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PolitikEuropa

Wie Pflegebedürftige in Europa geschützt werden

7. November 2021

Nachdem sich COVID-19-Fälle trotz Impfungen in Pflegeheimen häufen, debattiert Deutschland, was zu tun ist: Booster-Impfungen, tägliche Tests und Impfpflicht für das Personal werden diskutiert. Was tun andere Länder?

Impfstart in Europa: Eine betagte Dame erhält eine Impfung
Trotz hoher Impfquote häufen sich in Pflegeheimen COVID-19-Erkrankungen mit schwerem Verlauf (Symbolbild)Bild: Fabrizio Bensch/REUTERS

Die "epidemische Lage nationaler Tragweite" soll nach dem Willen des geschäftsführenden Gesundheitsministers Jens Spahn Ende November auslaufen. Ein Ende der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus ist dennoch nicht in Sicht. Erhöhte Aufmerksamkeit liegt derzeit auf den Alten- und Pflegeheimen. Dort ist zwar die Impfquote überdurchschnittlich hoch, aber auch die Zahl der Impfdurchbrüche, also der symptomatischen COVID-19-Erkrankungen trotz doppelter Impfung.

Gerade haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern eine Ausweitung der Testpflicht in Alten- und Pflegeheimen beschlossen. Spahn will die Auffrischungsimpfungen in der Gruppe der Über-70-Jährigen vorantreiben. Eine Impfpflicht für das Pflegepersonal lehnt er jedoch ab.

Spahns Pläne stoßen in Deutschland auf ein geteiltes Echo. Auch europaweit gehen die Meinungen - und die Gesetzgebungen - auseinander, wie die Corona-Infektionsgefahr in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu senken ist. Einige Beispiele.

Der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn setzt auf impfen und testen - auch im GesundheitssektorBild: picture alliance/dpa

Italien

Die Regierung in Rom gehörte zu den ersten, die eine Impfpflicht eingeführt haben. Seit dem 25. Mai muss sich medizinisches Personal gegen COVID-19 impfen lassen, sonst droht eine Suspendierung. Bis Ende Oktober wurden nach Angaben des nationalen Ärzteverbandes FNOMCeO allein mehr als 2000 Ärzte suspendiert, weil sie nicht geimpft waren. Rund 500 von ihnen haben dies allerdings mittlerweile nachgeholt und ihre Arbeit wieder aufgenommen. 

Seit September müssen alle Arbeitnehmer am Arbeitsplatz einen "Grünen Pass" vorweisen, der bestätigt, dass sie genesen, geimpft oder in den vergangenen 48 Stunden negativ getestet worden sind. Die Kosten für die Tests zahlt der Staat nur denjenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.

Griechenland

In Griechenland gilt seit dem 1. September ebenfalls eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Inzwischen müssen alle nicht geimpften Angestellten ihren Arbeitgebern zweimal pro Woche einen negativen Corona-Test vorlegen, um zur Arbeit erscheinen zu dürfen. Die Kosten von maximal zehn Euro für einen Antigen-Schnelltest müssen sie selbst tragen.

Zehntausende Franzosen protestierten im Sommer gegen die Einführung der Impfpflicht im GesundheitssektorBild: Julien Mattia / Le Pictorium/MAXPPP/picture alliance

Frankreich

In Frankreich gilt seit Mitte September eine Impfpflicht. Davon betroffen sind nicht nur Beschäftigte des Gesundheitswesens, sondern auch weitere Berufsgruppen wie Polizei und Feuerwehr. Wie in Griechenland und Italien sind auch in Frankreich keine Kündigungen aufgrund einer fehlenden Impfung möglich, wohl aber Suspendierungen ohne Gehaltszahlungen.

Großbritannien

Anfang November hat der britische Gesundheitsminister Sajid Javid angekündigt, dass sich ab April 2022 alle Beschäftigten im staatlichen Gesundheits- und Pflegesektor von England impfen lassen müssen. Mit der langen Vorlaufzeit trägt Javid Bedenken Rechnung, dass viele Betroffene sich der Auflage widersetzen und dem Gesundheitssystem mitten im Winter noch größere personelle Engpässe bevorstehen könnten, als ohnehin schon existieren. Die Regelung soll ausschließlich für England gelten. Für die anderen Teile des Vereinigten Königreichs - Schottland, Wales und Nordirland - ist kein vergleichbarer Schritt geplant.

Spanien

Auch Spanien debattiert über eine Impfpflicht - allerdings für alle Arbeitnehmer, nicht nur für die im Gesundheitssektor. Der Arbeitgeberverband ist dafür; Gesundheitsministerin Carolina Darias ist gegen eine Impfpflicht.

Die Regierungen einiger autonomer Regionen hatten allerdings bereits entsprechende Gesetze vorgelegt, sie aber nie angewandt. Das Gesetz der "Xunta" in Galizien beispielsweise ähnelte der Grüne-Pass-Regelung in Italien. Nachdem die Zentralregierung in Madrid es im Sommer vom spanischen Verfassungsgericht überprüfen ließ, kam die galizische Regionalregierung dem Entscheid zuvor, indem sie es zurückzog.

In Spanien war die Impfkampagne sehr erfolgreich. Im Gesundheitswesen sind praktisch alle Mitarbeiter geimpftBild: A. Pérez Meca/EUROPA PRESS/dpa/picture alliance

Angesichts der hohen Impfquote von mehr als 85 Prozent unter den 20- bis 69-Jährigen und einer nahezu 100-prozentigen Impfquote unter den Beschäftigten im Gesundheitssektor wäre ein solcher Schritt wohl auch schwer vereinbar mit der spanischen Verfassung, die für solche Eingriffe in die Freiheitsrechte hohe Hürden setzt.

Proteste gegen Maßnahmen

In keinem der genannten Länder ist die Impfpflicht unumstritten. Immer wieder haben Tausende bis Zehntausende Menschen dagegen demonstriert. 30 Betroffene aus Griechenland haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eine Klage gegen die Impfpflicht in ihrem Land eingereicht - ohne Erfolg. In Italien haben 300 Betroffene gegen die Impfpflicht im Gesundheitswesen geklagt. In der italienischen Stadt Triest blockierte die Arbeiterschaft Mitte Oktober den Hafen, um eine Abschaffung der Pflicht zum Grünen Pass oder zumindest kostenlose Tests zu erwirken. Die Blockade wurde von der Polizei aufgelöst, aber der Protest der Hafenarbeiter geht weiter.

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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