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Importierte Mafia

8. März 2002

- Ausländische Verbrechergruppen beherrschen die polnische Unterwelt

Posen, 4.3.2002, WPROST, poln.

Der Drogen- und Waffenhandel, die Prostitution und der Menschenschmuggel, alle diese "Branchen" wurden in Polen von ausländischen Verbrechersyndikaten übernommen. Die Gruppen von Albanern aus dem Kosovo und Mazedonien haben praktisch die Kontrolle über den Drogenschmuggel über die sogenannte "Balkan- Route" übernommen. Durch Polen werden Ecstasypillen aus Mazedonien transportiert, Heroin aus der Türkei und Marihuana aus dem Kosovo. Der Waffenhandel wird von den Ukrainern und Tschetschenen (...) kontrolliert. Der Menschenschmuggel ist eine Domäne der Ukrainer und Bulgaren.

Die Albaner haben bei uns - ähnlich wie die Tschetchenen, Armenier und Ukrainer - ihre europäische Basis gegründet. Die "importierten Verbrecher" haben die Tatsache ausgenutzt, dass die größten einheimischen Verbrecherbanden von der Polizei zerschlagen wurden. Sie haben den übrig gebliebenen Mafiamitgliedern keinen Kampf angesagt, sondern sich ihre Dienste einfach erkauft. Die Polizei kann die Verfolgung dieser ethnischen Gruppen nicht einmal aufnehmen, weil es keine Möglichkeit gibt, dort einen V-Mann einzuschleusen.

Zu den wichtigsten Städten auf der sogenannten "Balkan-Route" gehören Krakau, Warschau und Stettin, die gleichzeitig auch als die wichtigsten Logistikcenter der albanischen Mafia dienen. Die Drogen aus Albanien, der Türkei und Bulgarien werden zuerst zu den Großlagern in der Slowakei transportiert. Dann werden sie in Lager in Südpolen gebracht, sortiert und dann durch legale Handelsfirmen in ganz Polen verteilt.

Die Ware, die in den Westen geschmuggelt werden soll, wird an der Küste Polens gelagert. "Die albanische Mafia wird von den Familienclans aus dem Kosovo und Mazedonien gebildet. Es ist praktisch unmöglich, an Insiderinformationen über diese Gruppen zu kommen, da ihre Mitglieder sehr loyal und sehr gut organisiert sind. Ein Teil dieser Leute wurde sogar bei der Kosovo-Befreiungsarmee geschult", erklärt ein Offizier vom Zentralen Ermittlungsbüro der Polizei.

Vor einem Jahr wurden in einem Fischerhaus an der Stettiner Bucht 80 kg Marihuana sichergestellt, dessen Wert auf dem Schwarzmarkt etwa zwei Millionen Zloty beträgt. Dieses Haus, das einem Albaner, Pseudonym Alek gehört, der sich in Stettin legal aufhält, wurde als illegales Lager benutzt. Während der Ermittlung wurde festgestellt, dass er der Kopf eines in Stettin lebenden Familienclans war. Die Albaner haben mit Tschetschenen aus Breslau und aus der Region um Gorzow Wielkopolski zusammengearbeitet. (....)

Auch beim Menschenhandel gibt es eine Spezialisierung: Die Ukrainer sorgen für Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion und die Bulgaren sind für Frauen vom Balkan zuständig. Diese Frauen werden zu den großen "Gesellschaftsagenturen" in der Nähe von Warschau gebracht, wo sie dann versteigert werden. Eine solche "Versteigerung" wurde von der Polizei vor einiger Zeit aufgedeckt. "Den Bulgaren, die in Grojec (Warschauer Region -MD.) festgenommen wurden, wird Menschenraub und Misshandlung von Frauen vorgeworfen. Ferner werden sie dafür verantwortlich gemacht, dass sie diese Frauen zur Prostitution gezwungen haben", erklärt Unterkommissar Jacek Raczkiewicz, von der Kommandantur der Polizei in Mazowsze. "Bei einigen der Frauen wurden Folterspuren entdeckt, sie haben gebrochene Beine und Rippen gehabt", erinnern sich die Polizisten. Andere "Versteigerungen" wurden in einer Villa in einem Vorort von Wolomin veranstaltet. Dort wurden Bulgarinnen, Ukrainerinnen, Moldauerinnen und Rumäninnen verkauft. Die Käufer waren Verbrecher aus Polen und Deutschland. Für eine Frau wurde ein Preis von 500 bis 2 000 DM bezahlt

Die Konkurrenz zu den Verbrechern aus der Ukraine bildeten Palästinenser und Jordanier. Eine dieser Gruppen, die einige hundert Personen in den Westen geschmuggelt hat, wurde in Breslau von der Polizei zerschlagen. "In dieser Organisation gab es eine sehr genaue Hierarchie. Die Polen wurden nur als "Ausführende" behandelt und von den Geheimnissen der Gruppe fern gehalten", sagt Slawomir Cisowski, von der Hauptkommandantur der Polizei in Breslau.

