischof Meier leitete unter anderem einen katholischen Gottesdienst in der arabischen Metropole, an dem mehr als 3000 Gläubige teilnahmen.
Abdassamad El Yazidi (49) ist seit Februar 2025 Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD). Zuvor war er einige Jahre ZMD-Generalsekretär. El Yazidi ist seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog engagiert. Der gebürtige Hesse betont die Verankerung von Muslimen in der deutschen Gesellschaft.
Das Interview führte Christoph Strack.