Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den US-Amerikaner Allison und den Japaner Honjo. Beide machten entscheidende Entdeckungen, um das körpereigene Immunsystem gegen Krebszellen zu aktivieren.
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Den beiden Forschern sei ein Meilenstein im Kampf gegen Krebs gelungen, erklärte die Nobel-Jury in Stockholm. Dafür werden der US-Amerikaner James P. Allison und der Japaner Tasuku Honjo in diesem Jahr mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet.
Beide Forscher machten entscheidende Entdeckungen, wie das eigene Immunsystem genutzt werden kann, um bösartige Krebszellen zu bekämpfen. Für ihre Arbeiten bekamen beide Wissenschaftler schon zahlreiche wichtige Auszeichnungen und galten schon länger als Kandidaten für den Nobelpreis. Das Thema Immuntherapie ist seit einigen Jahren DAS Trend-Gebiet in der Krebsmedizin.
Was genau ist Immuntherapie?
Sobald die Abwehrzellen unseres Immunsystems - die sogenannten T-Zellen - gefährliche Tumorzellen irgendwo im Körper aufspüren, könnten sie diese - genauso wie Bakterien oder Viren - direkt angreifen. Das Problem war lange Zeit, dass es für das Immunsystem nicht möglich war, die Krebszellen zu erkennen. Denn diese senden Signale aus, die die Immunabwehr bremsen. Die Folge: Das Immunsystem kämpft nicht gegen die wuchernden Zellen, sondern bleibt untätig. Vor allem in den 90er Jahren gelangen James P. Allison und Tasuku Honjo genau hier entscheidende Durchbrüche. Sie machten die Tumorzellen für das Immunsystem sichtbar. Und zwar indem sie die tückischen Signale der Krebszellen mit Hilfe von Antikörper einfach blockierten.
Immunsystem gegen Krebs
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Immun- statt Chemotherapie?
Vor allen Dingen der aggressive, schwarze Hautkrebs kann mit der von Allison entwickelten Methode behandelt werden. Die Immuntherapie schlägt erwiesenermaßen bei Melanomen an, bei fortgeschrittenem Lungenkrebs aber auch bei Nierenkrebs. Forscher hoffen, dass sie schon bald auch bei anderen Krebsarten eingesetzt werden kann und dass sie bei bestimmten Formen eine Chemotherapie wird ersetzen können. Neben Operation, Bestrahlung und Chemotherapie gilt die Immuntherapie aber jetzt schon als vierte Säule in der Krebsbehandlung.
Wer sind die beiden Gekürten?
Der US-amerikanischen Immunologe James P. Allison wurde am 7. August 1948 geboren. Er arbeitet am MD Anderson Cancer Center der University of Texas. Tasuku Honjo wurde 1942 in Kyoto geboren. Er lebt und forscht dort noch immer an der Kyoto University. Beide Immunforscher wurden schon mit Auszeichnungen überschüttet.
Im vergangenen Jahr hatten die drei US-Forscher Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young die Auszeichnung für die Erforschung der Inneren Uhr des Menschen erhalten. Mit der Bekanntgabe des Medizin-Nobelpreisträgers startet in Stockholm die Nobel-Woche. Am Dienstag und Mittwoch veröffentlicht die Jury die Namen der Preisträger für Physik und Chemie. Am Freitag wird der Friedensnobelpreisträger in Oslo gekürt. Abschließend wird am darauffolgenden Montag der Nobelpreis für Wirtschaft vergeben.
Neue Methoden im Kampf gegen Krebs
Krebsforscher im deutschen Sprachraum arbeiten mit Hochdruck an vielversprechenden Medikamenten für die Immuntherapie. Aber Behandlungen, die Änderungen am Immunsystem vornehmen, können auch katastrophale Folgen haben.