Auch bei der Mafia aus Vietnam, die geschlossen für die Vertreter anderer Volksgruppen ist, gibt es eine strenge Verteilung der Rollen. Der Ungehorsam wird mit dem Tod bestraft. (....) Der Boss der vietnamesischen Mafia in Polen ist Hieu Van Phau, der in Warschau lebt. Eine bedeutende Rolle spielt aber auch Tran Quien Hieu, der die Gangs an der Küste regiert. Er stand an der Spitze einer Gruppe, die sich auf räuberische Gelderpressung spezialisierte und sich am Menschenschmuggel nach Deutschland und Skandinavien beteiligte.

Vor kurzem wurden im Stadion des Zehnjährigen Jubiläums (Stadion 10-lecia) in Warschau Vietnamesen von der polnischen Antiterror-Brigade festgenommen, die Menschenhandel betrieben haben und Menschen über die Grenze schmuggelten. "Mir wurde der Transport nach Deutschland versprochen, aber hier in Warschau versuchte man mir einzureden, dass ich mich bereits in Berlin befinde. Als ich begann zu protestieren, wurde ich geschlagen und ein Lösegeld wurde von meiner Familie gefordert", sagte einer der illegalen Emigranten bei der Polizei aus.

In der Gegend des Stadions entstehen immer mehr illegale Fabriken, in denen Markenwaren und CD's kopiert werden, die dann von den Russen auf den Märkten verkauft werden. Trotz alle dem werden Vietnamesen in den polnischen Statistiken als brave Bürger geführt. In Polen leben zur Zeit etwa 30 000 Vietnamesen. Im letzten Jahr wurden lediglich 57 von ihnen verdächtigt, ein Verbrechen begangen zu haben. "Die Vietnamesen sind so organisiert, dass keine Information, die ihren Ruf schädigen könnte, nach draußen dringen kann", erklärt Teresa Halik, vom Institut für Orientalistik an der Warschauer Universität.(...) Die Vietnamesen bilden nach den Russen und Ukrainern die drittgrößte nationale Gruppe, die sich um den Aufenthalt in Polen bemüht und die Vierte bei den Anträgen auf eine Arbeitserlaubnis.

Schon 1994 hat der damalige Innenminister, Andrzej Milczanowski, vor "der Entstehung nationaler Gangs gewarnt, die von den Bürgern aus Vietnam gegründet wurden und Verbindungen zu vietnamesischen Verbrechergruppen in ganz Europa haben". Die Polizisten vom Zentralen Ermittlungsbüro behaupten, dass die Strukturen der vietnamesischen Mafia in Polen mit Erlaubnis der Gang in Pruszkow gebildet wurden. (...) Vor den Vietnamesen wurde die Polizei auch von Interpol und dem deutschen Nachrichtendienst gewarnt.

Die bei uns aktiven ethnischen Verbrechergruppen sind sehr gut getarnt. Grundsätzlich vermeiden sie Konflikte mit den hiesigen Verbrechergruppen und arbeiten nicht mit ihnen zusammen. Aus diesem Grunde gibt es auch keine Beschwerden über ihre Mitglieder. "Wir haben enorme Schwierigkeiten mit der Durchdringung solcher Gruppen. Wenn wir sie nicht auf frischer Tat ertappen können, gibt es keine Zeugen, weil ihre Landsleute die Mauer des Schweigens niemals durchbrechen werden und die Polen wissen nichts davon", gibt Kommissar Maciej Matwiej, von der Hauptkommandantur der Polizei zu.

Um diese Mauer des Schweigens zu durchbrechen, wurde die Entscheidung getroffen, spezielle Einheiten beim Zentralen Ermittlungsbüro der Polizei ins Leben zu rufen, die sich ausschließlich mit der Bekämpfung der Verbrechen beschäftigen, die von nationalen Verbrechergruppen begangen wurden. Die Polizisten, die in diesen Einheiten arbeiten sollen, werden Sprachkurse (die sogar über mehrere Jahre dauern) absolvieren und die Kultur und die Sitten der Volksgruppen kennenlernen.

"Diese Gruppen kann man nicht bekämpfen, ohne dort einen Informanten zu platzieren, am besten in der Führungsebene. Dazu müssten jedoch die Vertreter der jeweiligen Volksgruppen in die Polizei aufgenommen werden. Fremde haben hier keine Chancen", meint Professor Tadeusz Hanausek, Leiter der Abteilung für Kriminalistik an der Jagielonen Universität in Krakau.

Wie wir erfahren haben, wurden bereits von den Offizieren des Zentralen Ermittlungbüros entsprechende Personen (d.h. Vietnamesen, Armenier, Tschetschenen usw.) angeworben und sie werden seit einigen Monaten in den Schulungsorten der Polizei und der Nachrichtendienste geschult. Noch in diesem Jahr sollen "Maulwürfe" in die Verbrechergruppen eingeschleust werden. (Sta)