Bild: Fotolia/S. Bähren
Viel frische Luft
Den Tumorzellen Sauerstoff zu entziehen ist eine Möglichkeit, sie am Wachstum zu hindern. Ärzte des Universitätsspitals Zürich versuchen nun das Gegenteil. Dazu werden die vom Krebs veränderten Blutgefäße normalisiert und dann mit Sauerstoff "überschwemmt". Die Wissenschaftler hoffen, so die Wirksamkeit von Chemotherapie und Bestrahlung zu erhöhen.
Zitronenduft
Bei einer anderen Methode wird Zitronenduft gebraucht, um die Streuung von Leberkrebs einzudämmen. Forscher der Ruhr-Universität Bochum nutzen die ätherischen Duftkomponenten der Frucht als eine Art "Schlüssel" zum Öffnen der Krebszellen. Dadurch steigt deren Kalziumspiegel - und das wiederum verhindert, dass die Zelle streut.
Bild: picture alliance/David Ebener
Immuntherapie
Am aufregendsten ist die Forschung im Bereich der Immuntherapie. Hier soll das Immunsystem lernen, wuchernde Krebszellen selbst zu bekämpfen. Das Problem: Normalerweise stuft das Immunsystem gut 99,9 Prozent der Krebsproteine als "sicher" ein. Wissenschaftler müssen ihm "beibringen", die richtigen Proteine anzugehen - ohne es zu übertreiben und eine Autoimmunreaktion zu provozieren.
Bild: bzga
Hoffnung für Krebspatienten
Experimentelle Immuntherapie ist oft die letzte Hoffnung für todkranke Krebspatienten. Die neuen Medikamente und Behandlungen werden erst angewandt, wenn traditionelle Wege der Medizin versagt haben - häufig mehrfach. Ärzte und Patienten können sich mit dem Krebsinformationsdienst in Verbindung setzen, um mit Forschern der experimentellen Methoden in Kontakt zu kommen.
Bild: picture-alliance/dpa
Mutierte Proteine
Eine Art der Immuntherapie: Impfungen. "Das Ziel ist, das Immunsystem so zu aktivieren, dass es speziell mutierte Proteine erkennt", sagt Professor Michael Platten von der Uni Heidelberg. Platten konnte die Methode erfolgreich an Mäusen testen, die ein menschenähnliches Immunsystem haben. Die Tumore wurden kleiner oder verschwanden ganz. In diesem Jahr startet eine Studie mit 39 Patienten.
Bild: Forschungszentrum Jülich
Sieben Patienten
Bei einer bestimmten Methode der Immuntherapie spielen Antikörper eine wichtige Rolle. Professor Helmut Salih und seine Kollegen an der Uni Tübingen haben ihre Antikörpertherapie bei sieben Patienten angewendet. Antikörper verhindern, dass gesunde Zellen durch Krebszellen infiziert werden. Erste Ergebnisse zeigten, dass die Krebszellen verschwanden, um nach kurzer Zeit wieder aufzutauchen …
Bild: Universität Tübingen
Dankespostkarten aus Frankreich
… aber in einem Fall sah das anders aus. Oben zu sehen ist die "Lieblingsgrafik" Salihs. Sie zeigt, wie Leukämiezellen aus dem Körper eines 59-jährigen Franzosen verschwanden. Salih bekommt immer noch Postkarten von der dankbaren Ehefrau des Patienten. Weitere Versuchsreihen sind jedoch ausgesetzt, bis die Forscher in Tübingen die Genehmigung für die Herstellung ihrer Medikamente bekommen.
Erfolgsgeschichte
Auch der Fall des 27-jährigen Georgios ist gut ausgegangen. Er ging wegen geschwollener Lymphknoten mit Verdacht auf Grippe zum Arzt. Aber es war metastasierender Lungenkrebs. Jetzt ist er krebsfrei. Seine genaue Immuntherapie bleibt geheim, da ein Pharmaunternehmen beteiligt ist. Aber, so Georgios, sie sei angenehmer gewesen als eine Chemotherapie.